Oberflächenbeschichtung und Reinigung in wirtschaftlich ­unsicheren Zeiten

Oberflächen 06. 12. 2020

Bei der virtuellen Pressekonferenz der Deutschen Messe AG zur Surface Technology Germany 2020 und parts2clean 2020 gaben Olaf Daebler (Deutsche Messe AG), Ulrike Kunz (SurTec Deutschland GmbH), Christoph Matheis (ZVO e. V.), Dr. Martin Riester (VDMA), Frank-Holm Rögner (Fraunhofer-Allianz Reinigen) sowie Dr. Michael Zöllinger (Dr.-Ing. Max Schlötter GmbH & Co. KG) eine Einschätzung über die Situation der Branchen rund um die Oberflächen- und Reinigungstechnik zum auslaufenden Jahr 2020 und wagten zugleich einen Ausblick auf 2021. Beide Messen waren im Vorfeld aufgrund der Pandemie-Situation abgesagt und auf den Oktober 2021 (parts2clean) beziehungsweise Juni 2022 (Surface Technology Germany) verschoben worden.

Olaf Daebler eröffnete die von Katja Woh­lers geleitete Pressekonferenz am eigentlichen Eröffnungstermin der Doppelmesse aus Surface Technology Germany und parts2­clean mit einem Einblick in die Lage der stark betroffenen Deutsche Messe AG. Auch wenn das Jahr 2020 der Messewelt einen drastischen Riegel vorschiebt, ist Olaf Daebler sicher, dass der nächste Termin 2022 wieder mit dem gewohnten Messegeschehen stattfinden kann. Allerdings würden Messen zukünftig die digitalen Möglichkeiten nutzen und sich zu hybriden Veranstaltungen wandeln.

Galvano- und Oberflächentechnik

Wie Christoph Matheis, Zentralverband Oberflächentechnik e. V. (ZVO), eingangs ausführte, wurden die derzeitigen Mitgliedsunternehmen des ZVO aufgrund der erheblichen Änderungen in diesem Jahr bereits ­dreimal auf ihre Wirtschaftslage in befragt. Hierbei zeigt es sich, dass sich für 70 Prozent der Unternehmen die Geschäftslage in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr verschlechtert hat, wobei die Reduzierungen im Bereich zwischen 20 Prozent und 40 Prozent überwiegen. Dadurch liegt die Kapazitätsauslastung momentan bei 74 Prozent.

Positiv ist die Situation bezüglich der Beschäftigungsperspektive: So wollen 60 Prozent der Unternehmen kein Personal abbauen. Dies wird dadurch unterstützt, dass die Kurzarbeit in breitem Rahmen genutzt wurde und wird. Öffentliche Unterstützung wurde von 15 Prozent der Unternehmen in Form der Soforthilfe und von 20 Prozent in Form von Krediten in Anspruch genommen. Langfristig wird über eine Reduzierung der Unternehmensgrößen nachgedacht, über eine Verschiebung von Investitionen, die Erschließung neuer Märkte und Zielgruppen sowie einer beschleunigten Umsetzung von Digitalisierungsprojekten.

(Quelle: Chr. Matheis)

 

Schließlich steht auch eine Rückverlagerung von Produktionskapazitäten nach Europa an. Die Absage der Messe Surface ­Technology Germany sehen etwa 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen als richtige Entscheidung an. Für die Zukunft sind die Unternehmen aber zum großen Teil für die Abhaltung der Fachmesse in Deutschland, wobei eine Änderung der Messearbeit mit Unterstützung von digitalen Konzepten erwartet wird.

Digitalisierung als Chance

Dr. Martin Riester, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), stellte seine Ausführungen unter den Fokus der Digitalisierung als Chance für die deutsche Oberflächentechnik. Die Mitgliedsunternehmen des VDMA konnten in den vergangenen zehn Jahren eine Steigerung der Ausfuhren um etwa 20 Prozent auf vier Milliarden Euro in 2019 steigern. Der größte Abnehmer ist China mit 21 Prozent. Für 2020 wird allerdings mit einem deutlichen Rückgang gerechnet. Neben China ist Deutschland für die betrachteten Unternehmen der größte Markt. Gegenüber der letzten Krise 2008 erwartet der VDMA diesmal eine deutlich langsamere Erholung. Auffallend ist, dass die USA von einer Exportnation vermehrt zu einer Importnation werden. Für 2021 sehen die befragten Unternehmen eine nahezu unveränderte ­Situation gegenüber dem Jahr 2020.

Große Chancen sehen die Unternehmen in der Digitalisierung. Diese erhöhe die Flexibilität und Effizienz der Produktion. Des weiteren tragen die digitalen Technologien zu einer Reduzierung den Integrationsaufwands, einer einfacheren und beschleunigteren Inbetriebnahme von Anlagen unter Mitwirkung von standardisierten Schnittstellen bei, aber auch zu einem reduzierten Verhandlungsaufwand sowie der Umsetzung von qualifizierter Individualisierung als zusätzliche kundenspezifische Anforderung. Hierbei unterstützt der VDMA seine Mitglieder beispielsweise durch eingerichtete Arbeitskreise.

