Kommunikation – essenzielles Element unter REACh

Oberflächen 08. 03. 2020

Eine Gemeinschaftsveranstaltung des VECCO e. V. und der IHK Düsseldorf informierte und erörterte den Weg hin zu einer sachbezogenen und realistischen Lösung der aktuellen Probleme im Zusammenhang mit der galvanischen Verchromung unter den Aspekten von REACh

REACh wird immer mehr zu einem zentralen Thema für kleine und mittelständische Betriebe sowie deren Kunden. Am Beispiel von Chromtrioxid, das galvanotechnische Betriebe einsetzen, wird ersichtlich, dass ohne Zulassung die Weiterverwendung des Stoffes über ein bestimmtes Datum hinaus nicht mehr möglich ist. Die Suche nach möglichen und marktfähigen Alternativen, aber auch die kontinuierliche Reduzierung des Risikos bei der Verwendung, stehen dabei für die gesamte Branche der Galvanotechnik im Vordergrund. Im Rahmen einer Veranstaltung der IHK Düsseldorf zusammen mit den Rheinlandkammern und dem VECCO e. V. am 5. ­Februar, wurden praktische Probleme der Betriebe erörtert, die im Bereich Arbeits- und Umweltschutz bei der Erfüllung der Anforderungen auftreten. Im Mittelpunkt standen hierbei praxisnahe Lösungsansätze zur Erfüllung der Informationen und Anforderungen der EU-weiten Zulassung über die Verwendung, Schutzmaßnahmen und Exposition, auf die sich Betriebe und Behörden stützen können und die aufzeigen, wie diese zu realisieren sind.

Erfahrungen und Anforderungen für nachgeschaltete Anwender

Der VECCO e. V. mit derzeit 140 Mitgliedern, von Kleinunternehmen bis zu Konzernen, verfügt inzwischen über knapp sieben Jahre Erfahrung im Umgang mit REACh, insbesondere für die Autorisierung von Chrom(VI)verbindungen zur Abscheidung von dekorativen Chromschichten und von Hartchrom. Zu diesem Zweck arbeitet VECCO intensiv mit der Eupoc GmbH und der Hapoc GmbH zusammen. Der Vorsitzende des VECCO e. V., Mathias Enseling, wies darauf hin, dass die Aufgaben des Vereins vielfältig sind: Sie reichen von der politischen Interessenvertretung über die fachliche Arbeit zur Erfüllung der REACh-Anforderungen und Netzwerkarbeit bis hin zur Betreuung der Arbeiten im Hinblick auf Substitution.

Bisher wurden vom EU-Parlament trotz umfangreicher Zuarbeit für die europäischen Behörden nur in geringem Umfang Entscheidungen zur Autorisierung getroffen. Dies ist unter anderem auf Entschließungsanträge gegen Zulassungsanträge zurückzuführen. Diese beruhen auf Urteilen des EuGH zu Bleichromaten, die Schweden gegen die EU-Kommission erwirkt hatte (T-837/16). Daraus folgend sind die Analysen der Alternativen stärker in der Vordergrund gerückt worden, was bedeutet, dass zunehmend Substitutionspläne von den Behörden eingefordert werden.

Um die erforderliche Datenlage zu erhalten, sind vor allem belastbare Zahlen zu Emissionen bei den betroffenen Unternehmen notwendig. Hier unterstützt der VECCO in Zusammenarbeit mit Partnern beispielsweise das Sammeln und Auswerten von Messdaten in allen beschriebenen Expositionsszenarien. Hierzu wird unter anderem eine Wissensdatenbank oder eine Zusammenstellung wichtiger Unterlagen (Musterschreiben, Videos, ­Anweisungen) bereitgestellt.

Die kontinuierlich wachsende Datensammlung aller Mitglieder des VECCO stellt eine aussichtsreiche Basis dar, um die Situation der Betriebe beschreiben zu können. Gemeinsam mit dem Partner hapoc wird hierzu eine interaktive Datenbank eingerichtet. Über diese Plattform stellen die Unternehmen ihre Daten ein, unter Beachtung aller Anforderungen hinsichtlich der Datensicherheit und Vertraulichkeit. Mit diesem Werkzeug werden weiterhin wesentliche Informationen zum sicheren Umgang zugänglich gemacht. Auch durch eine Autorisierung vorgegebene Fristen und Termine werden berücksichtigt.

