PVD-Beschichtung TRITAN

Oberflächen 08. 12. 2022

Dr. Jörg Pantförder und Berthold Kühnert, Landsberg am Lech

Das PVD-Beschichtungsverfahren TRITAN der iwis mobility systems ermöglicht die nahtlose Beschichtung rotationssymmetrischer Bauteile ohne Halterung im Beschichtungsprozess. Dabei bietet es neue Kostenstandards für kleine Bauteile durch eine signifikante Erhöhung der Produktionsmengen. Möglich wird dies unter anderem durch eine neue, dennoch als serien­erprobt geltende, vollautomatische Anlagentechnologie.

Die iwis mobility systems GmbH & Co. KG ist Teil der iwis-Gruppe mit Stammsitz in München. Das deutsche Familienunternehmen mit weltweit 50 Standorten und 3200 Mitarbeitenden agiert als internationaler Technologieführer und Hersteller von Präzisionskettensystemen, mechanischer Antriebstechnik sowie Verbindungs- und Kontakttechnik. Mit diesem Produktportfolio erreicht das Unter­nehmen perfekte Präzision und führt das Thema Automotive in den Bereichen E-Mobilität und autonomes Fahren weiter Richtung Zukunft.

PVD-Serienbeschichtung von Kleinstbauteilen in der Massenproduktion

Ein weniger bekanntes Standbein des Münchner Unternehmens iwis ist die vor fast zwölf Jahren entwickelte produktspezifische Oberflächenveredelungstechnologie TRITAN im Kontext der Entwicklung von Dieselmotoren.

Die Entwicklung dieser Motorengeneration verfolgte ein konsequentes Downsizing, was die Verwendung kleinerer Steuerketten (Simplex- statt Duplexketten) erforderte. Diese sind höheren Gelenkbelastungen ausgesetzt, die unter anderem aus den höheren Dynami­ken aufgrund höherer Verbrennungsdrücke resultieren. Darüber hinaus nahm die Ölverdünnung im Rahmen der Abgasreinigung zu. Durch Modifikationen dieser Rahmenparameter inklusive der Verlängerung der Wartungsintervalle änderte sich die Ausprägung der Rußpartikel und der Säureeintrag im Öl. Dieser Wandel führte zu höheren Ansprüchen hinsichtlich der Verschleißbeständigkeit und damit zu der Notwendigkeit, eine verbesserte Beschichtung der Bolzen in den Steuerketten zu implementieren. Die PVD-Beschichtung Chromnitrid wies diese optimierten Verschleißeigenschaften auf und wurde bereits im Jahr 2000 in der Formel 1 erprobt.

Zu Beginn der Anlagenentwicklung bestand die Motivation somit nicht darin, neue Schichtsysteme auf dem Bolzenmaterial zu erzeugen, sondern vielmehr in der Industrialisierung einer PVD-Beschichtungsanlage, die im Vergleich zu den üblichen Batchanlagen einen wesentlich höheren Bauteildurchsatz für die Handhabung von Schüttgut hat. Um diesem Anspruch nachzukommen, musste im Vergleich zu einer Batchanlage das 35-fache Produktionsvolumen umgesetzt werden. Mit Hilfe einer PVD-Inline-Anlage wurde dieses Ziel erreicht (Abb. 1). Das Bestreben nach einer nahtlosen Beschichtung der kompletten Mantelfläche spielte hierbei eine ebenso wichtige Rolle. Um diese besondere Herausforderung zu bewältigen, wurde ein Beschichtungskonzept erarbeitet, welches die rotationssymmetrische PVD-Beschichtung von kleinen Bauteilen ohne eine zusätzliche Halterung zulässt.

Abb. 1: PVD-Beschichtungsdurchlaufanlage für bis zu 500 000 Kettenbolzen pro Tag und Anlage

 

Der gesamte Beschichtungsprozess erfolgt von der Vorbehandlung bis zur Nachbehandlung weitgehend automatisiert. Die Vorbehandlung der Bauteile stellt kontinuierlich über mehrstufige Reinigungsprozesse die notwendige Sauberkeit der Bauteiloberflächen für die folgende Beschichtung sicher. Über die gesamte Prozesskette werden alle relevanten Daten vom FAS (Factory Application Server) gespeichert und ausgewertet. Das Leitsystem vergibt Freigaben, prüft und selektiert durch den Abgleich von Artikelnummern, Transport-UIDs, Stamm- und Produktionsdaten und erreicht damit eine umfängliche Dokumentation darüber, welches Produkt mit welchen Prozessparametern gefertigt wird.

