Mittelständler setzt auf Extremes Hoch­geschwindigkeits-Laserauftragschweißen EHLA

Werkstoffe 06. 03. 2021
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Erfunden in Aachen, Start in den Niederlanden, Einsätze in China und der Türkei – jetzt Erfolg in Deutschland: Die Rede ist vom Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen EHLA, einem patentierten und mehrfach preis­gekrönten Verfahren des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT aus Aachen.

Im mittelfränkischen Georgensgmünd sitzt in einer modernen Hightech-Fabrik die tool­craft AG, einer der aktivsten deutschen Pioniere für 3D-Metalldruck. Das Familienunternehmen ist seit der Gründung im Jahr 1989 der Beweis für die Innovationskraft des produzierenden Mittelstands.

toolcraft AG in Georgensgmünd bei Nürnberg (©Fraunhofer ILT, Aachen/R. Baumgarten)

 

Weil toolcraft bereits seit 2005 Erfahrung bei der Nachbearbeitung von 3D-Teilen besaß, sprach alles für den Einstieg in die additive Fertigung. Der Start in diese neue Welt geschah 2011 mit dem Kauf einer Pulverbett­anlage zum 3D-Metalldruck. Durchhaltewillen war gefragt, denn mit der ersten Maschine wickelte das Familienunternehmen in den ersten sechs Monaten nur Aufträge für rund 30 000 Euro ab. Heute sind die mittlerweile 13 additiven Produktionsmaschinen nach Firmenangaben gut ausgelastet.

Den Einstieg in den 3D-Druck verdankt das Unternehmen Christoph Hauck, der sich innerhalb des Vorstandstrios selbst als positiven Unruhestifter bezeichnet. Als Mister 3D-Druck vernetzt er toolcraft über viele ehrenamtliche Positionen – etwa als Vorstandsvorsitzender der VDMA-Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing oder als einer der Sprecher des Expertengremiums Additive Fertigung in Bayern – mit Anwendern, Herstellern und Forschern der 3D-Druck-Branche. Das haben auch große Firmen wie Siemens oder Trumpf erkannt, mit denen das Unternehmen in Sachen Additive Manufacturing (AM) sehr eng zusammenarbeitet.

       
3D-Druck in Reinkultur: Das Metall-Laserschmelzzentrum ist mit seinen mittlerweile 13 Anlagen für Additive Manufacturing gut ausgelastet (©Fraunhofer ILT, Aachen/R. Baumgarten) Ergonomisch: LMD-Projektleiter Florian Schlund freut sich über den offenen Zugang zum Arbeitsraum der TruLaser Cell 3000, der ihm die tägliche Arbeit erleichtert (©Fraunhofer ILT, Aachen/R. Baumgarten)

 

Kunden aus ­unterschiedlichsten Branchen

Der Erfolg gibt toolcraft recht. Die Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Indus­triezweigen wie Luftfahrt, Medizintechnik, Energiebranche, Maschinenbau, Halbleitersektor und Automobilindustrie. Darüber hinaus verfügt das Unternehmen zusätzlich zum großen Maschinenpark im Bereich Zerspanung (Präzisionsbauteile, Werkzeugbau) und Kunststoffspritzgießen über eine enorme Bandbreite an AM-Anlagen für metallische Werkstoffe auf Basis des laserbasierten Pulverbettverfahrens LPBF, dem Laserauftragschweißen LMD und dem Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen EHLA.

Auf zwei Trumpf-Anlagen ist das Unternehmen besonders stolz, denn es sind Premieren: die Trumpf TruPrint 1000 Green ­Edition und eine maßgeschneiderte TruLaser Cell 3000. Die Green Edition trägt die Seriennummer 001; die TruLaser Cell 3000 ist die weltweit bisher einzige EHLA-Hybridanlage. Während die Mittelfranken mit der Green Edition unter anderem dem Trend zur Elektromobilität folgen, in der es vor allem reines Kupfer und Kupferlegierungen wie CuCr1Zr zu schweißen gilt, soll die neue für toolcraft maßgeschneiderte Anlage weitere letzte Lücken im AM-Portfolio schließen. Für uns hat Trumpf auf Basis der TruLaser Cell 3000 die „eierlegende Wollmilchsau“ gebaut, freut sich Hauck.

       
Dank einer zusätzlichen A-Achse lassen sich mit dem EHLA-Auftragskopf bis zu 1490 mm lange Bauteile mit einem Maximaldurchmesser von 320 mm beschichten (©toolcraft) Ein Linienscanner prüft eine Beschichtung (©Fraunhofer ILT, Aachen/R. Baumgarten)

 

EHLA erweitert ­Universalmaschine zum Laser-Tausendsassa

Doch warum ist dies so? Dazu ein klärender Blick in die Maschine: Standardmäßig besitzt die TruLaser Cell 3000 einen großen Arbeitsraum mit den Maßen von 800 mm x 600 mm x 353 mm, der zwei- und dreidimensional laserschneiden, -schweißen sowie laserauftragschweißen kann. Tempo in das Laserauftragschweißen bringt der zusätzlich integrierte EHLA-Arbeitskopf, der die bisherige Auftragsgeschwindigkeit gegenüber dem Standardverfahren von bis dahin maximal 2,0 auf mehrere Hundert Meter pro Minute erhöht.

