Messen – Steuern – Regeln

Oberflächen 06. 06. 2023

Bericht über das 44. Ulmer Gespräch am 24. und 25. Mai in Ulm

Das 44. Ulmer Gespräch befasste sich mit einzelnen Aspekten der Digitalisierung, der Automatisierung sowie verschiedenen Aspekten der Analytik und Qualitätssicherung in Verbindung mit der Regelungstechnik für die Verfahren zur galvanischen Metallabscheidung. Dabei bildeten vor allem die Digitalisierung und Vernetzung innerhalb der Liefer- und Wertschöpfungskette sowie die Optimierung der Prozesse die Kernthemen. An Beispielen aus der Produktion wurde deutlich, mit welchen Technologien und Verfahren eine industrielle und automatisierte Beschichtung erreicht werden kann und welche positiven Aspekte sich daraus ergeben. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen begleiten hierbei den Weg der Galvanotechnik zur Fertigung nach industriellen Maßstäben.

In Vertretung von Prof. Dr. Paatsch eröffnete Katja Feige, Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, die Tagung am neuen Veranstaltungsort in Ulm. Mehr als 70 Fachleute von jung bis erfahren nahmen die Gelegenheit wahr, sich über das Messen, Steuern und Regeln in der Oberflächentechnik in den Tagungsräumen des Maritim-Hotels in Ulm zu informieren. Dieses breit gestreute Thema findet zunehmend bei Unternehmen aller Größen ­Anklang, da es sich um die Kernproblematik zur Verbesserung der Produktqualität und Steigerung der Ressouren- und Energieeffizienz handelt. Die Tagung wurde auch in diesem Jahr mit der Verleihung des DGO-Nasser-Kanani-Preises eröffnet.

Nasser Kanani, Professor an der TU ­Berlin und unter anderem Gastprofessor am MIT Massachussetts Institute of Technology, hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten in Fachzeitschriften veröffentlicht sowie Lehrbücher über sein Fachgebiet Galvanotechnik verfasst. Er wurde mehrfach für seine wissenschaftlichen Leistungen ausgezeichnet. Zwischen 1993 und 2005 war er Head of Materials Science Department der Atotech Deutschland GmbH in Berlin. Hier beschäftigte er sich mit seinem Team von Wissenschaftlern und Ingenieuren mit der Qualifizierung von galvanotechnisch abgeschiedenen metallischen Schichten.

Der von ihm gestiftete DGO-Nasser-Kanani-Preis wird an einen jungen Forschenden (bis 35 Jahre) für eine Arbeit verliehen, die an einer Einrichtung in einem deutschsprachigen Raum auf dem Gebiet der elektrochemischen Oberflächentechnik unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte der Nachhaltigkeit erstellt und später auch veröffentlicht wurde. Nominierungen können bei der Geschäftsstelle der DGO Deutsche ­Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik e. V. eingereicht werden. Die Vorschläge sollen sich auf Veröffentlichungen beziehen und werden sowohl mit Blick auf ihren wissenschaftlichen als auch technisch-praktischen Inhalt von einem Preiskuratorium bewertet. Der DGO-Nasser-Kanani-Preis besteht aus einer Urkunde sowie einem Preisgeld in Höhe von 3000 Euro. Er wird jährlich im Rahmen des Ulmer Gesprächs überreicht, und der Preisträger berichtet in einem Vortrag über die gewürdigte Arbeit.

Kupferoxidschichten

In diesem Jahr ging der DGO-Nasser-Kanani-Preis an Dr. Mario Kurniawan, Technische Universität Ilmenau, für seine ­Arbeit zur Herstellung und Charakterisierung von Kupferoxid mit hoher photoelektrochemischer Leistung.

Die von Dr. Kurniawan hergestellten porösen Kupferoberflächen bieten ein interessantes Potenzial zur Gewinnung von Wasserstoffgas, basierend auf der guten Eignung von Kupferoxid als Photokathode. Für die Herstellung wird in aufeinander folgenden Abscheideschritten zunächst eine glatte Kupferschicht abgeschieden und darauf unter Nutzung einer Gasentwicklung während der Abscheidung und einer Ultraschallbehandlung poröses Kupfer aufgebaut. Wie hochauflösende Aufnahmen zeigen, wächst das Kupfer auf der ersten Schicht um vorhandene Gasblasen herum, wobei Gasblasen mit unterschiedlichen Durchmessern vorhanden sind. Die Bildung der porösen Schicht erfolgt in zwei unterschiedlichen Prozessstufen: einmal der Abscheidephase und in einer Tauchphase in Ultraschall, in der Dendriten mit geringer Haftung zum Kupfer entfernt werden. Nach Ablösen der Kupferschicht vom Sub­strat steht eine frei zugängliche und poröse Kupferstruktur zur Verfügung, bei der im letzten Arbeitsschritt durch anodische Belastung aus dem oberflächlichen Kupfer ein photoaktives Kupferoxid (Cu2O) gebildet wird.

