5. Lasersymposium Elektromobilität LSE‘23

Werkstoffe 07. 05. 2023
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5. Lasersymposium Elektromobilität LSE‘23

Nach drei langen Online-Jahren traf sich die Branche auf dem 5. Lasersymposium Elektromobilität LSE des Fraunhofer-­Instituts für Lasertechnik ILT endlich wieder in Präsenz in Aachen. Wie das Fraunhofer ILT berichtet, folgten rund 50 ­Interessierte der Einladung zum Fraunhofer ILT. Referierende aus Forschung und Industrie berichteten über Fortschritte, Trends und Ideen, um die Elektromobilisierung weiter voranzutreiben. Highlights waren unter anderem der Vortrag eines finnischen Schneemobil-Herstellers, ein 32-strahliger 100-Kilowatt-Laser aus Israel und ein österreichischer KI-Experte.

Zu Land, zu Wasser und in der Luft: Überall sei der E-Transport auf dem Vormarsch, verdeutlichte Prof. Arnold Gillner, Abteilungsleiter Business Development am Fraunhofer ILT, beim Lasersymposium Elektromobilität LSE im Januar in Aachen. Nun komme es darauf an, die bereits signifikant gesunkenen Batteriekosten von aktuell rund 100 US-Dollar pro Kilowattstunde noch weiter zu reduzieren. Dabei gewinne die ganzheitlich-­nachhaltige Betrachtungsweise an Bedeutung, angefangen bei kobaltfreien Werkstoffen, klimaneu­tralen Fertigungsverfahren bis hin zum sogenannten Re-use.

Es ist nach den Worten von Gillner nicht nur wichtig, den Energieverbrauch bei der Fertigung von Batterien langfristig zu senken. Wir müssen ihre Energiedichte durch neue Materialien erhöhen. Außerdem sollten wir, wo möglich, über Re-use nachdenken – etwa den Einsatz von ausgedienten Antriebsbatterien als stationäre Energiespeicher für den Heimbedarf.

Für Prof. Arnold Gillner ist es nicht nur wichtig, den Energieverbrauch bei der Fertigung von Batterien langfristig zu senken, sondern auch ihre Energiedichte durch neue Materialien zu erhöhen (© Fraunhofer ILT)

 

Coole Inspiration vom Polarkreis: ­Batteriekonzept mit hoher Energiedichte

E-Mobilität in einer seiner vielleicht spannendsten Form präsentierte Matti Autioniemi, Geschäftsführer und Mitgründer des Startups Aurora Powertrains Oy aus dem finnischen Rovaniemi. Das 2017 gegründete Unternehmen produziert als einer der ersten Hersteller elektrische Schneemobile und ist der weltweit erste Anbieter von geführten Touren mit elektrischen Schlitten. Der eSled wiegt in der Version mit der größten Batteriekapazität 270 Kilogramm. Die maximale Reichweite beträgt je nach Batterie (Energiekapazität: 7 bis 21 Kilowattstunden) zwischen 40 und 100 Kilometer. Die arktischen Temperaturen dieser Region waren eine besondere Herausforderung, für die Aurora eine wasser- und staubdichte Batterie mit IP67-Klassifizierung entwickelt hat. Die modular skalierbare Batterie verfügt über ein flexibles Ladesystem für Gleich- und Wechselspannung; zur Konditionierung der Batterie hat Aurora eigens ein innovatives Batteriemanagementsystem (BMS) inklusive einer integrierten Heizung konzipiert.

