Innovative Galvanotechnik

Karriere 10. 04. 2022
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Die Gewerbliche Schule Schwäbisch Gmünd ist eines der Zentren für die duale Ausbildung von Oberflächentechnik mit Schwerpunkt Galvanotechnik in Deutschland sowohl für die Grundausbildung als auch für die Weiterbildung zum Techniker und schafft für die Schüler und Schülerinnen enge Kontakte zur Praxis.

Alles hat eine Oberfläche, und diese bestimmt die Eigenschaften eines Gegenstands: Oberflächentechnik, insbesondere die Galvanotechnik, ist deshalb eine Schlüsseltechnologie bei der Herstellung von zahlreichen Produkten, von der Schraube über den Wasserhahn bis zum Smartphone. Soll dabei auch die Qualität stimmen, sind qualifizierte Fachleute gefragt: Oberflächenbeschichter/-innen, früher auch Galvaniseure/-innen genannt.

Als Partnerin der in Deutschland bewährten dualen Ausbildung in Betrieb und Schule, die international einen ausgezeichneten Ruf genießt, unterrichtet die Gewerbliche Schule Schwäbisch Gmünd in der Berufsschule für Oberflächenbeschichter/-innen Auszubildende aus ganz Deutschland. Dieser Schulstandort bietet eine Reihe von Möglichkeiten, insbesondere, was die schulischen Werkstätten und Labore anbetrifft. Dazu gehört auch ein neu errichtetes Wohnheim für Schülerinnen und Schüler im Blockunterricht. Erfolgreiche Oberflächenbeschichter/-innen können sich an der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd auch zum staatlich geprüften Galva­notechniker/-innen oder Leiterplattentechniker/-innen weiterbilden.

Darüber hinaus ist es an der Fachschule für Galvanotechnik Schwäbisch Gmünd schon lange Tradition, Referenten aus der Industrie einzuladen, um die Schülerinnen und Schüler über neueste Trends und Entwicklungen in der Branche zu informieren; im Folgenden seien einige Beispiele genannt.

Die Zukunft gehört der ­Hochtechnologie – Hightech-Leiterplatten

Einzig der Entwicklungsvorsprung entscheidet darüber, ob ein Produkt am kostenintensiven Standort Deutschland lukrativ gefertigt werden kann, so die Erfahrung der Referenten Florian Bielmeier und Franz Stöger. Die beiden Referenten schilderten Ende Oktober 2021 in ihren Ausführungen den Auszubildenden das Erfolgsrezept der Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG in Teisnach im Baye­rischen Wald.

Florian Bielmeier und Franz Stöger informierten die Schüler über die Hochtechnologie in der Leiterplattentechnik

 

Was Hochtechnologie bedeutet, lässt sich am Beispiel der Smartphones deutlich machen: Auf kleinstem Raum ist hier eine Leistungsdichte zu finden, die vor wenigen Jahren kein PC erreicht hätte. Die Basis dieser extrem mini­aturisierten elektronischen Schaltungen ist die Leiterplatte, deren Herstellung unter anderem eine ganze Reihe von galvanotechnischen Verfahrensschritten erfordert. Ein Smartphone ist heute für nahezu jeden erschwinglich. Der Grund: Die Produktion erfolgt in den deutlich kostengünstigeren Ländern Asiens. Doch die Prüftechnik für diese Smartphones stammt aus Deutschland von Rohde & Schwarz, einschließlich der hierzu benötigten Hightech-Leiterplatten.

Wie Leiterplatten auf dem gegenwärtigen Stand der Technik aussehen und wie sie gefertigt werden, das war ein Teil des Vortrags von Florian Bielmeier und Franz Stöger, beide Absolventen der Fachschule für Galvanotechnik in Schwäbisch Gmünd und heute in führender Stellung bei Rohde & Schwarz tätig.

Darüber hinaus wurden den Schülern wichtige geforderte Schlüsselqualifikation vorgestellt. Damit der technologische Vorsprung gesichert werden kann, sind neben den notwendigen fachlichen Kompetenzen vor allem kommunikative und planerische Fähigkeiten in der Zusammenarbeit mit anderen technischen Disziplinen sowie Managementquali­täten erforderlich.

Die Fachschule für Leiterplattentechnik Schwäbisch Gmünd ist europaweit die einzige, die auch eine breite Ausbildung in Theorie und Praxis der Leiterplattenfertigung vermittelt.

