Elektromobilität und autonomes Fahren sind die großen Trends in der Automobilindustrie. Damit wandeln sich Bauteile und Komponenten sowie Fertigungsprozesse. Für die Teilereinigung ergeben sich daraus neue und veränderte Aufgabenstellungen.
Der Wandel der Mobilität führt nicht nur in der Automobil- und Zulieferindustrie zu neuen und veränderten Anforderungen, er hat auch Auswirkungen auf die industrielle Teilereinigung. Neben partikulären Verunreinigungen spielen filmisch-chemische Kontaminationen durch die Oberflächenanforderungen von nachfolgenden Prozessen wie Kleben, Schweißen und Abdichten eine größere Rolle. Darüber hinaus rückt die technische Sauberkeit von Fertigungs- und Montagelinien sowie von Produktionsmitteln stärker in den Fokus, um Re- und Cross-Kontaminationen zu vermeiden.
Sauberkeitsrelevante Systeme im Elektrofahrzeug
Elektromotor, Energiesystem in Form einer Traktionsbatterie oder Brennstoffzelle und Leistungselektronik sind die drei wesentlichen Komponenten, die ein Elektrofahrzeug von einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor unterscheiden. Bei jedem dieser Systeme bestehen spezifische Herausforderungen an die Sauberkeit.
So geht es beim Elektromotor zunächst um die technisch saubere Herstellung der einzelnen Bauteile, wie beispielsweise Stator, Rotor und Gehäuse. Die Reinigungstechnik bietet für diese Aufgabenstellungen entsprechende, meist nasschemische Lösungen, mit denen sich selbst sehr hohe partikuläre Sauberkeitsspezifikationen erfüllen lassen.
Um bei der Endmontage von beispielsweise Statoren Verunreinigungen aus Vorprozessen wie metallische und nicht-metallische Partikel zu entfernen, werden trockene Reinigungslösungen wie etwa die Druckluftreinigungeingesetzt (Bild: Ecocean/ZF)
Sauberkeitsprobleme tauchen jedoch häufig bei der Endmontage von beispielsweise Statoren in Form von metallischen und nicht-metallischen Partikeln aus Vorprozessen auf. Für deren Entfernung werden trockene Reinigungslösungen benötigt, die einfach – bei Bedarf auch nachträglich – in die Montagelinie integriert werden können sowie eine effektive, automatisierte Einzelteilreinigung im Fertigungstakt ermöglichen. Ein Aspekt, der dabei auch bedacht werden sollte, ist die Sauberkeit der Produktionsmittel wie Handhabungssysteme und Greifer, um Rekontaminationen zu vermeiden.
Energiesysteme sauber fertigen
Die Traktionsbatterie in Form von Lithiumionenakkus ist das heute in Elektrofahrzeugen bevorzugte Energiesystem, auf das ein entscheidender Teil der Wertschöpfung entfällt. Reinigungsschritte sind in der Serienproduktion der Akkus vor beziehungsweise nach verschiedenen Fertigungsschritten möglich. Dies beginnt bei der Fertigung der Elektroden mit der Reinigung des Substrats vor dem Beschichten, reicht über die Reinigung der Elektrodensheets nach dem Vereinzeln durch Stanzen oder Laserschneiden und endet in der Batteriepackmontage mit der Vorbereitung der Klebeflächen des Batteriepackdeckels nach dem Integrieren der Module.
Als sicherheitsrelevanter Prozess in der Fertigung der Batteriemodule gilt die Verschaltung der Zellen durch das elektrische Verbinden der Kontaktflächen mit dem Ableiter, beispielsweise durch Ultraschallbonden. Mit Partikeln und filmischen Rückständen kontaminierte Fügebereiche können zu einer unzureichenden Kontaktierung führen, durch die sehr hohe Übergangswiderstände entstehen und als Folge davon eine Überhitzung. Beim Zusammensetzen der Batteriezellen zu Akkupacks und der Integration in die Akkuwanne gelten Partikel mit einer Größe von mehreren hundert Mikrometern als kritisch.
Saubere Kontaktstellen sind bei der elektrischen Verbindung der Batteriezellen entscheidend für eine hohe Energiedichte und die sichere Funktion des Akkus, die durch eine Reinigung mittels integrierbarer CO2-Schneestrahltechnologie erzielt wird (Bild: acp systems)
Hohe Sauberkeitsanforderungen an Prozesse, Produktionsmittel und Umfeld stellt auch die Herstellung von Brennstoffzellen. Deren zentrale Komponente, die Bipolarplatte, besteht aus einer Anode und Kathode, die unter anderem aus dünnen Edelstahlblechen hergestellt werden. Fertigungsschritte dabei sind Umformen, Schneiden, Fügen und Beschichten. Da das Ausgangsmaterial verschmutzt sein kann und bei den ersten drei Prozessen Rückstände aus der Bearbeitung zurückbleiben, können auch hier mehrere Reinigungsschritte erforderlich sein; denn Partikel von wenigen zehn Mikrometern Dicke können Undichtigkeiten und Leckagen verursachen.