Aurora Powertrains stammt aus Lappland und ist der weltweit erste Anbieter von geführten Touren mit elektrischen Schneemobilen. Die Reichweite des eSled beträgt bis zu 100 Kilometer (© Aurora Powertrains)

 

Die Entwickler konzentrierten sich bei dem Batteriekonzept auf eine möglichst hohe Energiedichte und erreichten mit mehr als 190 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg) einen hervorragenden Wert. Das finnische Unternehmen setzt auf Lithiumionenbatterien als Pouch-Zellen mit 0,2 Millimeter dünnen elektrischen Kontakten. Die platzsparenden Pouch-Zellen sind leicht und werden direkt in anwendungsspezifischen Größen hergestellt. Da der Platz für den effizienten Einsatz von Ultraschallschweißgeräten nicht ausreichte und das Verfahren mehr vertikalen Raum benötigte, ließ sich Aurora vom Fraunhofer ILT ein maßgeschneidertes Laserschweißsystem entwickeln.

Vielseitige Einsatzmöglichkeiten dank Skalierbarkeit und Modulaufbau

Das neue Batteriekonzept ist nicht nur für Schneemobile geeignet: Aurora kann Größe und Spannungskonzept der beutelförmigen Batterien anpassen, zum Beispiel an den Einsatz in Elektrobooten, Arbeitsmaschinen oder Energiespeichern. Wegen der hohen Energiedichte und der IP67-Klassifizierung sind bereits mehrere Unternehmen an unserem Batteriekonzept interessiert, erklärte Matti Autioniemi. Derzeit entwickelt das Unternehmen Konzepte für ein finnisches Elektrobootunternehmen und ein Geländewagenprojekt, dessen Batterie für 120 Kilowattstunden ausgelegt ist. Laut Autioniemi lassen sich mit diesem Konzept Batterien selbst für größere Fahrzeuge oder sogar Lastwagen wirtschaftlich realisieren.

Diese Entwicklung zeigt: Das Anwendungsspektrum für Laser ist längst noch nicht ausgereizt. So berichtete Philippe ­Leopold, EMEA Sales Director beim Photonik- und Optik­unternehmen Lumentum LLC aus York, Großbritannien, vom neuen PicoBlade3-Laser, der mit bis zu 180 Watt im Nahinfrarot- (NIR), Ultraviolett- (UV) sowie im Grün-Bereich arbeitet. Das FlexBurst-Verfahren fächert den Hauptstrahl in 20 ultrakurzgepulste Einzelstrahlen auf, mit denen sich Kathoden mit 2 m/s und hauchdünne Elektrolytfolien mit 20 m/s extrem schnell und präzise schneiden lassen.

32 Einzelstrahlen sollen das Schmelzbad bändigen

Wie sich ein Schmelzbad etwa beim Schweißen mit 32 digital geregelten ­Einzelstrahlen aus maximal 100 Kilowatt starken Laserquel­len positiv beeinflussen lassen, schilderte Christian Dini, General Manager Europe der Civan Advanced Technologies Ltd. aus Jerusalem, Israel. Wenn sich damit sehr viel schneller, besser oder variabler schweißen lasse, sei es eine interessante Lösung, urteilte Dr. Alexander Olowinsky, Abteilungsleiter Fügen und Trennen am Fraunhofer ILT. Es werde sich zeigen, ob der Markt zu dem Mehraufwand bereit sei.

Das geplante Battery Launch Center NRW (BLC.nrw) ergänzt laut Dr. Alexander Olowinsky die bereits bestehende FFB-Einrichtung sehr gut (© Fraunhofer ILT)

 

Weil Laserschweißen zahlreiche Vorteile bietet, beschäftigten sich viele Referenten mit dieser Fügetechnik. Thorsten Twiehaus, Wissenschaftler am Lehrstuhl und Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik (ISF) an der RWTH Aachen, berichtete von Erfahrungen mit dem Laserschweißen unter Vakuum, das sich bei Elektroblechen, Mischverbindungen und Hairpins bewährt hat. Für den Nürnberger Leistungselektronikhersteller Semikron International GmbH berichtete Dr. Armin Del­lert über den Einsatz von grünem Laserlicht beim Schweißen von Innen- und Außenkontakten. Der Entwicklungsingenieur schätzt vor allem das größere Prozessfenster.