Ein bereits vorliegendes wichtiges Ergebnis der Datenanalyse ist beispielsweise, dass sich die Werte für die Expositionen in den betrachteteten Fertigungen kontinuierlich verringert haben. Dies zeigt bereits jetzt, dass die Gefährdung der Mitarbeiter entsprechend dem geforderten Minimierungsgebot kontinuierlich verringert werden. Ergänzend zur Zusammenstellung von Messdaten bietet die Plattform die Möglichkeit zum Einkauf von zur Fertigung notwendigen Chromsäure sowie in Zukunft ergänzende Produkte.

Dazu zählt vor allem Arbeitsschutzausrüstung oder Unterlagen für die Informations­vermittlung innerhalb der Lieferkette, also insbesondere für Kunden der Beschichtungsunternehmen. Auch dies unterstützt die Planungssicherheit für alle beteiligten Arbeitsstufen innerhalb der Lieferkette.

Wer investiert, braucht Rechtssicherheit

Ein seit langer Zeit aktiver Betrieb ist in diesem Zusammenhang das Unternehmen Saueressig (Unternehmensbereich der Matthews International GmbH), die Druck- und Prägewalzen herstellt. Als große Herausforderung im Zusammenhang mit der weiteren Verwendung von Chromtrioxid sieht Dr. Gerald Jenke von Saueressig die Tatsache, dass es noch keine rechtliche Sicherheit gibt. Dr. Jenke leitet die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens. Der Umgang mit den Anforderungen von REACH und die Suche nach Alternativen für Chromtrioxid spielt für ihn eine große Rolle und er sieht es als problematisch an, dass viele Unternehmen nicht wissen, ob sie eine Autorisierung für die Verwendung des Stoffs erhalten – und wenn ja, über welchen Zeitraum und was danach passiert. Wenn Unternehmen in neue Technologien investieren müssen, dann brauchen sie nach Überzeugung von Dr. Jenke Rechtssicherheit und klare Rahmenbedingungen. Saueressig hat ihre Anlagentechnik entsprechend modernisiert, um Chromtrioxid weiter verwenden zu können. Als möglicher Ersatz für bestimmte Anwendungen werden Elektrolyte auf Basis von Chrom(III) sowie weitere Alternativen beobachtet und getestet.

Branchenüblich oder Stand der Technik

Im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Arbeitssicherheit und damit auch im Hinblick auf REACh bietet der ­sogenannte Stand der Technik einen Anhaltspunkt für den Aufbau von Produktionsanlagen. Dr. Romy Marx von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), befasst sich mit der Fragestellung, welcher Zusammenhang mit der Zulassung von Chrom(VI) für die galvanische Verchromung mit technischen Beschreibungen besteht, wie er sich hinter den Begrifflichkeiten branchenüblich und Stand der Technik verbirgt. Nach Aussage von Dr. Romy Marx ist Stand der Technik nicht mit branchenüblich gleichzusetzen; zum einen ist der Stand der Technik nur für einige Beispiele konkret ermittelt (also nicht allumfassend) und zum anderen ist er dynamisch, durch die Einbeziehung der stetigen Entwicklungen, zu sehen. Schließlich wird der Stand der Technik durch nationale Gegebenheiten erkennbar beeinflusst und ist damit nicht unbedingt auf EU-Regelungen direkt anwendbar.

Im Falle des Hartverchromens beschreibt der Stand der Technik acht verschiedene Szenarien (gekennzeichnet durch die Buchstaben A bis H) zu Expositionen bei Verwenden von Chrom(VI). Diese liegen beim Einsatz von Randabsaugung als einzige technische Maßnahme bei 24,6 µg/m3 Chrom(VI) und lassen sich durch den Einsatz von weiteren Technologien wie Absenkung des Elektrolytspiegels, Fließumhüllung der Kathode zur Vermeidung von Aerosol bis zur Verwendung von geschlossenen Anlagen auf Werte unter 1 µg/m3 senken. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass durch REACh die Anpassung der Inhalte zum Stand der Technik erforderlich sind und diese nach Ansicht der Vortragenden durch gesetzliche Regelungen gefordert werden müssen.