Im Nachprozess ermöglicht die Oberflächenveredelungstechnologie TRITAN nach der Reinigung und dem Polieren der beschichteten Teile zudem eine hundertprozentige optische Bauteilkontrolle.

Eine leistungsfähige optische Oberflächenprüfanlage (OPA; Abb. 2) überprüft die gesamte Mantelfläche der Einzelteile auf Abweichungen in der Oberflächenstruktur. Jede OPA ist mit zwei optischen Systemen mit jeweils vier Kameras für die Fehlererkennung ausgestattet. Die implementierte Auswerte­software gewährleistet eine sehr prozessstabile und massentaugliche Auswertung der gesamten Beschichtungsoberfläche. Es können bis zu 20 Einzelteile pro Sekunde geprüft und Abweichungen in der Oberflächenstruktur ab einer Größe von 30 µm2 reproduzierbar gefunden und ausgeschleust werden. Die Farbe des Schichtsystems ist bei dieser Technologie nicht entscheidend, da nur die optischen Abweichungen von einem frei zu definierenden Referenzstandard detektiert werden.

Abb. 2: 100-%-Oberflächenkontrastprüfung der beschichteten Bolzen mit einer Taktzeit von bis zu 72 000 Stück pro Stunde und Prüfanlage

 

Der Industrie-4.0-Prozess gewährleistet eine eindeutige Rückverfolgbarkeit bis zur kleinsten Transporteinheit, dem ­Werkstückträger im Beschichtungsprozess, und ist selbstver­ständlich speziell auf kleine Bauteile und hohe Stückzahlen – täglich bis zu 500 000 Bolzen pro Anlage – ausgelegt. Im Umkehrschluss bedeutet dies beschichtete Schüttgut­oberflächen mit höchsten Qualitätsstandards im Automotive-Umfeld und gleichermaßen hoher Präzision für den Kunden.

Beruhend auf dieser innovativen Technologie beschichtet iwis seit 2014 in der Großserienproduktion bis zu 300 Millionen Bolzen im Jahr und beliefert damit 75 Prozent aller vom Unternehmen ausgerüsteten ­Dieselmotoren namhafter deutscher Automobilhersteller. Der Einsatz dieser Beschichtungstechnologie hatte zur Folge, dass die Verschleißeigenschaften der Bolzen in den Steuerketten insbesondere bei hohen Rußgehalten im Öl um mehr als 50 Prozent verbessert und laut Hersteller die Reibung um 20 Prozent reduziert wurden.

Übertragbarkeit der ­Technologie auf neue Produktgruppen

Werden die speziellen Eigenschaften der Oberflächenveredelungstechnologie TRITAN auf neue Produktgruppen ­übertragen, ergeben sich deutliche Vorteile. Der Vergleich (Abb. 3) der täglichen maximalen Beschichtungskapazitäten herkömmlicher Batchanlagen mit der iwis-Beschichtungstechnologie anhand einer 3 µm dicken TiN-Beschichtung (Beschichtungstemperatur ≤ 200 °C) zeigt für die Durchlaufanlagen eine Durchsatz­erhöhung um 25 Prozent. In Tabelle 1 sind die für den Vergleich gewählten Referenzwerte für Batchanlagen zusammengefasst.

Abb. 3: Vergleich der Stückzahlenmengen pro Tag und Anlage für die Abscheidung von 3 µm TiN auf unterschiedlichen Bauteilen (Maximalreferenzwerte von Batchanlagen im Vergleich zur iwis-Durchlaufanlage)

 

Das Referenzieren der Durchsatzmengen von Batchanlagen wurde auf der ­Grundlage maximaler Bestückungsmengen für typische Werkzeuge wie Schaftwerkzeuge, Bits und Wendeschneidplatten durchgeführt. Dabei wurde nicht zwischen den Beschichtungsarten differenziert, sondern die deutlich höheren Abscheideraten der im Bereich der Werkzeug- und Dekorbeschichtung vorherrschenden Cathodic Arc Physical Vapor Deposition (CAPVD) mitberücksichtigt (Abb. 3). Der Vergleich zeigt, dass bereits bei geringen Abscheideraten am Beispiel von TiN und mittleren Schichtdicken die Verfahrensnachteile beim Dielectric Cathode Magnetron Sputtering (DCMS) [1] durch das Inline-Konzept kompensiert werden.