Trend bei den OEM: Pouch passé?

Die EAS Batteries GmbH aus ­Nordhausen hat gemeinsam mit dem Fraunhofer ILT eine neue Laserschweißanlage für das Fügen von großen zylindrischen ­Lithiumionenzellen für Hochleistungsanwendungen (40 bis 50 Amperestunden) entwickelt. Mit dieser Neuent­wicklung reagiert das Unternehmen nach Aussage von Geschäftsführer Michael Deutmeyer auf einen Trend in der Automobilbranche, die sich wegen der höheren Gasdruckstabilität und Langlebigkeit zunehmend von der Pouch-Zelle zugunsten von Zellen mit massiver Außenhülle verabschiedet.

Ebenfalls für zylindrische Energiespeicher entstand bei der F & K DELVOTEC Bondtechnik GmbH aus Ottobrunn eine Anlagentechnik, die mit Taktzeiten von 0,7 Sekunden arbeitet. Für das mit dem Fraunhofer ILT entwickelte Verfahren spricht laut Bond-Acade­my Leiter Dr. Hans-Georg von Ribbeck zudem, dass sich damit punktschweißen lasse.

Mit dem Laserschweißen von Batterien, die sich mittels Thermomanagement ohne Überhitzung besonders schnell laden und entladen lassen, beschäftigt sich seit kurzem die Kautex Textron GmbH & Co. KG aus Bonn. Der Hersteller von Kunststofftanks entschied sich beispielsweise bei den Stromsammelschienen für ein vom Fraunhofer ILT erarbeitetes Verfahren zum Laserschweißen. Entwicklungsingenieur Frank Süßemilch erklärte, dass es zwar teurer als Drahtbonden sei, dafür aber präziser und schneller füge, gezielte Prozessregelung erlaube und sich wegen der niedrigen Taktzeiten für Großserieneinsatz eigne.

Effiziente Lasertrocknung ­ersetzt gasbetriebene Ofenanlage

Tatsächlich erobern Laser immer wieder neue Bereiche: Die Bandbreite reicht vom Oberflächenstrukturieren mit Ultrakurzpulslaser (Fraunhofer ILT), dem kompletten Entlacken von Hairpins (Clean-Lasersysteme GmbH, Herzogenrath), dem Entfernen von Kabelisolierungen (SLCR Lasertechnik GmbH, Düren) bis hin zu dem sehr aktuellen Thema Trocknen. Derzeit müssen die Pasten für ­Anoden und Kathoden in rund 100 Meter langen Konvektionsöfen trocknen, die bisher fast ausschließlich mit Erdgas beheizt werden.

Eine Alternative entsteht unter Führung der Laserline GmbH aus Mülheim-Kärlich im Forschungsprojekt IDEEL (Implementation of Laser Drying Processes for Economical & Ecological Lithium Ion Battery Production). Bei Versuchen am Fraunhofer ILT gelang es erstmals, die Elektrodenpaste auf Anoden und Kathoden im Rolle-zu-Rolle-Verfahren mit dem Laser zu trocknen. Laserline-Manager Mathias Schlett stellte auf dem LSE’23 einen leistungskräftigen Infrarot-Diodenlaser mit 45 Kilowatt Leistung vor, mit dem sich der Energieverbrauch extrem senken lassen soll. Experten rechnen mit einer Ersparnis von 50 bis 85 Prozent. Gleichzeitig lässt sich mit den Lasern das Trockentempo verdoppeln und eine deutlich kleinere Anlagentechnik umsetzen – die Projektteilnehmer planen eine Bandgeschwindigkeit von 30 Metern pro Minute.

