Wasserstofftechnologie: So halten Werkstoffe den Wechselwirkungen mit korrosiven Medien stand

Werkstoffe 06. 11. 2021
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Die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger stellt sehr hohe Anforderungen an die Sicherheitstechnik und Betriebsfestigkeit von Bauteilen, da bereits geringe Wasserstoffanteile mit Umgebungsluft zu einer Versprödung von Werkstoffen führen können. Damit steigen die Anforderungen an Werkstoffe und Bauteile, die korrosiven Umgebungsbedingungen, wie Wasserstoff, biogenen oder synthetischen Kraftstoffen, ausgesetzt sind. Mit Hilfe von individuellen und variablen Analysekonzepten werden am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF beispielsweise Untersuchungen unter Druckwasserstoff durchgeführt. Damit können relevante Schädigungsmechanismen identifiziert und Kennwerte zur Modellbildung und zur Ableitung von geeigneten Bemessungskonzepten für wasserstoff-beaufschlagte Bauteile ermittelt werden.

Auswirkungen von Korrosion

Korrosive Umgebungsmedien können zu einer starken Reduzierung der Schwingfestigkeit sowohl im Zeit- als auch im Langzeitfestigkeitsbereich führen. Zur Bewertung der Einflüsse von unterschiedlichen Werkstoff-
Medien-Paarungen stehen am Fraunhofer LBF individuelle und variable experimentelle Analysekonzepte zur Verfügung. Die Analyse umfasst die Ermittlung des quasi-statischen sowie zyklischen Werkstoffverhaltens unter konstanten und variablen Belastungsamplituden von Werkstoffproben sowie Bauteilen, auch unter realitätsnahen Umgebungsbedingungen. Anhand der Untersuchungen werden die jeweils wirksamen Schädigungsmechanismen und darüber hinaus auch das Werkstoffverhalten unter Medieneinfluss ermittelt, die anschließend in Konzepte zur Berücksichtigung von schwingfestigkeitsmindernden Umgebungsbedingungen einfließen.

Zur Bewertung einer möglichen wasserstoffbedingten Anfälligkeit unterschiedlicher Werkstoffe, ist es zwingend notwendig einsatzabhängig deren quasi-statisches und zyklisches Werkstoffverhalten beschreiben zu können. Nur hiermit kann ausgeschlossen werden, dass aufgrund von Unkenntnis ein frühzeiti­ges Versagen von Bauteilen und Systemkomponenten auftritt, was ­möglicherweise zu ­fatalen Folgen für den Nutzer führen könnte.

Untersuchungen unter Druckwasserstoff

Die Untersuchung des quasi-statischen und zyklischen Werkstoffverhaltens unter dem Medium Wasserstoff, erfolgt am ­Fraunhofer LBF seit mehreren Jahren mit speziellen Versuchseinrichtungen zur Durchführung von kraft- und dehnungsgeregelten Versuchen unter Druckwasserstoff mit Gasdrücken von 10 bar bis 50 bar. Mithilfe dieser individuellen Analyse- und Versuchskonzepte lassen sich nach Aussage von Dr. Christoph Bleicher, Leiter der Gruppe Qualifizierung gegossener Komponenten im Fraunhofer LBF, Werkstoffe und Bauteile für die Wasserstoffwirtschaft zuverlässig hinsichtlich ihrer Beanspruchbarkeit und Lebensdauer bewerten.

Werkstoffqualifizierung und ­Beanspruchbarkeitsanalyse am Beispiel Edelstahl

In einem DFG-Forschungsprojekt wurde der Einfluss von Druckwasserstoff auf das zyklische Werkstoffverhalten des Edelstahls 1.4521 (X2CrMoTi18-2) untersucht. Dazu wurden dehnungsgeregelte Versuche unter 50 bar Druckwasserstoffbeaufschlagung durchgeführt. Der Vergleich der Versuchs­ergebnisse in Form einer Dehnungswöhlerlinie bei Versuchsdurchführung unter Luft (schwarz), zeigt im Vergleich zu den Ergebnissen unter Druckwasserstoff (blau), dass der schwingfestigkeitsreduzierende Einfluss des Wasserstoffs insbesondere im Kurzzeitfestigkeitsbereich beziehungsweise bei großen Dehnungsamplituden εa,t, zum Tragen kommt. Der Vergleich der Lebensdauer für eine Totaldehnungsamplitude von εa,t = 0.8 % ergibt eine Reduktion der Anrissschwingspielzahl um den Faktor 20.

Die Auswertung der ermittelten Wechselverformungskurven verdeutlicht, dass das Versagen unter dem Medium Druckwasserstoff im Vergleich zum Versuch an Luft eher unvermittelt und ohne eine ausgeprägte Anrissphase auftritt. Ohne einen erkennbaren Einbruch der Spannung kommt es zum schlagartigen Versagen der Werkstoffprobe bei deutlich geringerer Lebensdauer. Diese Änderung der Materialeigenschaften, insbesondere die Erhöhung der Sprödigkeit, wird durch das Eindringen und die Einlagerung von Wasserstoff in dem Metallgitter verursacht, was als Wasserstoffversprödung bezeichnet wird.


Einfluss von Druckwasserstoff auf das zyklische Werkstoffverhalten des Werkstoffs 1.4521 (Quelle: DFG-Projekt ME 3301/4-1.)

Text zum Titelbild: Einrichtung für temperierte Ermüdungs- und Zugversuche unter Druckwasserstoff, Stickstoffatmosphäre und Umgebungsluft (Foto: Fraunhofer LBF/Raapke)

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