       
Teure Nebenzeiten lassen sich senken, weil an der TruLaser Cell 3000 mehrere toolcraft-Mitarbeiter, hier Jonathan Krauß und Florian Schlund, gleichzeitig arbeiten können (©Fraunhofer ILT, Aachen/R. Baumgarten) Teamwork mit Science-Fiction-Flair: ­Florian Schlund und Jonathan Krauß schützen sich bei 3D-Druckverfahren wie EHLA mit Atemschutzmasken vor winzigen Metallpartikeln (© Fraunhofer ILT, Aachen/R. Baumgarten)

 

Mit ihm lassen sich auf rotationssymmetrischen Bauteilen sehr schnell Schichten mit Stärken ab 0,05 mm bis hin zu ­mehrlagigen Volumina mit Schichtstärken von mehreren Zentimetern auftragen. Dazu erhielt die Trumpf-Anlage eine zusätzliche A-Achse für bis zu 1490 mm lange Bauteile mit einem maximalen Durchmesser von 320 mm sowie einen einschwenkbaren 3D-Laser-Profilscanner zum Vermessen und Positionieren eingespannter Werkstücke. Der Einsatz des Scanners ermöglicht nach den Worten von Dr. Thomas Schopphoven, Gruppenleiter Laser Material Deposition am Fraunhofer ILT, aber deutlich mehr. In Kombination mit einer geeigneten Software könnten die mit Scanner erfassten Geometriedaten genutzt werden, um die Werkzeugbahnen für den Materialauftrag mittels Laserauftragschweißen automatisiert zu planen.

Alternative zum Hartverchromen

Die Mittelfranken setzen EHLA ein, um beschädigte Stellen an ­rotationssymmetrischen Bauteilen zu reparieren und um sie zu beschichten. Das EHLA-System hat sich unter anderem in den Niederlanden und China bewährt, wo es auf mehrere Meter lange Offshore-Zylinder Korrosions- und Verschleißschutz aufträgt. Gefragt ist das EHLA-Beschichten etwa mit metallgebundenen Hartstoffschichten unter anderem als Alternative zum Hartverchromen.

Nicht nur aufgrund der Möglichkeit, umweltfreundlichere Schichten zu erzeugen, sondern auch wegen der oft deutlich effizienteren Arbeitsweise kommt das schnelle Auftragen mit dem Laser für viele Branchen infrage. Die Botschaft an Kunden und Interessenten ist klar: Gebt uns Aufgabenstellungen, wir prüfen die Machbarkeit und machen uns an die Umsetzung inklusive Laborbericht, sagt Hauck. Viel zu tun gibt es Hauck zufolge beispielsweise im Bereich Walzen. Erste Aufträge kommen von Herstellern von Bau- und Druckmaschinen, für die das Unternehmen Rotationsteile mit EHLA veredelt. Doch der 3D-Druck-Pionier will mehr. Oft gehe es um Korrosion- und Verschleißschutz. Doch muss ich dann unbedingt teures Hartmetall verwenden, kann ich nicht stattdessen eine hybride Lösung finden? Ich könnte auch einen Grundkörper aus Werkzeugstahl nehmen und ihn dann partiell mit EHLA mit hauchdünnem Verschleißschutz veredeln, so Hauck. Das ist einer der Gründe, warum toolcraft sich von Trumpf eine Maschine maßschneidern ließ, die gleich mehrere Lasertechniken beherrscht.

Nachbearbeitung funktioniert auch mit EHLA-Arbeitskopf

Auch bei EHLA steht oft Nachbearbeitung mit dem Ziel sehr geringer Rauheit an – etwa per Zerspanung, Rundschleifen oder Feinstdrehen. Beim Experimentieren stellten die 3D-Druck-Pioniere fest, dass es manchmal auch ausreicht, mit der EHLA-Düse nochmals über die Oberfläche zu fahren – allerdings mit abgestellter Metallpulverzufuhr. Das heißt: toolcraft beherrscht auch das noch junge und neue Gebiet des Laserumschmelzens zur Verbesserung der Oberflächengüte.

Was halten aber Mitarbeiter von dem ­neuen Laser-Tausendsassa? Jonathan Krauß, Verfahrenstechniker und Systemverantwortlicher für LMD, freut sich über die neuen Möglichkeiten der cleveren Kombination unterschiedlicher Materialien: Es entstünden völlig neue Lösungen, die sich konventionell nicht verwirklichen ließen. Krauß arbeitet beim Laserauftragschweißen eng zusammen mit LMD-Projektleiter Florian Schlund, den nicht nur die Reparaturmöglichkeiten, sondern vor allem die neuen hybriden Projekte faszinieren, etwa durch das Verschweißen von zwei unterschiedlichen Werkstoffen zu einem neuen Bauteil.

Die Steuerung ist mit einer Siemens NX-Softwareumgebung verknüpft, die das 3D-Scannen schadhafter Bauteile erlaubt und so die additive Reparatur ermöglicht (©Fraunhofer ILT, Aachen/R. Baumgarten)

 

Hybride Fertigung mit Roboter in Sicht?

Wer Hauck erlebt hat und kennt, der weiß: Der positive Unruhestifter denkt schon weiter: Im Augenblick ist das Verheiraten von Robotik und 3D-Druck im Gespräch. Daher sah er sich neulich zusammen mit seinem externen Berater Dr. Thomas Schopphoven am Fraunhofer ILT die Ergebnisse des BMBF-Forschungsprojekts ProLMD an: die Kombination von Laserauftragschweißen mit konventionellen Fertigungsverfahren und Robotern zu einer völlig neuen Form der hybrid-additiven Fertigung.Nikolaus Fecht

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