Wasserspaltung durch Sonnenlicht zur Erzeugung von Wasserstoffgas (Bild: Kurniawan)

 

Die Charakterisierung der erzeugten Kupfer­oxidschicht erfolgt unter anderem durch Bestimmung der Bandlücke. Hierzu werden Ramanspektrometrie und Voltametrie genutzt. Insbesondere die Porosität ist maßgeblich für die Effektivität der Wasserstoffentwicklung. Die Porosität wiederum lässt sich durch die Wahl der Arbeitsparameter bei der Abscheidung und die Ultraschallbehandlung verän­dern. Die höchste Porosität, ausgedrückt durch die Konzentration der erzeugten Löcher, wird mit etwa 5 1018 1/cm3 bei einer Behandlungsdauer von 5 Minuten erreicht. Mit dieser Struktur können die höchsten Photoströme im Bereich von 2,25 mA/cm2 bis 2,75 mA/cm2 erzeugt werden. Mit den hergestellten Oberflächen lässt sich damit eine kostengünstige Wasserspaltung in Wasserstoff und Sauerstoff rein durch Belichtung mit Sonnenstrahlung durchführen.

Beispiel für die Erzeugung von Mikrostruktur bei galvanisch abgeschiedenem Kupfer je nach Wahl der Bearbeitungsart (Bild: Kurniawan)

 

Datengewinnung und -nutzung

Prozessanalytik in der­chemischen Metallabscheidung

Dr. Andreas Walter von der Robert Bosch Semiconductor Manufacturing Dresden GmbH, befasst sich mit der Prozessanalytik bei der chemischen Metallabscheidung zur Herstel­lung von Halbleiterbauelementen. Für Halbleiterbauelemente wird in breitem Umfang Kupfer für die Leiterbahnen abgeschieden, aber auch Zinn-Silber beispielsweise zur Erzeugung von Kontaktpunkten oder Nickel-Palladium und Gold für Kontaktflächen.

Einsatz unterschiedlicher Verfahren zur Metallabscheidung für Halbleiter (Bild: A. Walter)

 

Als Basismaterialien für derartige Bauelemente dienen vor allem metallisiertes Silizium sowie Kupfer und verschiedene Aluminiumlegierungen. Um die gewünschten Leiterverläufe zu erhalten, werden zwischen Abscheidevorgängen Strukturierungen unter Einsatz von Lacken, Belichtungen und Entwicklungsstufen durchgeführt. Die chemische Abscheidung wird gewählt, da mit dieser Verfahrenstechnik eine erzeugte Strukturierung einfach und genau verstärkt werden kann und insgesamt weniger Prozessschritte bei der Fertigung erforderlich sind. Notwendig sind hocheffiziente Reinigungsschritte und Akti­vierungen der zu beschichtenden Flächen­elemente.

Die Schichten der chemischen Metallabscheidung werden vor allem zur Gewährleistung der Kontaktierung (Bereich Packaging) beim Löten und Bonden, für ohmsche Kontakte auf Halbleiterwerkstoffen und zwischen Chip-Lagen oder für die Erzeugung der Keimschicht für eine galvanische Abscheidung von Leiter­wegen genutzt. Chemische Nickelabscheidung dient auch dazu, vorhandene Kupfer­leiter zu umhüllen, um eine Oxidation des Kupfers sowie eine unerwünschte Diffusion zwischen Metalllagen zu verhindern. Der Schutz vor Oxidation und Diffusion wird vor allem aufgrund steigender Einsatztemperaturen, beispielsweise bei Fahrzeugen mit derzeitigen Temperaturgrenzen von etwa 175 °C, immer wichtiger.

