Zukunftstechnologie Galvanotechnik – Fortschritte mit Nachhaltigkeit und ohne Chrom(VI)

Oberflächen 09. 02. 2023

Seit 2020 bietet die BIA Kunststoff- und Galvanotechnik GmbH & Co. KG einmal im Jahr in Form eines BIA Online-Forums einen Einblick in ihre Unternehmenstätigkeit, insbesondere zum Stand der aktuellen Entwicklungen. Hier stehen seit mehreren Jahren vor allem die Fortschritte bei der Umsetzung der Anforderungen aufgrund der REACh-Verordnung zur Vermeidung von Chemikalien auf Basis von Chrom(VI) im Vordergrund. Die Schwerpunkte des BIA Online-Forums Anfang November 2022, in bewährter Weise moderiert vom technischen Geschäftsführer des Unternehmens, Dr. Markus Dahlhaus, waren die Inbetriebnahme der neuen Produktionsanlage zur galvanischen Beschichtung von Kunststoffen für den Bereich Automobil sowie die Nachhaltigkeit von galvanisch beschichteten Kunststoffen.

Dr. Markus Dahlhaus (Bild: BIA)

 

Leuchttumprojekt Galvanikanlage

Dr. Heinzler, Leiter der Bereiche Entwicklung und Prozesstechnik bei BIA, eröffnete die Reihe der Vorträge mit einer Vorstellung der neuen Galvanikanlage, die als Leuchtturmprojekt zum Schwerpunkt chrom(VI)freie Galvanotechnik zur Beschichtung von Kunststoffen vom Bundesministerium für Umwelt gefördert wurde.

Die in den letzten Jahren aufgebaute Galvanikanlage in Solingen wird aktuell qualifiziert, so dass in Kürze die laufende Produktion in Großserie mit Beschichtungsverfahren ohne den Einsatz von Chrom(VI)verbindungen aufgenommen werden kann. In die Anlage wurden auch Technologien zur Effizienzsteigerung und Rückgewinnung implementiert.

Bei den Anoden für die galvanische Metallabscheidung aus Chrom(III)systemen steht vor allem die Reduzierung des Iridiumanteils in der Anodenbeschichtung im Vordergrund. Daneben wurde beim Bau der neuen Anlage auf optimierte Kreislaufführung der eingesetzten Rohstoffe geachtet, wobei die Verfahrenstechnik für den Wertstoff Palladium inzwischen in ­Serie betrieben wird. Diese Themen werden unter anderem mit Partnern in der Industrie sowie verschiedenen Hochschulen bearbeitet und öffentlich gefördert, beispielsweise vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.

       

Dr. Heinzler stellte die neue Galvanikanlage vor (links) und erläuterte die Details der neuen Rückgewinnungssysteme im Werk Solingen (Bild: BIA)

 

Die neue Galvanikanlage im Werk Solingen ist inzwischen in Betrieb und erfüllt die Anforderungen der Automobilindustrie. Die Beschichtung ist bereits chrom(VI)frei, während der Prozessteil der Vorbehandlung darauf ausgerichtet ist, diesen mit entsprechenden Verfahren ohne Chrom(VI) ausstatten zu können. Dabei erlaubt die Anlage, die verschiedenen Verfahren im Vergleich beurteilen zu können, also unterschiedliche Verfahrensabläufe zu testen und so den besten Prozess­ablauf für die galvanische Beschichtung von Kunststoffen zu wählen und zu qualifizieren.

Wie Dr. Dahlhaus im Anschluss erläuterte, wird BIA in den nächsten Jahren in der Lage sein, Serienteile für die Automobilindustrie vollständig mit Verfahren ohne ­sechswertiges Chrom beschichten zu können. Für diesen Entwicklungsschritt sind Beschichtungsunternehmen ihmzufolge stark auf die Mitarbeit der Automotive-Unternehmen angewiesen. Dies ist die Erfahrung aus der Umstellung auf Chrom(III)systeme zur Verchromung, bei der vor allem die Qualifizierung durch die Kunden aus der Automobilindustrie eine große Hürde darstellt.

Im Werk in der Slowakei wurde inzwischen eine Anlage in Betrieb genommen, die eine chrom(VI)freie Vorbehandlung von Polyamidbauteilen ermöglicht, so dass bei entsprechender Nachfrage nach Polyamidteilen der Bedarf erfüllt werden kann.

Nachhaltigkeit galvanisch ­beschichteter Kunststoffe

Dr. Markus Häp, Technologiemanager Automotive, befasst sich mit der Einführung von Recycling-Kunststoffen, vor allem im Hinblick auf die Kreislaufschließung, also aktuell die Rücknahme und Aufarbeitung von Teilen nach deren Lebensende. Grundvoraussetzung ist im ersten Schritt die Rückführung der Teile am Ende des Lebenszyklus eines Fahrzeugs an BIA. Hier werden zum Beispiel von den Lieferanten der Fahrzeugkomponenten die notwendigen Prozessfolgen aufgebaut.

Dr. Markus Häp (Bild: BIA)

 

Die 2021 gestarteten Versuche zum Recycling galvanisch beschichteter ­Kunststoffe zeigten noch verbliebene Rückstände im Kunststoff; inzwischen konnten Fortschritte erzielt werden. Zwar ändert sich die ­Farbe des Kunststoffs, allerdings ohne ­störende Reste im Kunststoff, was keinen Einfluss auf die Qualität des Kunststoffteils nach der galvanischen Beschichtung hat. Die Qualität von verchromten Kunststoffbauteilen aus Rezyklat ist Dr. Häp zufolge serientauglich.

