Kunststoffgranulate locker trocknen

Werkstoffe 06. 08. 2023
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Wer sich mit Trocknung in seinen Prozessen beschäftigt, weiß, dass die Temperatur eine wichtige Rolle spielt. Bei sensiblen Materialien wie Kunststoff ruft Hitze ungewollte Veränderungen oder gar Beschädigungen hervor. Ein renommierter Werkstoffhersteller hat nun eine Trocknung gefunden, die seine Granulate in großen Mengen bis zum gewünschten Grad trocknet und sie dabei vollkommen intakt bleiben.

Diverse Trocknungsverfahren hatte ein renommierter Hersteller von Polymer-Werkstoffen für die Entfeuchtung seiner Granulate getestet. Die Granulate werden zu verschiedenen Produkten weiterverarbeitet, die in der Medizintechnik und in der Automobilindustrie ihren Einsatz finden. Für die jeweiligen Fertigungsprozesse benötigen die Granulate Restfeuchten von unter 3 % beziehungsweise teilweise auch unter 1 %. Das an sich ist schon eine große Herausforderung. Nun zeigte sich jedoch bei Versuchen mit diversen Verfahren, dass die Granulate beim Trocknen nicht nur feucht blieben, sondern auch noch verklumpten. Das war für den weltweit operierenden Hersteller natürlich nicht tragbar. Mit der Kondensationstrocknung auf Wärmepumpenbasis fand der Chemiespezialist nun eine ideale Lösung für seine Anforderungen.

Schüttgüter erfolgreich zu trocknen ist eine der besonderen Errungenschaften, die dem Trocknungsanlagenbauer Harter bereits vor über 20 Jahren nach intensiver Entwicklung gelungen ist. Hunderte von Schüttguttrocknern hat Harter seitdem entwickelt und rea­lisiert. Und immer wieder gibt es neue Aufga­benstellungen von Kunden, die das motivationsfreudige Unternehmen aus Stiefenhofen im Allgäu annimmt. Die Möglichkeiten seiner selbst entwickelten Technologie in Bezug auf neue Produkte testet Harter jeweils vorab in seinem hauseigenen Technikum.

Mit Versuchen ans Ziel

Seit Beginn unserer Tätigkeit hat es sich als sinnvoll erwiesen, die zu trocknenden Produkte auf ihre Trocknungseigenschaften zu testen, erläutert Jonas List vom technischen Vertrieb bei Harter. Dabei gehe es tatsächlich auch immer wieder um die ­grundsätzliche Frage, ob das Produkt unter den geforderten Kriterien überhaupt trockenbar ist, wie er weiter ausführt. Bei den Trocknungsversuchen werden die relevanten Parameter wie Zeit, Temperatur, Feuchte, Luftvolumenstrom, Luftgeschwindigkeit und Luftführung in verschiedenen Varianten getestet. Auf diese Weise ermittelt Harter die technisch beste Lösung für das zu trocknende Produkt. Das schafft Sicherheit für die Interessenten, die richtige Technologie und den richtigen Partner gefunden zu haben. Im Fall der Kunststoffgranulate wurden zusätzlich Versuche beim Hersteller vor Ort mittels einer Leihanlage durchgeführt. Nachdem die hochsensiblen Kunststoffgranulate durch den Transport zum Trocknerhersteller bereits leicht verklumpt wurden, war dies notwendig, um ein hundertprozentig reales Ergebnis der Trocknung abbilden zu können. Es zeigte sich, dass die Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe in der Lage war, die geforderten Restfeuchten zu erreichen und die große Menge Schüttgut homogen zu trocknen. Der Weg für eine Investition war frei.

