Flexibler Faserlaser für die schnelle Materialbearbeitung

Werkstoffe 08. 10. 2021
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Fraunhofer IWS erprobt neues Verfahren zur Strahlformung

Laserexperten aus Sachsen und Israel erproben derzeit gemeinsam am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden einen neuartigen Laser für den Industrieeinsatz. Das System basiert auf der für Hochleistungs­laser noch jungen Methode des Coherent Beam Combinings (CBC). Der 13-Kilowatt-Laser kann im laufenden Betrieb besonders schnell verschiedene Energieverteilungsmuster erzeugen und dadurch selbst anspruchsvolle Hightech-Mate­rialien sehr präzise und schnell bearbeiten. Die Fraunhofer-Forschenden wollen die innovative Lasertechnik aus Israel demnächst auch weltweit Unternehmen zur Verfügung stellen. Innerhalb eines europäischen Netzwerkprojekts untersucht das Fraunhofer IWS bereits mit dem Laserhersteller Civan Lasers und A. Kotliar Laser Welding Solutions die um ein Tausendfaches beschleunigte Strahlformung erstmals für das Additive Manufacturing.

Der Laser Dynamic Beam aus Jerusalem ist inzwischen im Fraunhofer IWS in Dresden installiert. Das Institut ist damit die weltweit erste Forschungseinrichtung, die eine solche Laserlösung im Einsatz hat. Gemeinsam mit dem Kooperationspartner Civan Lasers erhoffen sich die Forscher von der Erprobung in Sachsen nicht zuletzt neue Anwendungsszenarien. Dieser Laser wird nach Ansicht von Dr. Andreas Wetzig, Leiter des Technologiefeldes Trennen und Fügen am Fraunhofer IWS, die Grenzen der Materialbearbeitung, zum Beispiel in der Medizintechnik sowie in der Luft- und Raumfahrt, weiter hinausschieben. Er verweist dabei auf das sächsisch-­israelische Forschungssprojekt ShapeAM im Rahmen des europäischen Netzwerkprogramms M-era.Net, in dem dieser neue Laser eine zentrale Rolle spielen wird und das im Juli 2021 gestartet ist.

Tausendmal schneller

Im Einsatz ist dabei das Coherent Beam Combining, was sich mit Kohärente Strahlkombination übersetzen lässt. Denn der Dynamic Beam-Faserlaser vom israelischen Unternehmen Civan Advanced Technologies kombiniert Dutzende Einzelstrahlen zu ­einem leistungsstarken Laserstrahl mit hoher Qualität. Durch kleine Phasenverschiebungen (Optical Phased Array = OPA) der Wellentäler und -berge in den Teilstrahlen kann der Laser rasch ganz verschiedene Energieverteilungsmuster im resultierenden Bearbeitungslaserstrahl erzeugen: Während ein klassischer Laser die meiste Energie nur in der Strahlmitte freisetzt, kann das System aus Israel auf den Werkstücken beispielsweise ­Energiemuster in Form eines Rings, einer Acht oder ­eines Hufeisens erzeugen. Prinzipiell war dies zwar auch früher schon mit ­strahlablenkenden Optiken oder schnell schwingenden Spiegeln möglich. Doch selbst die schnellsten Schwingspiegel brauchen noch Millisekunden, um die Energiemuster im Strahl neu auszurichten. Der Dynamic Beam-Faserlaser schafft das dagegen Tausendmal schneller, binnen Mikrosekunden.