Um die erforderlichen Eigenschaften der chemisch abscheidenden Elektrolyte über lange Zeit gewährleisten zu können, ist eine umfangreiche Prozesskontrolle unumgänglich. Die exakte Prozesskontrolle ist sowohl bei den zur Abscheidung eingesetzten Elektrolyten notwendig als auch bei den Ätzlösungen zur Durchführung der Strukturierung oder auch den Passivierungen der erzeugten Leiterwege. So können ­beispielsweise Schwankungen in der Zusammensetzung der Ätzlösungen zur Erhöhung der ­Rauheit der Schichten führen, wodurch wiederum die Haftung der Metallschichten negativ verändert wird. Des weiteren verändert zum Beispiel die Elektrolyttemperatur oder der pH-Wert des Elektrolyten die Abscheiderate, wodurch die Dickensteuerung der Schichten erschwert wird. Entscheidend für die Abscheidung auf den sehr kleinen Strukturen ist darüber hinaus die Strömung der eingesetzten Aktiv­medien. Die Flüssigkeitsströme spiegeln sich direkt in den abgeschiedenen Schichtdicken, so dass diese ein direktes Maß für die Qualität der Strömung darstellt.

Für die Prozesskontrolle werden unterschiedliche Analyseanlagen eingesetzt, die neben der reinen Messung auch die Korrektur der Systeme, zum Beispiel durch Zudosierung von Ergänzungen oder Nachjustierung des pH-Werts, vornehmen. Der Umfang der Messungen und Korrekturen richtet sich nach der Art der geprüften Elektrolyte und Aktiv­lösungen. Inzwischen werden zunehmend alle Anlagenteile durch Kennwerte erfasst, um damit frühzeitig Hinweise auf eventuelle Abweichungen bei der Funktion der Produktionsanlagen zu erhalten. Alle erhaltenen Messwerte werden in Prozessregelkarten aufgenommen und liefern damit einen sehr guten Überblick über langfristige Prozessverläufe.

Protective Maintenance

Frank Benner, B+T Unternehmensgruppe, Hüttenberg, entwickelt und nutzt in seinem Unternehmen modernste Datentechnologie, wie zum Beispiel KI oder maschinelles Lernen in steigendem Maße zur Unterstützung der vorausschauenden Wartung. Entstanden ist diese Vorgehensweise aus der seit längerem steigenden Anzahl von Elementen zur Messwerterfassung und der daraus entstandenen Sammlung in unterschiedlichen Datenpoolen. Zur Unterstützung der für die Wartung notwendigen Arbeiten eignen sich nach Aussage von Frank Benner neben Messwerten auch Bilder und vor allem auch ­Kennwerte zur Endqualifizierung von Produkten. Entschei­dend für die Auswertung von gesammelten Daten sind die Programmierung und Anpassung von Algorithmen, was nach Aussage des Vortragenden relativ schwierig werden kann. Insbesondere müssen schließlich die erhaltenen Daten oder Aussagen der KI dem Mitarbeiter verständlich vermittelt werden und bei diesem zu der notwendigen Aktion beitragen oder führen.

Die vorausschauende Wartung zieht sinnvollerweise zukünftige Daten mit Blickrichtung auf anstehende Produktionsfolgen von anstehenden Kundenaufträgen mit ein. Durch die aktuellen Herausforderungen zur Energieeinsparung weitet sich der Bedarf für eine vorausschauende Fertigungsplanung auf neue Eckpunkte aus, wie beispielsweise die Limitierung von Strom-Spannungs-Spitzen. Hier hilft zum Beispiel eine verstärkte Wartung von Kontakten in der Galvanikfertigung, da diese häufig verstärkt auf den Spannungsverlauf einer Anlage wirken. Ähnliche Effekte weisen auch auf eine zum Teil deutliche Variation der Zusammensetzung von Elektrolyten hin, die Schädigung von Anoden oder ungenügende Füllung von Anodenkörben sowie die Belegung von Elementen der Heizung/Kühlung.

Vernetzte Produktion mit Datenströmen aus externen und internen Quellen (Bild: F. Benner)

 

Der Ausgang für eine derartige Unterstützung durch modernste Datentechnologie ist eine umfangreiche Zuordnung von Anlagengrößen und deren Wirkung auf das Endprodukt Beschichtung. Durch diesen Ansatz wird es möglich, beispielsweise Temperaturen von Aktivpositionen gegenüber dem üblichen Einsatz so zu verändern, dass sich dadurch Energie einsparen lässt, ohne die Qualität der Produkte zu verschlechtern. Ähnliche positive Effekte lassen sich durch Berücksichtigung von zukünftigen Wetterverläufen gewinnen. Durch entsprechende Anpassung, zum Beispiel durch Einplanung von längeren Aufheizzeiten bei kaltem Wetter oder Vorbereitung von Filtern auf verstärkten Pollenflug, lassen sich Produktionsabläufe ebenfalls optimieren.