Im Weiteren gab er einen Einblick in den Ablauf der Aufarbeitung. Durch Zerkleinern der beschichteten Kunststoffteile werden Metall und Kunststoff sukzessive getrennt. Der Kunststoffanteil des Recyclats wird nach der Herstellung des Granulats zunächst einer intensiven Qualitätsbeurteilung des Kunststoffs bei einem externen Prüfer unterzogen. Im nächsten Schritt auf dem Weg zur Serienqualifizierung des Rezyklats werden Bauteile ausgewählt, die für den Einsatz des Rezyklats geeignet sind, und die Teile qualifiziert. Endgültiges Ziel ist die Qualifizierung beziehungsweise die Optimierung des Kunststoffgranulats für alle aktuell geforderten Bauteilarten, als zum Beispiel auch die hinterleuchteten Teile oder Touchkomponenten. Die noch bestehende Farbveränderung des Kunststoffs kann zum Beispiel bei der Durchleuchtung durch den Einsatz von entsprechenden LEDs kompensiert werden.

Verschiedenes

Unter Moderation von Dr. Dahlhaus gingen Dr. Heinzler und Dr. Häp auf Fragen aus dem Teilnehmerkreis zur Verwendung von Kunststoffen und deren galvanische Beschichtung ein.

Die Beschichtungsverfahren auf Basis von Chrom(III) sind inzwischen so weit in die reguläre Produktion eingeführt, dass Teile in Mischbauweise verwendet werden können. Wie Häp ausführte, ist derzeit bei der Einführung der neuen Oberflächen vor allem die bestehende Bürokratie in den Freigabeabläufen ein Hemmnis. Darüber hinaus ist der Aufwand zur Prüfung der Teile so stark gestiegen, dass die Abläufe zeitlich stark verzögert werden. Nach den Erfahrungen der BIA sind im Hinblick auf Korrosion oder Aussehen keinerlei Qualitätsnachteile zwischen Chrom(VI)- und Chrom(III)oberflächen vorhanden. Bezüglich der Vorbehandlung sieht Dr. Heinzler eine gute Chance, in Kürze mit der Nutzung für die Serien starten zu können. Aktuell sind die entsprechenden Prüfungen mit guten Ergebnissen sehr weit fortgeschritten – vermutlich wird der Schritt zur Serienproduktion Anfang 2023 vollzogen werden.

Die Herausforderung für die kommenden Jahre besteht darin, die aktuell noch fehlende Kreislauf-Infrastruktur in der Automobilindustrie aufzubauen und zu verbessern und damit genügend Teilen den Weg in die Wiederverwertung zu gewährleisten. Bei ausreichend hohem Rückfluss an Rezyklatmaterial kann dann eine Fertigung von Serienteilen mit Rezyklatanteil aufgenommen werden - der Prozess als solches steht bereit.

Jörg Püttbach, Dr. Felix Heinzler, Dr. Markus Dahlhaus und Dr. Markus Häp beantworten die Fragen der Teilnehmer des BIA Online-Forums (Bild: BIA)

 

Unternehmensentwicklung der BIA

Jörg Püttbach, Inhaber der BIA, ging in seinen Ausführungen auf Neuheiten des Unternehmens ein. Die Automatisierung konnte ihmzufolge weiter vorangetrieben werden, so zum Beispiel bei der Oberflächenprüfung der Teile, fahrerlosen Transportsystemen, Aufsteckrobotern zur Bestückung der Galvanikgestelle oder für das automatisierte Stanzen von Bauteilen. Ziel aller Automatisierungen ist es, die Effizienz der Fertigung sowie die Qualität der produzierten Teile zu verbessern.

Zur unabhängigen Prüfung von Bauteilen hat BIA das von der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierte Labor b-lab ins Leben gerufen. Das Labor kann unabhängig alle von Kunden gewünschten Prüfungen an Bauteilen durchführen. Nach Aussage von Püttbach können damit die Qualifizierungszeiten deutlich reduziert werden.

Jörg Püttbach (Bild: BIA)

 

Im chinesischen Werk werden inzwischen auch Teile für asiatische Autohersteller gefertigt. Erweitert wurde die Funktion von Teilen im Touch-Design. Die verschiedenen Arten an Bauteilgestaltungen auf Basis von Touch Chrome erlauben dem Fahrzeugdesign ein großes Spektrum an unterschiedlichen Bedienelementen mit einer großen Zahl an Bedienfunktionen für Fahrzeuge. Die Werke in Mexiko und der Slowakei werden mit großflächigen Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung ausgestattet. Damit wird die Unternehmensgruppe erfreuliche Fortschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität erzielen. Zudem dämpft der Einsatz der Solarzellentechnik den Ausführungen von Püttbach zufolge die Kostensteigerung bei Strom. Wichtig ist dem Unternehmen auch die Zusammenarbeit im Bereich von Förder­themen, die seitens BIA vor allem durch Kooperationen mit Hochschulen, etwa bei Ausbildungsarbeiten, eingeführt und intensiviert wurde. So finden beispielsweise neue Ideen für die Fertigung Eingang bei BIA.

Im Hinblick auf die Kreislaufführung bei der Verwendung von galvanisch beschichteten Teilen sieht Püttbach Vorteile, da diese recycelbar sind, lackierte Teilen dagegen nicht. Diese können nur thermisch verwertet werden. Dieser Vorteil galvanisch beschichteter Kunststoffteile für Fahrzeuge hilft nach Ansicht von Jörg Püttbach dem Unternehmen und der Technologie der Galvanotechnik, weiter erfolgreich auf dem Markt der Oberflächentechnik bestehen zu können.

Das gesamte BIA Online-Forum steht als Youtube-Video zur freien Verfügung:

 

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