Perspektive der Vollzugsbehörden

Dr. Andrea Mayer-Figge, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, lenkte den Blick vom Schwerpunkt der galvanischen Verchromung auf die generelle Situation im Hinblick auf den Umgang mit ­Gefahrstoffen. Damit rückt die Betrachtungsweise von den technischen und wirtschaftlichen Konsequenzen der Verwendung von Gefahrstoffen unter deutlich erhöhtem bürokratischem Aufwand oder der technischen Herausforderungen einer Substitution auf die veränderte Gefährdung von Mensch und Natur. Seitens der Behörden macht es erst REACh ­möglich, einen umfassenden Blick auf die Verwendung aller Stoffe zu bekommen und die sich daraus ergebenden Risiken zu beurteilen. Nach Ansicht der Behörde ist der Gesamtnutzen für die Gesellschaft höher zu bewerten, als die entstehenden Einschränkungen in der Wirtschaft - ein Aspekt, der sicher nicht von allen Teilnehmern unserer Volkswirtschaft geteilt wird.

Die von der Vortragenden genannten Beispiele entstammten nahezu ausschließlich aus dem Gebiet der organischen Chemie, insbesondere aus dem Bereich der Lösemittel. Für diesen Bereich bietet nach Ansicht der Behörden REACh die längst benötigte Basis zur zuverlässigen Gefährdungsbeurteilung mit Hilfe der Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) sowie der abgeleiteten Expositionshöhen (DNEL), unterhalb deren ein Stoff die menschliche Gesundheit nicht beeinträchtigt. So liegen jetzt erste Erfahrungen zum Nutzen der DNEL und der daraus abgeleiteten Weiterentwicklung des Arbeitsschutzes vor [1].

Besondere Berücksichtigung für die Gefährdungsbeurteilung kommt den Sicherheitsdatenblättern zu. Die VO (EU) 453/2010 bedeutet nach Ansicht der Behörde einen deutlichen Fortschritt hin zu einer verbesserten Tansparenz und Nachvollziehbarkeit; allerdings zeigt die Praxis diesbezüglich noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Der hierfür relevante Grundsatz für den Arbeitsschutz verlangt die Durchführung von vier ­Aufgaben:

  • Substitution betrachten
  • technische Maßnahmen erfassen
  • organisatorische Maßnahmen beschreiben
  • personenbezogene Maßnahmen beschreiben

Diese als STOP-Prinzip bezeichnete Vorgehensweise wird durch REACh gefördert. Im Rahmen eines Pilotprojekts zu Überprüfung der erweiterten Sicherheitsdatenblätter in Rheinland-Pfalz wurde 2015 noch ein deutlicher Nachholbedarf in der Industrie ermittelt, wobei besonders die Punkte Erste-Hilfe-Maßnahmen und Exposition/persönliche Schutzausrüstung mit einem Mängelanteil von über 70 Prozent (aus 111 Sicherheits­datenblättern) betroffen waren.

2017 wurde mit REACH-EN-FORCE-5 ein ­europaweites Überwachungsprojekt durchgeführt, dessen Ergebnisse in zwei Berichten verfügbar sind [2, 3]. Im Rahmen des Projekts wurden unter anderem 95 deutsche und 486 europäische Unternehmen beziehungsweise zwölf deutsche und 169 europäische Hersteller von Metall-/Elektroerzeugnissen überprüft. Die Prüfungen bezogen sich auf insgesamt 192 Stoffe ­(Deutschland) beziehungsweise 1435 Stoffe (Europa). In Deutschland wurden bei 13 Prozent der Sicherheitsdatenblätter nennenswerte Mängel festgestellt gegenüber 17 Prozent an Mängeln bei europäischen Unternehmen; damit schnitten die deutschen Unternehmen besser ab [3]. Allerdings erbrachte die Prüfung auch, dass bei den erweiterten Sicherheitsdatenblättern die Verwendungsbedingungen mit 19 Prozent in Deutschland deutlich häufiger fehlen (5 % in der EU) sowie die ­Risikomanagementmaßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer in deutschen Sicherheitsdatenblättern mit 20 Prozent (8 % in der EU) unzureichend sind. Damit zeigt sich, dass die aktive Kommunikation innerhalb der Lieferkette noch nicht ausreichend ist.