Den Erfahrungen Frank Benners zufolge, ist der Aufwand zur Installation einer umfangreichen Überwachung und Unterstützung durch moderne Datentechnik groß, doch erwachsen daraus betriebswirtschaftliche, organisatorische und technische Vorteile, die den Aufwand gerechtfertigt erscheinen lassen. Vor allem wird es durch den Einsatz von modernen Technologien möglich, junge Nachwuchskräfte für die Oberflächentechnik zu begeistern und damit deren Zukunftsfähigkeit zu verbessern.

Datenverfolgung und Prozessregelung

Der Bereich des internen Anlagenbaus, für den Dr. Milan Pilaski bei der Robert Bosch Manufacturing Solutions GmbH, Stuttgart, tätig ist, ist der Sondermaschinenbau für den Bosch-Konzern; er ist damit für unterschiedliche Anfragen zur Produktionstechnik und Automatisierung zuständig. Das Arbeitsgebiet des Vortragenden deckt schwerpunktmäßig Anlagen für das Umformen, ­Trennen, Verbinden und die Oberflächentechnik ab. Eingeschlossen sind Verfahren und ­Anlagen zur Handhabung, zum Messen/Prüfen und zur Bilddatenauswertung. Außerdem kommen verschiedene digitale und intelligente Lösungen wie Zustandsüberwachung/Alarmierung, Datenanalyse, Vorhersage oder intelligente Prozessoptimierung zur Anwendung.

Als Beispiel für eine Anlagentechnik mit Datenverfolgung ging der Vortragende auf eine Wendekasetten-Verchromungsanlage ein, die in einer standardmäßigen ­Fertigungshalle steht. Die vollständig gekapselte Anlage stellt Anker und Innenpole für Einspritzsysteme für Motoren her. Mit dieser Anlage werden in einem Arbeitsdurchgang 104 Bauteile selektiv verchromt. Durch Einsatz von ­Wendekasetten ist während der Beschichtung ein Be- und Entstücken der Anlage möglich. Dieses Verfahren zeichnet sich durch eine hohe Produktionsgeschwindigkeit bei vollständiger Abschirmung gegen Emission von Chemikalien, einen geringeren Wasserverbrauch und vor allem eine 100-%-Kontrolle der Ergebnisse aus. Zudem wird bei jedem zu beschichtenden Bauteil der Strom über einen eigenen Gleichrichter geregelt und ist mit einer eigenen Anode versehen.

Die in der Anlage vorhandenen Daten werden in das zentrale Produktionsnetzwerk gegeben und sind so für die spätere Nutzung verfügbar, um bei eventuellen ­Feldausfällen verfügbar zu sein. Sie eignen sich zudem zur prinzipiellen Optimierung der Fertigung, da die Ergebnisse den Verlauf über die Zeit abbilden, aber auch zur Korrelation auftretender Fehler herangezogen werden können. Die automatisierte Sichtprüfung lässt auch erkennen, ob beispielsweise bestimmte Positionen oder Bereiche der Wechselkasette Fehler erzeugen.

Aufbau der Anlage für das Verchromen in Wendekasetten sowie der Weg der Werkstücke durch die Anlage (Bild: M. Pilaski)

 

Das System ist darauf konzipiert, eine auto­matische Schichtdickenregelung mit den Werten für aufgebrachten Strom und Spannung der verwendeten Gleichrichter vorzunehmen. Die Messung der Schichtdicke erfolgt mittels X-Ray und nutzt die erhaltenen Ergebnisse für eine automatische Nachregelung der Stromstärke und Beschichtungszeit. Durch die Nutzung der Technik konnte der Ausschuss von etwa 1,2 % auf etwa 0,2 % verringert werden.

Ein ähnliches Anlagenkonzept wurde für das Anodisieren von Aluminiumbauteilen eingesetzt. Mit der Anlage kann in Reaktortechnik selektiv anodisiert werden. Die aus Modulen aufgebaute Anlage in vollständiger Kapselung weist eine Kapazität von bis zu zwei Millionen Beschichtungen pro Jahr auf. Durch die Möglichkeit, Einzelmodule bei laufendem Prozess umzurüsten, können bis zu 30 Produkttypen in zehn verschiedenen Geome­trien bearbeitet werden.

