Molecular Plasma – Eine Innovation für nachhaltige ­Oberflächenfunktionalisierung

Werkstoffe 07. 08. 2022

Von Kevin Braun, Foetz/Luxemburg

Mit einer neuartigen Anlagentechnologie gelingt es unter Einsatz von Plasmatechnik, unterschiedliche Arten von Stoffen so zu modifizieren, dass diese mit beliebigen anderen Stoffen verbunden werden können. Dadurch wird das Eigenschaftsprofil von Stoffen nach Belieben angepasst. Das eingesetzte Plasma kann so gesteuert werden, dass auch sensible Stoffe den Prozess unbeschadet überstehen. Die Anlagentechnik eignet sich zur Behandlung von kleinen Partikeln oder Pulver ebenso wie für großflächige Objekte.

Die Funktionalisierung von Oberflächen stellt die Industrie immer wieder vor Herausforderungen. Übliche Methoden stoßen schnell an ihre Grenzen, besonders wenn es um die Vorbehandlung von sehr inerten oder gleichzeitig auch sehr sensiblen Materialien geht. Das luxemburgische Unternehmen Molecular Plasma Group (MPG) bietet mit seiner innovativen Plasmatechnologie zur Oberflächenfunktionalisierung kundenspezifische Lösungen für genau diese komplexen Anwendungen an. Dabei geht MPG nicht nur deutlich über die Möglichkeiten von klassischen Vorbehandlungen hinaus, sondern bietet ebenso einen umweltfreundlichen und sehr flexibel einsetzbaren Prozess.

Prozessmöglichkeiten durch spezielle Plasmen

Anders als bei üblichen atmosphärischen Plasmatechnologien, bei denen eine Oberflächenaktivierung oder -reinigung im Vordergrund steht, werden bei dem einstufigen, trockenen und lösungsmittelfreien Prozess von MPG organische Stoffe mithilfe von kaltem atmosphärischem Plasma kovalent an jegliche Substrate gebunden. Dadurch entsteht eine permanente Nanobeschichtung, die der Oberfläche eine klar definierte Funktion ­verleiht.

Die Besonderheit der Technologie liegt vor allem auch in der großen Bandbreite an Chemikalien, die zur Beschichtung der Substrate zur Verfügung steht. Abgesehen von der einzigen prozessbedingten Anforderung, dass die Stoffe in flüssiger Form zur Verfügung stehen müssen, kann die gesamte Palette an organischer Chemie herangezogen werden. Damit können die verschiedensten Funktionen erzeugt und kundenspezifische Lösungen entwickelt werden, wobei stets eine auf das zu betrachtende System abgestimmte Auswahl der Chemie erfolgt.

Die so erzeugten Funktionen reichen beispielsweise von bioaktiven Oberflächen mit viruziden, bioziden, anti-biofouling oder anti­mikrobiellen Eigenschaften über Korrosionsschutz oder gezielter Filtration bis hin zu hydrophoben, hydrophilen und Trennbeschichtungen oder das Abscheiden von komplexen Biomolekülen. Darüber hinaus können erhebliche Fortschritte im Bereich der Haftungsverbesserung erzielt werden. So geht die MolecularGRIP™-Technologie nicht nur deutlich über die Möglichkeiten einer klassischen Plasmavorbehandlung hinaus, sondern kann, bei oft sogar besseren Ergebnissen, auch lösungsmittelbasierte Haftvermittler durch einen umweltfreundlichen Prozess ­ersetzen.

Wird am Beispiel der Haftungsverbesserung der Fokus auf die Flexibilität bei der Gestaltung von Produktionsprozessen gelegt, wird ein weiterer Vorteil der Technologie deutlich. Sowohl die Verwendung von nass-chemischen Haftvermittlern, mit ihren umwelt- und gesundheitsschädlichen Eigenschaften als auch der Einsatz von Plasmatechnologien zur Oberflächenaktivierung (z. B. Corona-Vorbehandlung) schränken das Prozessfenster einer Serienproduktion stark ein. Müssen nass-chemische Haftvermittler nach dem Auftrag zunächst aufwändig getrocknet werden, so erfordern beide Methoden eine zügige Weiterverarbeitung des Bauteils, da sonst die Funktionalisierung der Oberfläche ihre Wirkung verliert. Bei der MolecularGRIP™-Technologie erfolgt hingegen eine sofortige sowie beständige Modifizierung der Oberfläche, sodass die Substrate entweder direkt oder nach beliebiger Zeit (Wochen/Monate/Jahr) weiterverarbeitet werden können. Eine Einschränkung des Bearbeitungszeitraums nach der Vorbehandlung besteht damit nicht.