Der ganzheitliche Blick auf Gefahrstoffe

Aus der schwierigen Situation im Hinblick auf den Umgang mit Chromtrioxid gelte es nach Ansicht von Dr. Martin Wieske, Leiter Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Chemikalienrecht bei der WirtschaftsVereinigung Metalle, zu lernen. Dazu betrachtet er Praxislösungen für den Umgang mit krebserzeugenden Stoffen am Beispiel der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 561. Seiner Ansicht nach ist der Fall Chromtrioxid ein Pilotfall für die Diskussion um die Zulassung von Gefahrstoffen sowie den Umgang damit – die Erfahrungen, die jetzt gemacht werden, sollten nach seiner Meinung dazu führen, dass künftig andere, nachhaltige Wege gegangen werden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Substitutionen sind die richtige Wahl sind – ein ganzheitlicher Blick ist aus Sicht von Wieske angebracht. Der Fachmann empfiehlt die Lektüre der TRGS 561 [5], die nur wenigen im Publikum der Veranstaltung bekannt war.

Was muss in Zukunft folgen?

In der Abschlussdiskussion besteht Einigkeit darüber, dass vor allem Rechtssicherheit geschaffen werden muss. Gleichzeitig erklären die Podiumsteilnehmer, es müsse gewährleistet sein, dass die Betriebe die Bedingungen umsetzen können – sowohl hinsichtlich der Risikomanagementmaßnahmen als auch hinsichtlich möglicher Substitutionen. Die Expertenrunde stimmt darin überein, dass es weiterhin wesentlich ist, Sicherheit in der Einstufung von Chemikalien zur Entwicklung von Substitutionen zu erhalten.

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Toxikologie etc. sind im Sinne von Umwelt- und Gesundheitsschutz immer – und nicht nur im Zusammenhang mit Zulassungsverfahren – zu berücksichtigen. Es muss transparent sein, welche Alternativen im Markt verfügbar sind und mit welchen Unsicherheiten deren Verwendung verbunden ist. Nur so kann den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit gegeben werden, die Weiterverwendung von Chrom(VI) und die Zulassung mit den eigenen Investitionen zu bewerten. Auch muss laut den Spezialisten der globale Aspekt beachtet werden, der zum einen durch die Möglichkeit einer Verlagerung von Wirtschaftskapazitäten und zum anderen durch die weltweiten Initiativen zur Verminderung der Verwendung von Gefahrstoffen gegeben ist. REACH wird verstärkt global diskutiert, allerdings in verschiedenen Ländern teilweise unterschiedlich eingeführt. Zudem muss REACH verstärkt im Kontext mit anderen Herausforderungen diskutiert werden - Umweltaspekte, Arbeitsschutz, Ressourcensicherheit und soziale Entwicklungen sind dabei nur einige Gesichtspunkte, die es zu berücksichtigen gilt.

Hinweis

Auf der Seite der IHK sind neben einem kurzen Überblick über die Veranstaltung (https://www.duesseldorf.ihk.de/industrie-innovation-umwelt/nachberichte/reach-und-zulassung-von-chrom-vi-4699090) alle Vorträge der Referenten zum Thema REACH-Zulassung Chrom VI -Auswirkungen auf die betriebliche Praxis zum Download verfügbar.

Literatur

[1] R. Pipke; https://www.baua.de/DE/Aufgaben/
Geschaeftsfuehrung-von-Ausschuessen/AGS/pdf/AGS-Diskussion-2017-12.pdf

[2] https://echa.europa.eu/de/about-us/who-we-are/enforcement-forum/forum-enforcement-projects

[3] https://www.blac.de/documents/ref-5-abschlussbericht_1577971912.pdf

[4] T. Wolf, E. Lechtenberg-Auffarth; BPUVZ, 2013

[5] https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regelwerk/TRGS/pdf/TRGS-561.pdf?__blob=publicationFile&v=5

Text zum Titelbild: Mehr als 90 Fachleute haben sich über Neuerungen zu REACh informiert und zu diesem Thema diskutiert (Bild: IHK Düsseldorf)

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