(Quelle: M. Riester)

 

Als Zulieferer die Krise meistern

Dr. Michael Zöllinger stellte die Situation aus Sicht des Chemie- und Verfahrenslieferanten dar. Die Arbeit bei der Dr.-Ing. Max Schlötter war vor allem durch die deutliche Verschiebung auf häusliche Isolation und ­Homeoffice für 15 Prozent bis 20 Prozent der ­Tätigkeiten gekennzeichnet. Ab Juni waren nahezu alle Mitarbeiter wieder im Unternehmen. Seit September wurde auch die Kurzarbeit beendet, wobei die allgemeinen Hygieneregeln strikt eingehalten werden.

Der Umsatz lag bis März 2020 über dem Vorjahresniveau. Im April/Mai waren dann deutliche Umsatzrückgänge festzustellen mit einem Trend zur Stabilisierung. Seit Oktober ist vor allem in Fernost eine deutliche Umsatzsteigerung zu erkennen. Schlötter hat bereits seit längerem eine Stärkung des Rohstoff­bezugs aus Europa betrieben und dadurch von dieser Seite keine Einschränkungen erlebt.

Als Ursache für die Schwierigkeiten tragen neben Corona auch die grundsätzlichen Veränderungen der Gesellschaft zu einem Wandel bei. Ähnlich wie bei den Mitgliedern des VDMA werden bei Schlötter deutliche Chancen durch die Digitalisierung gesehen. Als wichtige Komponenten der täglichen Arbeit zeichnen sich Innovation, Diversifizierung oder Verkürzung der Zulieferketten ab. Zukunftsthemen sind für Schlötter beispiels­weise Zink-Nickel als Korrosionsschutz oder umweltfreundliche Beschichtungsverfahren für Sonderkunststoffe.

Trends in der Reinigungstechnik

Frank-Holm Rögner, Fraunhofer Allianz Reinigung, betrachtete die wirtschaftliche Situation in der Reinigungstechnik, geprägt von den aktuellen Schwierigkeiten der Kunden. Als positiv gesehen werden die radikalen Änderungen in der Kommunikationstechnik. Ebenfalls positive Aspekte zeigt die Situation im Bereich der Medizintechnik und Pharmaindustrie. Als technische Treiber stellen sich die Energiewende zur Senkung der Kohlenstoffdioxidemission und Steigerung der Energieeffizienz dar. Dazu werden die Aktivitäten zur Entwicklung von neuen Fertigungsverfahren erhöht, beispielsweise zur Reinigung von additiv gefertigten Bauteilen oder dem Einsatz von neuen Materialien.

Schließlich werden auch in der Reinigungstechnik die Möglichkeiten der Digitalisierung sinnvoll und umfassender genutzt. Hierzu tragen beispielsweise eine umfangreiche Messtechnik mit sinnvoller Auswertung der gesammelten Daten oder interaktives Lernen bei. Die Vermittlung von Wissen unterstützt beispielsweise auch die Arbeiten im Bereich der Normen und Richtlinien und schlägt sich in Angebot und Nachfrage entsprechender Grundlagenseminare zur Reinigung nieder.

Trends in der Reinigungstechnik

Ulrike Kunz, SurTec Deutschland und FIT, befasst sich mit der aktuellen Unternehmenssituation und den wirtschaftlichen Trends in der Reinigungstechnik. Wie bei den Beschichtern verzeichnen auch die Unternehmen im Umfeld der Reinigungstechnologie Auftragsrückgänge zwischen 20 Prozent und 50 Prozent, was zur Inanspruchnahme von Kurzarbeit (90 % der Unternehmen) führt. Besonders drastisch war der Rückgang erwartungsgemäß im Bereich Automotive und Luftfahrt. Abträglich war insbesondere die Beschränkung der Reisetätigkeiten und damit der Ausfall von Serviceleistungen.

Die Anlagenbauer sind im Moment noch mit dem Abarbeiten der Aufträge von 2019 und früher beschäftigt. Für die nächste Zeit rechnen die Unternehmen mit Werksschließungen und Insolvenzen sowie mit einem stärker werdenden Anbieterkampf. Infolgedessen wird das Preisniveau erheblich belastet. Insbesondere für die kleineren Unternehmen wirkt sich das Fehlen von Messen und Live-Präsentationen negativ aus. Diese Nachteile können durch digitale Möglichkeiten nur sehr bedingt ausgeglichen werden. Verstärkte Anfragen sind aus dem Bereich der Reinigung neuer Materialien oder dem Einsatz von Reinigungstechnik in der Elek­tromobilität festzustellen, während die klassische Fahrzeugtechnik bereits seit Ende 2019 abnehmenden Bedarf signalisiert.

Fazit

Zum Abschluss des Jahres 2020 zeigt es sich, dass die Absage der beiden Fachmessen Surface Technology Germany und parts­2clean trotz der dadurch entstandenen Einbußen bei allen beteiligten Unternehmen die richtige Entscheidung war. Unter den derzeit notwendigen Hygienemaßnahmen und den laufenden erforderlichen Anpassungen an sich verändernde Pandemielagen wäre eine abgehaltene Messe sicherlich katastrophal schlecht gewesen - wenn sie überhaupt möglich gewesen wäre. Zudem zeigen die Stellungnahmen der Verbandsvertreter, dass die Unternehmen der Branchen ihre gesamten Kapazitäten in die Weiterentwicklung ihrer Angebote und die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeiten stecken müssen. Einige Anhaltspunkte für eine Verbesserung der kritischen Wirtschaftslage lassen aber erkennen, dass ein verhaltener Aufwärtstrend in Richtung der gewohnten Wirtschaftsaktivitäten stattfindet.

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