microTEC Südwest ist ein Fachverband für Mikrosystemtechnik mit Mitgliedern aus Industrie, Wissenschaft und Dienstleistung. Die Einrichtung versteht sich zwar als regionales Netzwerk in Baden-Württemberg, ist aber durchaus offen für überregionale und internationale Mitglieder, die die Ziele des Netzwerks teilen. In verschiedenen Fachgruppen bündelt microTEC Südwest seine Kompetenzen, um gemeinsam Innovationen auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik hervorzubringen. Die Mitglieder des Fachverbands haben exklusiven Zugang zu den technologie- und anwendungsorientierten Fachgruppen und somit zu einem einzigartigen Expertenkreis, vom Start-up bis zum Großunternehmen, von der Wissenschaft bis zur Industrie.
In den Fachgruppen tauschen sich die Mitglieder themenspezifisch und zielorientiert aus. Dazu treffen sich Experten aus Industrie und Wissenschaft im Abstand von drei bis vier Monaten bei einem Fachgruppenmitglied vor Ort – soweit dies pandemiebedingt möglich ist. Neben Vorträgen zu ausgewählten Themen finden ein intensiver Informationsaustausch und eine Besichtigung der Arbeitsbereiche des jeweiligen Gastgebers statt.
In der Fachgruppe Oberflächen stehen Messmethoden für unterschiedliche Messaufgaben an Oberflächen im Vordergrund – mit einem Fokus auf Mikrosystemtechnik. Die hier betrachteten Verfahren und Geräte für Messtechnik von Oberflächen erfassen beispielsweise Themen wie Schichthaftung, Schichtdicke, chemische Zusammensetzung oder Oberflächentopografien. Aktuell fungieren Prof. Dr. Volker Bucher, Hochschule Furtwangen, und Dr. Günther Schmauz von der acp systems AG, als Sprecher der Fachgruppe.
Zur Online-Sitzung am 17. März konnten Prof. Dr. Volker Bucher und Dr. Christine Neuy von microTEC mehr als 30 Teilnehmende begrüßen. Die Fachgruppensitzung befasste sich in dieser Sitzung mit Verfahren zur Charakterisierung von Oberflächen.
Oberflächencharakterisierung von MEMS
Den Auftakt machte Dr. Christine Ruffert mit einer Vorstellung ihrer Arbeiten auf dem Gebiet der Oberflächencharakterisierung von MEMS am Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS. Für die Vorstellung ihres Instituts nutzte sie unter anderem die Möglichkeit eines virtuelles Laborrundgangs. Im Rahmen der Arbeiten mit MEMS spielen natürlich optische beziehungsweise photonische Technologien eine wichtige Rolle, die im Falle des Instituts in Cottbus für die Entwicklung von elektronischen Systemen auf Basis von Silizium essentiell sind. Zu den am Institut entwickelten Systemen zählen beispielweise Mikrofluidsysteme, RF-Komponenten, optoelektronische Bauteile, Ultraschallsensoren oder MEMS-Lautsprecher.
Der virtuelle Laborrundgang (siehe QR-Code unten) erlaubte Einblicke in die entwickelten Systeme und Bauteile, aber auch zu den eingesetzten Messsystemen, wie zum Beispiel eines digitalen holografischen Mikroskops (DHM) oder Mikrorobotern (MiBots).
Mittels DHM lassen sich dynamische, dreidimensionale Bilder von Oberflächen erstellen, auch bei sehr hohen Schwingfrequenzen. MEMS-Lautsprecher werden beispielsweise dadurch hergestellt, dass Siliziumsegmente freigelegt werden, die so angeordnet sind, dass sie in Schwingung versetzt werden können. Auf ähnliche Weise werden Mikropositionierplattformen erzeugt, mit denen sehr kleine Bewegungen mit hoher Präzision ausgeführt werden können. Eine weitere der vorgestellten Bauteilgruppe sind Mikrospiegel mit Segmenten im Bereich zwischen einigen Nano- bis wenigen Mikrometern.
Elektrodenspalt einer Mikrolautsprecherstruktur, aufgenommen mittels REM/EDX; Spacermaterial Aluminiumoxid (Bild: Michael Stolz, IPMS, Ch. Ruffert)
Schichten charakterisieren und modifizieren
Dr. Manuel Schmitz-Elbers gab einen Überblick über seine Arbeiten am Fraunhofer-
Institut für Werkstoffmechanik IWM zur Charakterisierung und Modifizierung von Oberflächen und Schichten. Dazu zählt das Verstehen und Verbessern von Werkstoffen sowie deren Verhalten in Prozessen und Bauteilen. Vor einiger Zeit hinzugekommen ist auch die Erstellung von digitalen Zwillingen.
Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld ist die Tribologie zur Bewertung von funktionalen Schichtsystemen, wobei in großem Umfang Hartstoffschichten oder auch Schichten mit MAX-Phasen untersucht werden, aber auch DLS-Schichten, hergestellt mittels PACVD/PECVD. DLC-Schichten zeichnen sich durch ein großes Fenster an Schichteigenschaften aus, innerhalb dessen diese ausgewählt werden können. DLC-Schichten werden hierbei nicht nur auf Metalle oder Keramiken aufgebracht, sondern auch auf Kunststoffe.
Ein neues Projekt befasst sich mit der Herstellung von Sensoren zum Einsatz in Umformvorgängen, mit denen Temperaturmessung in-situ vorgenommen werden, durch die wiederum eine Charakterisierung der Umformtribologie möglich ist. Für den Einsatz von Wasserstoff wird im Institut untersucht, wie Bauteile aufgebaut werden müssen, um die Diffusion von Wasserstoff beurteilen zu können. Durch spezielle Bohrsysteme lassen sich die Eigenspannungen in einem Werkstoff beziehungsweise einer Werkstoffoberfläche ermitteln. Eigenspannungsmessungen wurden zudem an elektrolytisch aufgebrachten Metallschichten untersucht und charakterisiert.
Des weiteren werden Fretting-Erscheinungen untersucht: Durch Relativbewegungen werden die Schädigungen an der Oberfläche durch Verschleißbildung nachgestellt und vermessen. Zu den Vorteilen des Systems zählt unter anderem die Nachstellbarkeit von verschiedenen Reibbedingungen.
Im Geschäftsfeld Bauteilsicherheit und Leichtbau des Fraunhofer IWM werden unter anderem Mikroproben untersucht. Zum Einsatz kommen hierbei verschiedene Fertigungsverfahren (Laserschneiden, Mikrodrahterosion, Stanzen, Fräsen) und Bearbeitungsverfahren (Schleifen, Polieren). Die hergestellten Proben werden klassischen mechanischen Untersuchungen (Zug, Biegung) unterzogen, wobei eine hohe Flexibilität der Versuchsaufbauten gegeben ist. Der anwendbare Temperaturbereich reicht von Raumtemperatur bis etwa 1100 °C. Hohe Lastzyklen an Werkstoffen werden durch einen speziellen Versuchsaufbau mit Biegeresonanz durchgeführt, mit dem sowohl Biegung als auch Torsion erzeugt werden kann. Derartige Versuche werden auch mit einer DLC-Beschichtung durchgeführt und so der Einfluss der Beschichtung erfasst. Außerdem befasst sich die Arbeitsgruppe des Vortragenden mit programmierbaren adaptiven Oberflächenstrukturen, zum Beispiel zur gezielt einstellbaren Benetzbarkeit.
Zerstörungsfreie Untersuchung von Schichtsystemen
Nabil Bendahhane befasst sich mit zerstörungsfreien Untersuchungsmethoden von Schichtsystemen und transparenten Werkstoffen. Transparente Beschichtungen spielen unter anderem für elektronische Komponenten als Schutz eine Rolle. Für diese Anwendungen müssen die Beschichtungen eine einheitliche Farbe und Transparenz aufweisen, aber auch eine gute Haftung sowie Freiheit von Blasen oder Rissen. In modernen Messsystemen wird gefordert, dass die Mes-sung durch geeignete automatisierte Verfahren, also mit Hilfe geeigneter Algorithmen, ausgeführt werden. Neue Entwicklungen der Messverfahren (Lift Technology, LIFT) haben dazu geführt, dass die Messungen zerstörungsfrei und in wesentlich kürzeren Zeiten ausgeführt werden können. Die neuen Messungen können zudem während der Fertigung, sowohl inline als auch offline durchgeführt werden.
Untersuchung an elektronischen Komponenten mittels LIFT-Technologie (Bild: N. Bendahhane)
Bei LIFT kommt als Basis die Laserinterferometrie zum Einsatz. Das aufgebaute Messsystem zeichnet sich durch eine einfache und schnell einsetzbare Bedienung aus. Im Vergleich zu bisher üblichen Messverfahren zeichnet sich LIFT durch eine hohe Messgeschwindigkeit aus sowie die Möglichkeit, auch komplexe Strukturen exakt vermessen zu können. Sinnvoll ist es hierbei, sich im Vorfeld darüber klar zu werden, welche Informationen aus der Fülle der Daten benötigt werden. Interessant ist die Tatsache, dass auch unterschiedliche transparente Schichten voneinander getrennt werden können, solange sie verschiedene Brechungsindexe aufweisen.