Zahlreiche Teilnehmer beim Mikrosystemtechnik-Kongress in Ludwigsburg vom 8. bis 10. November
Vom 8. bis 10. November fand in Ludwigsburg der diesjährige Mikrosystemtechnik-
Kongress statt als gemeinsame Veranstaltung des VDE, BMBF und des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Trotz der widrigen Umstände in der Pandemie kamen so viele Teilnehmende wie nie ins Zentrum der deutschen Mikrosystemtechnik, wie Prof. Dr. Armin Schnettler, Präsident des VDE, in seiner Begrüßung konstatierte. Die Durchführung wurde unter Beachtung der aktuell gültigen Corona-Eskalationsstufe des Landes Baden-Württemberg umgesetzt. microTEC Südwest beteiligte sich mit Mitgliedern über einen großen Gemeinschaftsstand. Darüber hinaus organisierte microTEC Südwest einen Workshop zu industriellen Apps für den Mittelstand (Projekt ScaleIT) im Vorfeld der Konferenz und beteiligte sich zum gleichen Thema mit einem Vortrag.
Starke Führungsposition Deutschlands und der Region
Die Mikrosystemtechnik erfährt eine neue Ära, so die einhellige Stimmung beim diesjährigen Kongress. Mehr denn je dient die Mikrosystemtechnik der Sicherung der deutschen und europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Dr. Stefan Mengel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sieht Deutschland und Europa hier auf Augenhöhe mit anderen globalen Regionen. Das neue Rahmenprogramm Mikroelektronik als bundesweites Forschungsprogramm stellt dabei Weichen hinsichtlich technologischer Souveränität sowie zuverlässiger und grüner Mikroelektronik. Als forschungs- und kapitalintensive Technologie gilt es, technologische Laien sowie Bundestagsabgeordnete vom Nutzen für Deutschland zu überzeugen.
Michael Kleiner, Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, unterstrich in seiner Ansprache wie wichtig es ist, das Ökosystem der Mikrosystemtechnik zu unterstützen. Verantwortung und Chance für Innovation, so sieht Kleiner die Rolle der Industrie im Kontext Klimaneutralität. Gleichzeitig wünscht er sich mehr Würdigung des Unternehmertums.
Die Begleitausstellung zum Kongress wurde durch microTEC Südwest-Mitglieder und -Partner dominiert. Der Gemeinschaftsstand von microTEC Südwest für Mitglieder und Partner ist bereits Tradition auf dem Mikrosystemtechnik-Kongress. In diesem Jahr zeichnete sich ein neuer Ausstellerrekord ab: Die acp systems AG, Endress+Hauser BioSense GmbH, Hahn-Schickard, die Hochschule Furtwangen, das Institut für Mikroelektronik Stuttgart (IMS CHIPS) und das Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) sowie die Polytec GmbH und die TrueDyne Sensors AG waren neben microTEC Südwest mit dabei und bildeten das Herzstück der Ausstellung. Erstmals konnten Aussteller ihre Organisationen in Kurzvorträgen präsentieren und so noch mehr Sichtbarkeit gewinnen. Weitere Mitglieder wie Heidelberg Instruments, das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) und Robert Bosch sowie Bosch Sensortec beteiligten sich mit eigenen Ständen an der Ausstellung.
microTEC Südwest präsentierte in der Ausstellung das BMBF-geförderte InnoVET-Projekt BM=x3, in dem eine überregionale Berufsbildungsakademie für den Hightechbereich konzipiert und erprobt wird. Weitere Ziele sind, die vorhandenen Kompetenzen, Inhalte und Infrastrukturen zu bündeln sowie neue Lerninhalte, -orte und Kooperationen zu erschließen. Roland Dörr, Kooperationsmanager bei microTEC Südwest, referierte in der Session Wirtschaft und Nachhaltigkeit mit einem Vortrag zu ScaleIT – Skalierbarer Zugang zu industriellen Apps für den produzierenden Mittelstand.
microTEC Südwest präsentierte auf dem MST-Kongress das InnoVET-Projektes BM=x3 (Bild: microTEC Südwest)
Mikrosystemtechnik – Enabler für Corona-Schnelltests
Gleichzeitig zeigte sich gerade in Zeiten der Pandemie, wie Mikrosystemtechnik wichtige Beiträge leistet. In der Session Pandemie, moderiert von microTEC Südwest-Vorstandsmitglied Dr. Ludger Bodenbach, Roche Diagnostics, wurde der Bogen von den Herausforderungen bei der Implementierung von geeigneten Analysesystemen über die Erfahrungen eines Start-ups (Spindiag) im Vergleich zum Großunternehmen am Beispiel Roche Diagnostics gespannt und diskutiert. Das Start-up Spindiag entschied Anfang 2020, alle Ressourcen in die Entwicklung eines Schnelltests für SARS-CoV-2 zu stecken und den eigentlichen Fokus, Schnelltests für multiresistente Keime, zurückzustellen, wie der Geschäftsführer Dr. Daniel Mark berichtete. In wenigen Monaten gelang es, wie auch anderen Anbietern von Testsystemen am Point-of-Care, ein Produkt zu verkaufen. Als sehr vorteilhaft, auch für zukünftige Herausforderungen, beschrieb Nico Michel von Roche Diagnostics, die auch ein neues System an den Markt brachten, das aufgebaute Netzwerk und den guten Dialog mit der Politik.