Wichtig ist bei allen Laserprozessen ein besseres Verständnis der Vorgänge, etwa im Schmelzbad. Gehring Technologies überwacht das Laserschweißen von Hairpins zum Beispiel mit Röntgenstrahlung, Semikron hingegen prüft die Laserschweißstellen in der Leistungselektronik mit Ultraschallmikroskopie. Andere setzen auf aufwendigere Verfahren wie optische Kohärenztomographie (OCT). Christoph Spurk vom Lehrstuhl für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen University nimmt sogar zweimal pro Jahr die Reise zum Synchrotron am Forschungszentrum DESY in Hamburg in Kauf, um Laserprozesse besser zu verstehen.

Das Beobachten der Prozesse sei immens wichtig, meint auch LSE-Mitinitiator Olowinsky, gibt aber zu bedenken: Alle beobachten den Prozess, aber nur wenige regeln ihn – und wenn, dann häufig von Prozess zu Prozess. Multisensoranwendungen seien aktuell angesagt, um an vielen Stellen Messsignale zu erhalten. Olowinsky ist sich allerdings sicher, dass das Messverfahren zweitrangig sei. Es komme auf die intelligente Auswertung der Daten an.

Big Data-Analyse mit Hilfe von KI, ­Endauswertung per Human Intelligence

Ein wesentliches Problem aller Messverfah­ren sprach auch Thomas Grünberger an, Strategic Technology Developer bei der Wiener nLIGHT GmbH: Es entstünden oft extrem viele Daten, die ausgewertet und bewertet werden müssten. Grünberger empfahl in seinem Vortrag, Big Data, also große Datenmengen mit Hilfe von Machine Learning zu analysieren. Dabei sollten Anwender darauf achten, dass bei instabilen, unkontrollierten Prozessen wie dem Schmelzbad ausschließlich instabile Messdaten entstehen. Daher sollte die endgültige Bewertung stets Human Intelligence übernehmen, sprich der Mensch.

Das Fraunhofer ILT sorgte als LSE-Veranstalter nicht nur für viel Input rund um Fragen der Elektromobilität, sondern bot vor allem kleinen und mittleren Unternehmen entscheidende Mehrwerte. Dr. André Häusler etwa, Gruppenleiter für Fügen von Metallen am Fraunhofer ILT, präsentierte das geplante Battery Launch Center NRW (BLC.nrw), das bereits von Partnern wie Kuka, LBBZ oder die RWTH Aachen University unterstützt wird.

Dr. André Häusler stellte das geplante Battery Launch Center NRW vor, das bereits Partner wie Kuka, LBBZ oder die RWTH Aachen University als Unterstützer gewinnen konnte (© Fraunhofer ILT)

 

Den Unterschied zur bereits bestehenden Fraunhofer-Einrichtung ­Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) in Münster ­erläuterte Olowinsky: Beide Institutionen ergänzten sich sehr gut, denn Münster erforsche die Verfahrensfragen zur Batteriezellenproduktion; das BLC.nrw entwickle die Anlagentechnik und das dazu nötige Know-how, um aus den Zellen ein komplettes Batteriesystem herzustellen. Häusler warb um Unterstützung für das BLC.nrw in Geilenkirchen bei Aachen, das in Kürze in Betrieb gehen soll: Wir suchen Firmen, die Equipment für die Fertigung von Batteriesystemen anbieten, und potenzielle Nutzer der Einrichtung. Wer uns also Anlagentechnik zur Verfügung stellen kann oder Produktions- oder Entwicklungs-Kapazität braucht, soll sich an uns wenden.

Kontakt:

Dr.-Ing. Alexander Olowinsky, Abteilungsleitung Fügen und Trennen, E-Mail: alexander.olowinsky@ilt.fraunhofer.de

Das 5. LSE im Januar 2023 bot 50 Gästen eine Mischung aus internationalen Vorträgen aus Wissenschaft und Praxis, Networking und Laborbesuchen(© Fraunhofer ILT)
 

Text zum Titelbild: Aurora wird das Batteriekonzept des elektri­schen Schneemobils gemeinsam mit dem Fraunhofer ILT auf der LASER World of Photonics 2023 präsentieren(© Aurora Powertrains)

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