Automatisierung und Robotik

Mensch-Maschine-Interaktion

Die Chancen und Herausforderungen der Integration von Mensch mit cyber-physischen Systemen am Beispiel der Oberflächentechnik ist das Thema von Dr. Franziska Bocklisch, TU Chemnitz, Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik. Die Referentin wies dabei darauf hin, dass der Mensch bei den wichtigen Technikthemen der Zukunft im Mittelpunkt stehen müsste. Um dies zu erreichen, ist es notwendig, die Technik so anzupassen, dass der Mensch von den neuen Techniksystemen zum Nutzen des gesamten Systems unterstützt wird. Die Informationsverarbeitung besteht sowohl beim Menschen als auch bei Maschinen aus den Schritten Informationsaufnahme, Verarbeitung der Informationen und einer sich daraus ergebenden Handlung. Die Informationsverarbeitung wird hierbei von Kenntnissen aus der Vergangenheit oder allgemeinen Kenntnissen sowie der Leistungsfähigkeit der Informationsverarbeitung beeinflusst. Zugleich ist beim Vergleich zwischen Mensch und Maschine zu berücksichtigen, dass sich die Leistungsfähig­keit beziehungsweise die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung deutlich unterscheiden. Hieraus wächst die Erkenntnis, dass für eine optimale Zusammenarbeit ein deutlicher Nachholbedarf auf dem Weg zur Teamarbeit besteht.

Analyse eines Arbeitsprozesses mit mehreren Entscheidungskriterien am Beispiel des atmosphärischen Plasmaspritzens (Bild: F. Bocklisch)

 

Für die Verbesserung der Zusammenarbeit werden im ersten Schritt die unterschiedlichen Ebenen der Handlung von Mensch und Maschine aufgeschlüsselt. Unterschieden wird in mehr oder wenig automatisiert ablaufende Vorgänge bis hin zu bewusst und mit umfangreichen Kenntnissen verbundene ­Tätigkeiten.

Nach diesen Prinzipien werden Arbeitsprozesse, zum Beispiel das thermische Spritzen, zerlegt und in einzelne Folgeschritte aufgegliedert. So wird als Eingangsgröße beispielsweise der Plasmafluss herangezogen und dessen Einfluss auf Zielgrößen wie Mikrostruktur, Gebrauchseigenschaften der Schicht und Ressourceneffizienz bestimmt. Diese Verbindungen sind die Eingangsgrößen für eine künstliche Intelligenz, die aus den unterschiedlichen Zusammenhängen die optimale Möglichkeit zur Durchführung des Arbeitsprozesses auswählt, um alle gewünschten Kriterien für das zu erreichende Endergebnis bestmöglich abzudecken. Diese Arbeitsgrößen würde eine KI als Arbeitsgrößen für einen Anlagenbediener ausgeben. Damit wäre auch ein ungeübter Bediener in der Lage, eine Anlage wie ein erfahrener Nutzer zu bedienen. Neben dem thermischen Spritzen wurde von der Vortragenden auch das galvanische Beschichten in einer gängigen Galvanikanlage untersucht.

Handlingsysteme zur ­Hochgeschwindigkeitsabscheidung

Tim Bergmann, Bosch Manufacturing Solutions (BMG), stellte den Einsatz von leistungsfähigen Handlingsystemen für die galvanische Hochgeschwindigkeitsbeschichtung vor. Derartige Systeme werden neben dem Galvanisieren zum Anodiseren und Lackieren eingesetzt. Zu den Charakteristika der Technologie zählen die Bearbeitung von hohen Stückzahlen in kompakter Geometrie, die Möglichkeit zur partiellen Beschichtung sowie ein hoher Automatisierungsgrad einschließlich umfangreicher Datenerfassung. Die Anlagen sind darüber hinaus voll gekapselt, mit Versorgungs- und Messtechnik ausgestattet und besitzen eine kontinuierliche Überwachung der Prozessparameter. Sie erfüllen die Anforderungen der DIN EN 17059 (galvanische Anlagen), AwSV (Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen) und WHG (Wasserhaushaltsgesetz) und sind mit dem CE-Zeichen versehen.

Im Einsatz sind Anlagen für das Verchromen von Einspritzpumpen oder das partielle Anodisieren von Bremskraftverteilern aus Aluminium. Eine weitere Anlage mit vergleichbarem Aufbau und Ausstattung ist für das partielle Vernickeln mit Innenbeschichtung von Zündkerzengehäusen im Einsatz. Die entstandene Anlage für das Verchromen von Einspritzventilkomponenten ist voll verkapselt und – wie stets bei derartigen Einrichtungen für größere Produktionshallen gefordert – sie benötigt eine relativ geringe Stellfläche von lediglich etwa 150 m2, ist also sehr kompakt ausgeführt. Die Kapazität liegt bei etwa 80 000 Beschichtungsvorgängen pro Tag. Die Anlage für das Anodisieren von Bremskraftverteilern aus Aluminium hat einen Flächenbedarf von etwa 200 m2 und eine Kapazität von 1,8 Millionen Stück pro Jahr.