Diese Geschwindigkeit macht es erstmals möglich, die dynamische Strahlformung für die additive Fertigung von Metallen einzusetzen. Im Rahmen von ShapeAM testen die Forschenden das neue CIVAN-System, um verbesserte Werkstoffeigenschaften zu erzielen. Konkret geht es um die additive Fertigung von Titan- und Aluminiumlegierungen, wie sie für Raumfahrtbauteile, Implantate und Leichtbaukomponenten für die Mobilität gebraucht werden. Dabei wollen die Partner die dynamische Strahlformung einsetzen, um Defekte zu eliminieren und somit eine höhere Qualität der 3D-Druckergebnisse zu erzielen. Dr. Eyal Shekel, CEO von Civan, freut sich auf das Projekt: ShapeAM macht es uns möglich, die Vorteile des Dynamic-Beam-Shapings in der additiven Fertigung von Metallen zu explorieren. Dr. Elena Lopez, Abteilungsleiterin Additive Fertigung am Fraunhofer IWS, fügt hinzu: Wir planen, neuartige Strahlformen und Steuerungsfrequenzen zu verwenden, die mit anderen Methoden nicht erreichbar sind, um die Herausforderungen bei rissempfindlichen Materialien zu überwinden.

Aktuell erproben Forschende am Fraunhofer IWS den neuartigen israelischen Laser Dynamic Beam für den Industrieeinsatz (© René Jungnickel/Fraunhofer IWS Dresden)

 

Reger Austausch zwischen ­Dresden und Jerusalem

Aus dem gemeinsamen Projekt soll sich ein fruchtbarer wissenschaftlicher und personeller Austausch zwischen Israel und Sachsen entwickeln: Das Fraunhofer IWS wird die Testergebnisse nach Jerusalem weiterleiten. Auch ist angedacht, zeitweise Austauschwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen nach Israel zu entsenden. Umgekehrt werden die Civan-Experten voraussichtlich im Laserlabor in Dresden eigene Versuche durchführen. Die Tests am Dresdner Institut sollen die Möglichkeiten und Grenzen des Dynamic Beam-
Lasers ermitteln. Vorgesehen sind zunächst Basisversuche mit verschiedenen Strahlprofilen, Werkstoffen und Verfahren. Dann testen die Forschenden konkrete Anwendungen aus, beispielsweise, wie gut das System diverse Werkstücke aus sonst schwer bearbeitbaren Werkstoffen und Werkstoffverbün­den trennen, fügen oder additiv fertigen kann.

 

Dynamic Beam verdoppelt Arbeitstempo

Schon absehbar ist, dass sich mit dem neuen Laser die Schmelzbad-Dynamik bei vielen additiven und Fügeprozessen ­schneller und präziser steuern lässt – und dies nicht nur in der Fläche, sondern auch in der ­Tiefe. Auch beim Laserschneiden verspricht sich das Fraunhofer IWS Vorteile in Hinblick auf gratfreie Schnitte bei hoher ­Kantenqualität – bei doppeltem Arbeitstempo im Vergleich zu herkömmlichen Faserlasern. Ob der neue Laser diese Erwartungen auch in der ­Praxis erfüllt, wird sich in der ­Erprobungsphase in Dresden zeigen. Die Qualitäts- und Geschwindigkeitsvorteile, die sich bereits abzeichnen, machen die Technik jedenfalls für den Einsatz in der metallverarbeitenden Industrie, der Medizintechnik und Elektromobilität sowie in der Luft- und Raumfahrtindustrie hochinteressant.

Erste Erkenntnisse aus ihren Testreihen werden die Fraunhofer-Wissenschaftler vom 7. bis 9. Dezember 2021 einem breiteren Fachpublikum bei der kombinierten Online-Veranstaltung Laser Symposium/ISAM 2021 in Dresden vorstellen.

Kontakt:

Dr. Andreas Wetzig, Fraunhofer IWS, Leiter Technologiefeld Trennen und Fügen, E-Mail: andreas.wetzig@iws.fraunhofer.de

Text zum Titelbild: Der Laser Dynamic Beam aus Jerusalem ist inzwischen im Fraunhofer IWS in Dresden installiert. Das Institut ist damit die weltweit erste Forschungseinrichtung, die eine solche Laserlösung im Einsatz hat (© René Jungnickel/Fraunhofer IWS Dresden)

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