Quanten-Marathon bedarf der Mikrosystemtechnik
Unter Moderation von Prof Jens Anders, Uni Stuttgart, diskutierten im Rahmen einer Podiumsdiskussion Experten und Expertinnen die Zukunft von Quantentechnologien. Dabei sind Quantensensoren die am weitesten entwickelten Quantentechnologien und kommen bereits in verschiedenen Anwendungen, wie zum Beispiel bei der hochpräzisen Messung von magnetischen und elektrischen Feldern zum Einsatz. Dr. Michael Förtsch, Geschäftsführer der Q.ANT GmbH, verglich die Entwicklung von Quantentechnologien mit einem Marathon, der gerade erst begonnen hat. Er schätzt, dass es bis zur vollständigen Potentialausschöpfung der Quantentechnologien noch 100 Jahre dauern wird. Das zentrale Ergebnis der Podiumsdiskussion war die Feststellung, dass Quantentechnologien nur in Kombination mit ausgereifter Mikrosystemtechnik funktionieren können. microTEC Südwest als Fachverband für Mikrosystemtechnik wird daher in Kooperation mit ausgewählten Experten und Expertinnen in Zukunft Veranstaltungen durchführen, welche die Wechselwirkung zwischen Quantentechnologien und Mikrosystemtechnik beleuchten und einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Quantentechnologien leisten.
Dr. Ludger Bodenbach von Roche Diagnostics und Vorstandsmitglied von microTEC Südwest moderierte eine Gesprächsrunde zu Corona-Schnelltests (Bild: microTEC Südwest)
Fachkräfte gesucht
Entscheidend für den weiteren Ausbau der Mikrosystemtechnik und das kontinuierliche Wachstum der florierenden Unternehmen sind Fachkräfte. So sprach Prof. Dr. Armin Schnettler als Präsident des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) von It’s all about people. Nahezu nach jedem Vortrag wurde betont, dass Fachkräfte gesucht werden. Alleine Carl Zeiss hat derzeit 700 offene Stellen. So wurde im Kongress vor allem auch der Nachwuchs gefeiert: Im Schüler- und Schülerinnen-Wettbewerb Invent a chip, im Studierendenwettbewerb Cosima sowie in der Bosch Sensortec IoT Challenge wurden die Besten der Besten ausgezeichnet und eingeladen, sich näher über die Einstiegsmöglichkeiten in der Industrie, aber auch in der Forschung zu informieren. So fügte sich auch die Präsentation des InnoVET-Projekts BM=x3 auf dem Gemeinschaftsstand von microTEC Südwest nahtlos ein. Ziel des Projekts ist es, mit innovativen Konzepten für die berufliche Bildung im Hightechbereich aktuellen wie künftigen Herausforderungen infolge von Digitalisierung, Globalisierung und demographischer Entwicklung und den damit verbundenen Veränderungen am Arbeitsmarkt gerecht zu werden.
Industrielles Internet-der-Dinge: Landesprojekt ScaleIT Baden-Württemberg schafft Sichtbarkeit
Zum Ende der Projektlaufzeit von ScaleIT, gefördert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, hatte microTEC Südwest vor Beginn des Kongresses in Ludwigsburg ein Abschlusstreffen organisiert. Dabei resümierten die aktiven ScaleIT-Technologen, die Firmen Ondics sowie die ScaleIT-Genossenschaft SCALE it e. G, über das Erreichte. Die Genossenschaft ist seit der Gründung 2020 von zehn auf 18 Mitglieder angewachsen. Die Präsentation von Lösungen im Rahmen des Schauplatzes am digiZ in Aalen nimmt nach den Worten von Heide Keefer, Geschäftsstellenleiterin von SCALE it e. G, Gestalt an. Anfang 2022 soll die überarbeitete Homepage mit App-Store, Informationen zur Technologie und der Beschreibung von Themenwelten veröffentlicht werden. Ondics entwickelt seit 2019 unter anderem Kundenlösungen basierend auf der ScaleIT-Technologie. Sobald die Hürde genommen ist, die Technologie ins Kundennetzwerk zu integrieren, könnten erste einfache Lösungen implementiert werden.
Wie auch beim letzten Treffen stellten Interessenten ihre Digitalisierungswünsche mittels kurzen Vorträgen (Pitches) im Rahmen des von microTEC Südwest entwickelten Lösungsforums vor. Dieses Mal wurden mögliche Anwendungsszenarien von CorTec aus Freiburg und HPM Technologie aus Dettingen an der Erms intensiv mit den Fachleuten diskutiert. Konkrete nächste Schritte werden bilateral zwischen Technologieanbietern und -anwendern vereinbart. Dabei wird microTEC Südwest die potenziellen Partner mit zum Beispiel der Identifikation von passenden Förderprogrammen begleiten und unterstützen und somit aktiv an der Realisierung einer ScaleIT-Implementierung partizipieren. Roland Dörr berichtete, dass zwei der beim letzten Mal präsentierten Gesuche in verbindliche Absprachen und Angebote mündeten.
Roland Dörr, Kooperationsmanager bei microTEC Südwest, präsentierte das vom Land Baden-Württemberg geförderte Projekt ScaleIT BW (Bildquelle: microTEC Südwest)
In der Diskussion wurde das Potential der ScaleIT-Technologie hervorgehoben. Aus Sicht der Teilnehmenden gibt es noch sehr viel zu tun, um Industrie 4.0 in den Mittelstand zu bringen. Die bisherige Praxis, Studierende für die Entwicklung von Lösungen einzubinden, führt zu interessanten Lösungen, aber leider in der Regel nicht zu neuen Implementierungen auf dem Hallenboden. Als ein zukünftiges Anwendungsfeld der ScaleIT-Technologie wurde das Handwerk identifiziert. In diesem Bereich wird noch relativ wenig auf Digitalisierung gesetzt, obwohl das Handwerk von Industrie 4.0 stark profitieren könnte. Das einhellige Fazit war, dass Matchmakings wie im Rahmen des Workshops ein gutes Instrument sind, hier weitere Schritte zur Unterstützung des Mittelstands zu gehen.