Vollautomatisches Bestücken der Warenträger zur Zündkerzenbeschichtung (Bild: T. Bergmann)

 

Für die Beschichtung der Zündkerzen wurde ein System aus Warenträger mit Grundrahmen gewählt, bei denen die zu beschichtenden Teile auf Leisten angebracht sind. Damit lassen sich bei einer Abmessung des Warenfensters von 1200 mm x 700 m 144 Bau­teile pro Warenträger bearbeiten. Daraus ergibt sich eine Taktzeit von etwa zwei Sekunden pro Bauteil. Die Einzelteile werden beim Einsetzen der Leisten auf ihre Kontaktierung durch Aufbringen eines Prüfstroms getestet; so wird die Sicherheit des Beschichtungsprozesses gewährleistet.

Qualitätsbezogene ­Regelungen galvanischer Anlagen

Im letzten Beitrag der Vortragsreihe über Automatisierung und Robotik richtete Dr.-Ing. Peter Schwanzer, Fraunhofer-Institut IPA, Stuttgart, seinen Blick auf die Ergebnisse zur Rückführung von Analytikdaten beziehungsweise der Anlagensensorik auf die Schicht­eigenschaften, um damit zu einer qualitätsbezogenen Regelung galvanischer Anlagen zu kommen. Anlass für die durchgeführten Untersuchungen ist der Ansatz, einen optimalen Betrieb durch Regelung und Steuerung der chemischen Einflüsse und Anlagenparameter im Hinblick auf das Beschichtungsergebnis zu erreichen. Dazu müssen die in der Regel vorliegenden Daten so verknüpft werden, dass daraus eine gezielte Einstellung der Kennwerte der Beschichtung möglich wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass durch mehr oder weniger große Zeiträume zwischen Analyseschritten ein unvollständiger Datensatz vorliegt.

Lerngalvanik des Fraunhofer IPA mit Trommel­aggregat (Bild: P. Schwanzer)

 

Durch Einsatz künstlicher Intelligenz beziehungsweise maschinellen Lernens entsteht ein Programm, das alle verfügbaren Daten (Tabellen, Bilder, Text, Audiodaten) für eine derartige, automatisierte Unterstützung einer Fertigung liefert. Einfach zu erhalten sind in der Regel reine Anlagendaten, wie die Abfolge oder Fahrgeschwindigkeit für Fahrwagen, aber auch der Kennwert der Gleichrichter und die Temperatur. Darüber hinaus können durch chemische Analyse Angaben zum Zustand von Elektrolyten wie pH-Wert oder Konzentrationen ergänzend beigefügt werden. Durch die Zusammenstellung der Daten werden oftmals Zusammenhänge sichtbar, beispielsweise Lücken bei der Datenerfassung, die wiederum Hinweise auf Optimierungsansätze liefern.

Grundansatz für die Nutzung des maschinellen Lernens in der Lerngalvanik desFraunhofer IPA (Bild: P. Schwanzer)

 

Die Beschichtung in einem sauren Zinkelektrolyten mit Passivierung ist ein Beispiel, an dem mit Hilfe der Lerngalvanik des IPA entsprechende Erkenntnisse gewonnen wurden. Vorteilhaft bei der Nutzung der Lerngalvanik ist, dass in die Datensammlung umfangreiche Analyseergebnisse zu den Abscheidesystemen und den Beschichtungen einfließen können.

Neben den von Peter Schwanzer primär vorgetragenen, interessanten Erkenntnissen in Bezug auf Beschichtungsergebnisse eignet sich das System auch zur Vorhersage von Beschichtungsanomalien. In durchgeführten Versuchen konnte im Hinblick auf Schichtdicken und Glanzgrad eine gute Vorraussagequalität aus der KI erhalten werden.

Im nächsten Schritt arbeiten die Forschenden daran, die gewonnenen Ergebnisse auf die Praxis hoch zu skalieren, wobei vor allem auf den Einsatz von maschinellem Lernen als Potenzial zur Optimierung der galvanischen Beschichtung gesetzt wird.-wird fortgesetzt-


Text zum Titelbild: Katja Feige eröffnete das 44. Ulmer Gespräch im Maritim Hotel in Ulm

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