Ein weiterer Unterschied zu den klassischen Plasmatechnologien ist das Energie- beziehungsweise Temperaturniveau des Prozesses. Sind für die reine Oberflächenaktivierung durch eine Corona-Vorbehandlung hohe Energien notwendig, wird bei diesem Prozess gerade nur so viel Energie zugeführt, dass ein sehr sanftes Plasma erzeugt wird. Das Plasma dient nun lediglich als Vektor, um Moleküle zu radikalisieren, das heißt Molekülbindungen zu öffnen, sodass anschließend eine kovalente Bindung zwischen den Molekülen des Substrats und des zu beschichtenden Stoffs generiert werden kann (Abb. 1). Nicht zuletzt ist es dieses niedrige Energie- und damit Temperaturniveau, das es dem Prozess im Gegensatz zu anderen ­Technologien ermöglicht, auch sehr sensible Materialien (beispielsweise natürliche Materialien wie Cellulose) zu behandeln beziehungsweise sehr empfindliche Stoffe (z. B. Biomoleküle wie Antikörper, DNA und vergleichbare Stoffe) abzuscheiden.

Abb. 1: Schnitt durch den Plasmakopf bei der Anlage PlasmaLine (l.) und PlasmaSpot (r.)

 

Anlagensysteme

Die für dieses Verfahren zur Verfügung stehenden industriellen MPG-­Plasmasysteme sind skalierbar, vollautomatisiert und der bei Atmosphärenbedingungen ­ablaufende Prozess ist vollständig rückverfolgbar. Sie können als alleinstehende Anlagen installiert oder in bestehende Produktionslinien integriert werden. Neben dem PlasmaSpot®-System für die Funktionalisierung eher kleiner Flächen oder Bahnen, Fasern, 3D-Formen, Pulvern und Partikeln, ist das Plasma­Line®-System (Abb. 2) das einzige auf dem Markt existierende atmosphärische Plasmasystem, mit dem zum Beispiel großflächige Bauteile, Folien, Membrane oder Textilien in einem kontinuierlichen Prozess homogen behandelt werden können.

Abb. 2: PlasmaLine für die Beschichtung bis zu 1600 mm Breite

 

Abb. 3: Prinzip des PlasmaPowder-Systems

 

Zudem stellt das eigens entwickelte ­Vision System zu jeder Zeit sicher, dass die Vorbehandlung auch in dem vorab definierten Maße stattgefunden hat. Hierzu werden UV-Tracermoleküle dem zu beschichtenden Stoff beigemischt und gleichzeitig homogen auf der Oberfläche abgeschieden. Mithilfe der Aufnahmen einer der Plasmabehandlung seriell nachgeschalteten UV-Kamera wird dabei die Intensität der Reflexion des UV-Lichts durch eine Software ausgewertet und dar­über die Schichtdicke bestimmt. Integriert in das Rückverfolgbarkeitssystem der Anlage findet dadurch eine 100%-Kontrolle des Prozesses bei Serienbedingungen statt.

Das Unternehmen MPG

Als innovatives Unternehmen arbeitet MPG auch stets an der Weiterentwicklung seiner Plasmasysteme. Das im Jahr 2021 zusammen mit dem belgischen Unternehmen PROCEPT gegründete Joint Venture PartiX verbindet einen Wirbelschichtreaktor mit dem Plasma­Spot®-System von MPG und ermöglicht dadurch sogar die Funktionalisierung von kleinsten Partikeln, Pulvern oder auch Fasern, was einen technologischen Durchbruch für die Industrie darstellt. Werden aktuell erste Anwendungen noch in kleinerem Maßstab entwickelt, so stehen auch hierfür schon bald serienreife Anlagen zur Verfügung.

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