Leistungselektronik – ein Fall für den Reinraum
Die Leistungselektronik sitzt in einem Gehäuse zwischen Batterie und Elektromotor und ist quasi die Schaltzentrale des Elektrofahrzeugs. Die Inverter genannte Komponente wandelt den Gleichstrom aus der Batterie in vom Elektromotor benötigten Wechselstrom um. Die in der Leistungselektronik verbauten elektronischen Baugruppen wie Halbleiter und elektromechanische Komponenten stellen sehr hohe Sauberkeitsanforderungen an das Produktions- und Montageumfeld. Durch die im Betrieb auftretenden hohen Spannungen und Ströme und den daraus resultierenden Leistungen können hier nicht nur metallische Partikel zum Problem werden, sondern auch Fasern, welche durch die Aufnahme von Feuchtigkeit kritisch werden. Ein Reinraum ist hier bei vielen Anwendungen erforderlich.
Ob Leistungselektronik, Batterietechnik oder Thermomanagement – um eine Re- und Kreuzkontamination zu vermeiden, ist bei vielen Aufgabenstellungen eine hochsaubere Produktion inklusive Produktionsmittel und Umgebung unverzichtbar (Bild: LPW Reinigungssysteme)
Ebenfalls erforderlich in Elektrofahrzeugen ist ein komplexes Wärmemanagement. Es ist sowohl für die Kühlung der Batterie, des Motors und der Leistungselektronik auf unterschiedlichen Temperaturniveaus zuständig als auch für die Klimatisierung des Innenraums. Bei der Reinigung der Komponenten für dieses ausgeklügelte Management der im Elektrofahrzeug anfallenden Wärmeströme sind ebenso hohe Sauberkeitsanforderungen zu erfüllen.
Sauberkeit – funktionsrelevant bei sensorischen Komponenten
Ob für Überwachungsaufgaben oder Assistenzsysteme beziehungsweise autonomes Fahren – der Bedarf an hochwertigen optischen und optoelektronischen Systemen wie kamerabasierte Sensoren wächst. Die fehlerfreie Funktion dieser Systeme unter allen Bedingungen und Temperaturen wird entscheidend durch die partikuläre und filmische Sauberkeit der Optiken und elektronischen Komponenten als auch der Gehäuseteile bestimmt. Hier können bereits wenige Mikrometer große Partikel und feinste filmische Schichten sowie Ausgasungen aus Komponenten zu einer Abschwächung von Signalen und Fehlinformationen führen.
Leichtere Strukturbauteile für mehr Reichweite
Reichweite ist ein wesentliches Kriterium bei Elektroautos, das Gewicht von Strukturbauteilen hat daher eine hohe Relevanz. Andererseits sind eine hohe Steifigkeit und Festigkeit der Karosserie erforderlich. Daraus resultiert ein verstärkter Einsatz von Leichtbauwerkstoffen wie Aluminium und Hybridmaterialien. Gleichzeitig verändern sich die Fügetechnologien – es wird mehr geklebt und geschweißt. Diese Verbindungsprozesse erfordern eine optimal abgestimmte Vorbereitung der Oberflächen. Je nach Material und Fügeverfahren sind dabei filmische Verunreinigungen, die durch Zerspanen und Umformen in die Oberfläche eingearbeitet wurden, zu entfernen. Die Auswahl des richtigen Reinigungsverfahrens – nasschemisch, eventuell verbunden mit einer Erhöhung der Oberflächenrauheit oder eine partielle Behandlung der Verbindungsstellen direkt vor oder integriert in den Fügeprozess – hat dabei wesentlichen Einfluss auf die Qualität der Verbindung.
Für die Reinigung in der Drehtelleranlage werden bis zu 2200 mm lange Karosserieteile, zum Beispiel Strangpressprofile, senkrecht fixiert und exakt auf die zu reinigenden Bereiche positioniert (Bild: BvL Oberflächentechnik)
Durch die Elektromobilität ergeben sich für OEM und Zulieferer auch in der Bauteilreinigung neue und veränderte Aufgabenstellungen. Für eine optimale und wirtschaftliche Lösung empfiehlt es sich, die Reinigungsaufgabe nicht isoliert zu betrachten, sondern die gesamte Fertigungskette zu betrachten und ebenso die Sauberkeit der Produktionsmittel und -umgebung. Dies erfordert häufig ein prozessorientiertes Umdenken. Doris Schulz