Filtern will gelernt sein

Jan Bohncke, Gründer der Firma Bohncke GmbH aus Hünstetten-Wallbach, ließ die Schüler der Fachschule für Galvanotechnik in seinem Vortrag über das Filtern galvanischer Elektrolyte am 10. November 2021 an seiner jahrzehntelangen Erfahrung teilhaben. Die Bohncke GmbH konstruiert und baut seit über 30 Jahren Pumpen, Filtergeräte und Filtermittel für die galvanotechnische Industrie und berät bei deren Einsatz.

Jan Bohncke ließ die Schüler der Fachschule für Galvanotechnik an seiner jahrzehntelangen Erfahrung teilhaben

 

Schmutzpartikel in galvanischen Bädern führen zu fehlerhaften Überzügen, also zu Ausschuss. Es ist daher ein kontinuierliches Filtern der Elektrolyte erforderlich. Was man dabei falsch und wie man es richtig machen kann und dabei noch Geld spart, dies stellte Jan Bohncke dar. Er informierte über unterschiedliche Filterverfahren und -medien, ebenso wie über die zugehörige Pumpentechnik und Fragen der Verrohrung. Dass zunächst billiger erscheinende Filtermethoden auf die Dauer kostenintensiver und obendrein schlechter sein können, zeigte eine einfache Beispielrechnung zu unterschiedlichen Filterkerzen. Außerdem ist eine Filtertechnik nur dann gut, wenn sie auch bedienerfreundlich ist: Dann wird sie auch konsequent eingesetzt.

Was Reinheit in der Galvanotechnik bedeuten kann, zeigt das Beispiel der CD-Produktion. Die Prägewerkzeuge für deren Produktion werden galvanisch geformt. Die Datenspuren auf der CD haben einen Abstand von 1,6 µm (1,6 Millionstel Meter) zueinander, während lungengängige Feinstaubpartikel Durchmesser von bis zu 2,5 µm haben können. Das sind die Herausforderungen, denen sich die moderne Filtertechnik für galvanische Elektrolyte heute stellt.

Energie der Zukunft

Woher wir in Zukunft unsere Energie beziehen und welche Rolle die Galvanotechnik dabei spielt, darüber referierten Dipl.-Ing. (FH) Stefan Funk und Dr. Martin Opitz, beide vom Forschungsinstitut Edelmetalle + Metall­chemie fem in Schwäbisch Gmünd am 19. Januar 2022.

Das Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie fem in Schwäbisch Gmünd beschäftigt sich mit der Neuentwicklung und Optimierung von Werkstoffen, Schichtsystemen und Prozessen im Auftrag der Wirtschaft und für die anwendungsorientierte Grundlagenforschung im Rahmen öffentlich geförderter Projekte. Die Aufgaben des Instituts umfassen Dienstleistungen, Gutachten und Beratung, von der unabhängigen Schadensanalyse bis zur prozessbegleitenden Betreuung. Am fem werden dabei sämtliche Fragestellungen der Material- und Oberflächentechnik bearbeitet.

Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft. In vielen Prozessen der Oberflächentechnik fällt Wasserstoff gewissermaßen als Abfall an. Hierzu gehört die Oberflächenbehandlung von Leichtmetallen, die als Werkstoffe selbst schon zur Energieeinsparung im Transportbereich eingesetzt werden. Eine der Oberflächenbehandlungen ist zum Beispiel das Anodisieren von Aluminium. Stefan Funk, stellvertretender Abteilungsleiter des Bereichs Leichtmetall-Oberflächentechnik am fem, stellte den Schülern unter anderem den aktuellen Stand der Anodisationstechnik vor, zu dem auch die Möglichkeit der Rückgewinnung von Wasserstoff, zum Beispiel zur Beheizung von Prozessbädern, gehört.

Der Frage, was nach dem Lithiumionen-Akku kommt, ging Dr. Martin Opitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Elektrochemie, Galvanotechnik, Energietechnik am fem, nach. Er berichtete über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Batterietechnik und die daraus entstehenden neuen Aufgaben für die Galvanotechnik.

Prozessanalytik in der Galvanotechnik

Warum Prozessanalytik eine bedeutende Rolle in der Galvanotechnik spielt, ­schilderte Tanja Bosch von der Firma Deutsche Metrohm Prozessanalytik GmbH & Co. KG, Filderstadt, den Schülern der Fachschule für Galvanotechnik am 26. Januar 2022.