       

 

Die Konzeption der ­Beschichtungsanlage gewährleistet somit für kleine Bauteile (≤ 250 mm2) trotz geringerer Depositionsraten einen Kostenvorteil, da die Stückzahl sich unabhängig von einem Beladeturmdesign mit jeder Flächenhalbierung quadratisch erhöht (Tab. 2 und Abb. 4, links).

Abb. 4: Kapazitätsabhängigkeit einer 3-µm-TiN-Beschichtung als Stückzahl/(Tag & Anlage) in Relation zur Belegungsfläche in mm2 und Bauteilgröße (links); Vergleich der Kapazitätsabhängigkeiten (iwis-Durchlaufanlage vs. Referenzwerte für Batchanlagen) in Stückzahl/(Tag & Anlage) für die Bitbeschichtung am Beispiel der Abscheidung von TiN bei 200 °C in Abhängigkeit der Schichtdicke (rechts)

 

Zu beachten ist allerdings, dass die maxi­male Bestückungsdichte der Werkstückträger bei einseitig beschichteten, nicht rotierenden Bauteilen durch Abschirmeffekte begrenzt wird. Die Effekte der Abschirmung und das Rücksputtern vom Bauteil spielen hier insbesondere bei hohen Anforderungen an die Farbhomogenität eine limitierende Rolle. Bei Verwendung von Bauteilen niedriger Höhe (< 5 mm–10 mm) kann dieser Effekt minimiert beziehungsweise eliminiert werden. Bei rotierenden Bauteilen sind diese Effekte zu vernachlässigen. Neben der Bauteilgröße wirkt sich auch die Beschichtungsdicke proportional auf den Durchsatz aus. Für den dargestellten Vergleich in Abbildung 4 (rechts) wurde für eine 3 µm TiN-Beschichtung in Batchanlagen ein Verhältnis der Beschichtungszeit zur Gesamtchargenzeit von 26 Prozent angenommen.

Der Anteil Beschichtungszeit/Gesamtchar­genzeit kann im Rahmen der Anlagenkonzepte, Heizphasen oder weiterer ­wichtiger Parameter leicht variieren. Da die Beschichtungszeit in die Prozesszeit für die Batch-Charge nur partiell eingeht, ist die Auswirkung einer Änderung der Beschichtungszeit auf die Beschichtungsmenge für ein Inline-Verfahren gegenüber einem Batch-Verfahren deutlich höher. Somit ist der Effekt der Kapa­zitätssteigerung in einer Inline-Anlage insbesondere bei dünnen Schichten (0,5 µm bis 2 µm) signifikant (Abb. 4, rechts) und zeigt einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der Beschichtung in Batchanlagen.

Die Steigerung der Durchsatzraten kann durch eine Reduzierung der Beschichtungsdicke oder über die Erhöhung der Depositionsraten erfolgen. Die Änderung der Depositionsraten erfolgt mittels höherer Kathodenleistung oder der Verwendung von alternativen Beschichtungsmaterialien, wie zum Beispiel Chromnitrid (CrN).

Als Substrat zur DCMS PVD-Beschichtung [1] eignen sich im Allgemeinen alle Stähle mit Anlasstemperaturen über 500 °C, Hartmetalle, legierter Stahl, unlegierter Stahl, Guss­eisen, Edelstahl, Titan, NE-Metalle (Kupfer, Zink, Messing, Bronze) und Aluminium. Da die PVD-Beschichtung der letzte Veredlungsschritt der Bauteile ist, müssen diese vollständig gefertigt und gehärtet sein.

Die Beschichtungstemperaturen können auf den iwis-Anlagen je nach Abscheiderate im Bereich zwischen 150 °C und 450 °C durchgeführt werden. PVD-­Beschichtungen werden in der Regel bei Funktionsbeschichtungen für Industriekomponenten, wie zum Beispiel Wälzlager, Schneidwerkzeuge für die spanende Bearbeitung und Formwerkzeuge sowie bei Design-Beschichtungen angewendet.

