Die galvanische Kunststoffbeschichtung (Plating on Plastic – POP) ist ein wesentlicher Industriezweig der Galvanikbranche. Die eingesetzten Kunststoffe sind vorrangig Erdöl basierende Materialien. In Zeiten von Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz müssen galvanisch beschichtbare biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe entwickelt werden.
POP-Prozesse sind für die Herstellung metallisierter Kunststoffgegenstände in einem breiten Anwendungsbereich in der Automobilindustrie für den Fahrzeuginnenraum und -außenbereich, im Sanitärbereich und in der allgemeinen Konsumgüterindustrie unerlässlich. Es ist daher offensichtlich, dass die Entwicklung nachhaltiger POP-Prozesse für einen breiten Industriemarkt von Bedeutung ist. In der Regel basieren POP-Produkte auf Substraten aus Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) oder Acrylnitril-Butadien-Styrol-Polycarbonat (ABS / PC) und diese synthetischen Kunststoffe basieren vorrangig auf Erdöl.
In einem internationalen Kooperationsprojekt zwischen dem Metallurgy and Materials Science Research Institute (MMRI) der Chulalongkorn Universität in Bangkok (Thailand), der Forschungsgruppe Biotechnology and Sustainable Chemistry der University of Applied Sciences and Arts Westschweiz in Sion (Schweiz) und dem Fraunhofer IPA in Stuttgart wird eine maßgeschneiderte Prozesskette zur elektrochemischen Beschichtung von speziell entwickelten und modifizierten Biokunststoffen entwickelt.
Die allgemeine Bezeichnung Biokunststoff (Biopolymer) umfasst Kunststoffe, die biologisch abbaubar, biobasiert oder beides sind. Diese nicht ganz klare Begriffsdefinition führt häufig zu Missverständnissen, da biologisch abbaubare Kunststoffe sowohl auf nachwachsenden Rohstoffen als auch auf petrochemischen Rohstoffen (Erdöl, Erdgas) basieren.
Biobasiert heißt, dass das Material vollständig oder teilweise aus Biomasse (Pflanzen und Tiere) hergestellt wird. Für die Herstellung von Biokunststoffen wird beispielsweise Mais, Zuckerrohr oder Cellulose verwendet. Biologisch abbaubare Kunststoffe hingegen sind Polymere, die durch einen chemischen Prozess in die natürlichen Substanzen Wasser, Kohlenstoffdioxid und Kompost zersetzt werden. Der chemische Prozess wird durch Mikroorganismen hervorgerufen, die in der Umwelt vorkommen. Umweltbedingungen wie Ort und Temperatur sowie das verwendete Material haben ebenfalls Einfluss auf den biologischen Abbau.
Somit lässt sich feststellen, dass biobasierte Kunststoffe biologisch abbaubar sein können, sind es aber oftmals nicht. Umgekehrt sind biologisch abbaubare Kunststoffe nicht zwingend biobasiert, sondern können auch petrochemisch hergestellt sein.
Aufgrund der vielfältigen Einteilung von Biokunststoffen ist nachvollziehbar, wie komplex die Gestaltung und Synthese von biologisch abbaubaren Polymeren auf Basis nachwachsender (biobasierter) Rohstoffe ist, die am Ende auch noch galvanisch beschichtbar sein sollen. Die Herausforderung, biobasierte und biologisch abbaubare Polymere für die Galvanotechnik zu entwickeln, nimmt das internationale Konsortium an. Die Spezialisten der Fachhochschule Westschweiz entwickeln Biokunststoffe, die auf den Materialien PHA (Polyhydroxyalkanoat) und PLA (Polylactide/Polymilchsäure) basieren. In Zusammenarbeit mit den Forschern aus Bangkok und Stuttgart wird die Beschichtbarkeit (z. B. Haftung, kein Verzug) festgelegt. Die Biopolymere werden in Thailand mittels 3D-Druck verarbeitet und können zusätzlich modifiziert werden. Die galvanische Prozesskette (Vorbehandlung, Aktivierung und Beschichtung) wird unter Verzicht von CMR-Substanzen, wie sechswertige Chromverbindungen, in Bangkok und Stuttgart speziell auf die neuen Kunststoffe entwickelt und angepasst.
Literatur
[1] Hans-Josef Endres, Andrea Siebert-Raths: Technische Biopolymere. Rahmenbedingungen, Marktsituation, Herstellung, Aufbau und Eigenschaften; Hanser / München (2009); ISBN 978-3-446-41683-3