Tanja Bosch erläutert den Schülern der Fachschule für Galvanotechnik die Rolle der Prozessanalytik in der Galvanotechnik

 

Wer heute für die großen Abnehmerindustrien, wie etwa die Automobilindustrie, produziert, muss sich den Herausforderungen stellen, die sich durch Qualitätsanforderungen, Kostendruck und Qualitätssicherung ergeben. Für die Galvanik heißt dies: Wer mit gleichbleibend hoher Qualität produzieren will, muss dabei die Konzentrationen seiner Prozessbäder kontinuierlich kennen und steuern können. Soll gleichzeitig kostengerecht produziert werden, müssen Einsparpotenziale hinsichtlich von Produktionszeiten, Rohstoff- und Abfallmengen sowie Personaleinsatz genützt werden. Eine lückenlose Dokumentation der Qualitätssicherung ist dabei selbstverständlich.

Hier kommt die Prozessanalytik ins Spiel: Im Gegensatz zum klassischen Verfahren von Probennahmen vor Ort und Analyse im Labor erfolgen die Analysen automatisiert, zeitnah und kontinuierlich direkt in den Prozessbädern. Anwender erhalten damit viel mehr Informationen, die unmittelbar zur Regelung der Prozesse und zur Dokumentation verwendet werden können. Zugleich wird damit den Anforderungen der Digitalisierung, Stichwort Industrie 4.0, entsprochen. Für die Bestimmung der Badkonzentrationen steht hierbei eine Vielzahl von automatisierten Analysenverfahren – von der Titration über die Potentiometrie und Photometrie bis zu verschiedenen spektroskopischen Messverfahren – zur Verfügung.

Dieses Konzept der Prozessanalytik und die zugehörigen Analyseverfahren stellte Tanja Bosch, Schulungsleitung der Deutsche Metrohm Prozessanalytik GmbH & Co. KG vor. Verschiedene Analysatoren konnten die Fachschüler selbst ausprobieren. Überzeugen konnten sie sich auch vom unkomplizierten Aufbau einzelner Komponenten, die auseinander- und wieder zusammengebaut werden konnten.

Sicher, schonend, schnell und energiesparend trocknen

Reinhold Specht, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Harter GmbH aus Stiefenhofen im Allgäu, stellte den Schülern der Fachschule für Galvanotechnik in seinem Vortrag am 9. Februar 2022 die Trocknungstechnik des Unternehmens vor.

Reinhold Specht informierte die Schüler über die Harter-Trocknungstechnik

 

Versiegelungen von Korrosionsschutzschichten wollen schonend getrocknet sein, Zifferblätter sollen fleckenfrei glänzen und entwässerter Metallschlamm verbraucht nicht unnötig Energie zum Transport: Dies alles sind Trocknungsaufgaben, die in der Galvano- und Oberflächentechnik gelöst werden müssen. Die Trocknungstechnik der Harter GmbH nutzt dabei die Kondensation nicht nur zur Entfeuchtung, sondern gewinnt dadurch zugleich die für die Trocknung benötigte Energie. Ähnlich wird dieses Prinzip auch für die bekannten Wärmepumpen-Wäschetrockner eingesetzt. Interessant für die Galvanik: Hier lassen sich bis zu 75 Prozent an elektrischer Energie einsparen. Dieses Trocknungsverfahren ist damit nicht nur ökologisch, sondern auch rentabel.

Interessiert an der Oberflächentechnik?

Für alle am Berufsbild Oberflächenbeschichter/-in Interessierte, bieten der Zentralverband Oberflächentechnik e. V. (ZVO) und die Bundesagentur für Arbeit nähere Informationen zur Berufsausbildung. Ein im März 2022 vom ZVO präsentiertes Video zeigt kurz und anschaulich den Alltag zweier Auszubildender, gewährt Einblicke in Tätigkeiten, Arbeitsstätten, Produkte sowie die Branche und die Perspektiven in der Galvano- und Oberflächentechnik (www.oberflaechenbeschichter.org).

Die Berufsschule für Oberflächenbeschichter/-innen der Gewerblichen Schule Schwäbisch Gmünd ist ein dualer Partner bei der Berufsausbildung in Industrie- und Handwerksbetrieben in ganz Deutschland. Und an der Fachschule für Galvanotechnikbeziehungsweise der Fachschule für Leiterplattentechnik ist nach einschlägiger Berufs­erfahrung eine Fortbildung (zweijährige Vollzeitausbildung) zum/zur staatlich geprüften Techniker/in, Fachrichtung Galvanotechnik beziehungsweise Leiterplattentechnik, möglich.  V. Rogoll

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