Nahtlose Beschichtung

Das Beschichtungskonzept TRITAN erlaubt neben der nahtlosen Beschichtung von eindimensional rotationssymmetrischen Bauteilen, wie zum Beispiel Kettenbolzen, Zylindern, Rollen und Nadeln für Wälzlager, auch die homogene Beschichtung von rotierenden Kugeln in sehr großen Stückzahlen. Die Zwangsrotation der Bauteile erfolgt bei diesem Verfahren durch das Gleiten auf einer bewegten Unterlage. Bei dem verwendeten Verfahren wird die Homogenität der Schicht­eigenschaften nur durch die Depositionsverteilung unter den Targets aber nicht wie beispielsweise bei alternativen PVD-Trommelverfahren [2] durch eine mögliche Interaktion der Bauteile untereinander beeinflusst.

Ein weiterer Vorteil ist die mit geringem ­Aufwand automatisierbare Bestückung der Werkstückträger, die in nur wenigen Schritten auf die jeweilige Geometrie der Bauteile angepasst werden kann. Grundsätzlich erleichtert das Auflegen der Produkte auf eine vertikale Ebene die technische Umsetzung. Bereits heute ist iwis mobility systems in der Lage, die Substrathalterung für Kugeln, Rollen, Zylinder und Stifte sowie ­vergleichbare Bauteile zu adaptieren (Abb. 5) und in dem Belade- und Entladekonzept zu ­integrieren (Abb. 6). Grundsätzlich können ­zylindrische Bauteile mit einer Länge von 5 mm bis 275 mm und einem Durchmesser von 2 mm bis zu 35 mm in den Anlagen beschichtet werden. Einseitige Beschichtungen können in den Anlagen bis zu einer maximalen Bauteilfläche von 1000 cm2 erfolgen.

Abb. 5: Nahtlose PVD-Beschichtung von Kugeln und eindimensional rotationssymmetrischen Bauteilen

Abb. 6: Automatisierte Entladung der Kettenbolzen vom Werkstückträger nach der Beschichtung

 

Neben den Beschichtungen Chromnitrid (CrN) und Titannitrid (TiN) können ohne technische Anpassungen der Hardware binäre Metallnitride wie zum Beispiel Cr0.6Al0.4N und Ti0.6Al0.4N aufgebracht werden. Als weiteres Potential wird die metallische Beschichtung gesehen, beispielsweise das Verchromen von Schüttgut in Form von Kleinstteilen, womit sich eine Alternative zum galvanischen Verchromen von Schüttgut ergibt.

Ausblick und Zusammenfassung

Oberflächenveredelungen von ­Schüttgütern, insbesondere kleinen Bauteilen in sehr großer Stückzahl, waren weitestgehend auf das Oberflächenhärten/-vergüten und auf CVD -Beschichtungsverfahren beschränkt. Mit der Oberflächenveredelungstechnologie ­TRITAN von iwis können PVD-Schichten mit verbesserter Schichtqualität und Schichthomogenität auf einem wettbewerbsfähigen Kostenniveau hergestellt werden. Zudem wird diese Art der PVD-Beschichtung von Stückzahlen > 50 000 als externe Dienstleistung angeboten. Da eine Versuchs- und Kleinserienanlage zur Verfügung steht, können Vorversuchsreihen und Bemusterungen parallel zur Serienproduktion durchgeführt werden.

Literatur

[1] Yang Deng, Wanglin Chen, Bingxin Li, Chengyong Wang, Tongchun Kuang, Yanqiu Li: Physical vapor deposition technology for coated cutting tools: A review; Ceramics International 46 (2020) 11, part B, p. 18373-18390; https://doi.org/10.1016/j.ceramint.2020.04.168

[2] N.N. (Fraunhofer-Institut FEP): https:///www.fep.fraunhofer.de/de/Kernkompetenzen/Anlagentechnik/alma_1000.html

Kontakt

Dr. Jörg Pantförder, Leiter Grundlagen Prozess- und Produktionstechnologie, E-Mail: joerg.pantfoerder@iwis.com

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