Das Verfahren von Harter kann in den unterschiedlichsten Varianten umgesetzt werden – in Batchtrocknern wie Kammertrockner, Trommeltrockner, Hordentrockner, Gestelltrockner oder auch kontinuierlichen Varianten wie Durchlauf- oder Bandtrockner. Aufgrund der großen Menge an ­Kunststoffgranulaten fiel die Entscheidung auf einen Kammertrockner mit zwei fahrbaren Containern. Der Kammertrockner besteht aus einem Entfeuchtungsaggregat und einer Trockenkammer. Das Entfeuchtungsaggregat bereitet die erforderliche Prozessluft auf, die Trockenkammer nimmt den Container samt Trocknungsgut auf. Der Container hat ein Volumen von 1,5 m3. Der Kammertrockner ist mit einer SPS-Steuerung ausgestattet, in der die verschiedenen Rezepte hinterlegt sind, die der Kunde, je nach Granulattyp, abruft und aktiviert.

1,5 m3 Kunststoffgranulat werden innerhalb von sechs Stunden bei 40 °C homogen auf eine Restfeuchte von weniger als 3 % getrocknet

 

Die in Form und Größe unterschiedlichen Kunststoffgranulate werden in Big Bags auf einem erhöhten Gestell gelagert. Ein Mit­arbeiter positioniert einen Trocknungscon­tainer darunter und schüttet das Granulat von dort aus direkt in den Trocknungscon­tainer ab. Anschließend schiebt er den Wagen in die Trockenkammer und startet die Trocknung. Ein Feuchtesensor gibt an, wann der geforderte Trockenstoffgehalt erreicht ist, woraufhin sich der Trockner automatisch abschaltet. Der Container wird aus der Kammer entnommen, mit Hilfe einer Kippvorrichtung entleert und das trockene Granulat der Weiterverarbeitung zugeführt. Währenddessen wird der zweite Container mit Granulat befüllt. So sind beide Trocknungscontainer abwechselnd im Einsatz.

Die vom Kunden geforderte Temperaturgrenze für die Trocknung liegt bei maximal 40 °C und ist bis dahin variabel einstellbar, ebenso der Luftvolumenstrom. Beide Parameter werden je nach Typ des Granulats entsprechend angepasst. Überdies ist der Kammertrockner mit einem Acetonsensor ausgestattet. Befindet sich zu viel Lösemittel in der Prozessluft, schaltet die Anlage automatisch ab. Die Wasserentzugsleistung liegt in etwa bei 840 kg pro 24 Stunden. Natürlich hängt sie stark von der Art des Granulats und dessen Feuchtegehalt ab und variiert dadurch.

Entfeuchtung mit trockener Luft

Um diese großen Erfolge zu erzielen, nutzt Harter einen physikalisch alternativen Ansatz für seine Trocknung. Die Kondensationstrocknung mit Wärmepumpe basiert auf einer perfekten Kombination aus hocheffizienter Luftentfeuchtung und gezielter Luftführung. Extrem trockene und damit ungesättigte Luft wird über beziehungsweise durch die zu trocknenden Produkte geführt. Physikalisch bedingt nimmt diese dabei in kurzer Zeit die vorhandene Feuchtigkeit auf. Zurück im Entfeuchtungsmodul wird diese Luft in zwei Stufen gekühlt, das Wasser kondensiert aus. Die Luft wird wieder zweistufig erwärmt und im Kreislauf zurück in den Trockner geführt. Der Kreislauf ist lufttechnisch und damit energetisch geschlossen. Der Trocknungszyklus ist dadurch nahezu emissionsfrei. Die Trocknungssysteme von Harter arbeiten im Niedertemperaturbereich, je nach Produkt und Prozess, in einem definierten Temperaturbereich von 20 °C bis 75 °C. Temperierungsstufen und Kühlbausteine sind ebenfalls möglich.

Wichtige Kenngrößen, die für die Trocknungstechnologie von Harter sprechen

 

Wie List erläutert, ist die trockenste Luft für diesen Prozess nicht wirklich nutzbar, wenn sie nicht dorthin geführt wird, wo sie die Feuchte aufnehmen soll. Der Luftstrom verläuft stets den Weg des geringsten Widerstands. Diesen in die richtigen Bahnen zu leiten, ist essentiell für den Trocknungserfolg. Das gilt für die Trocknung von Schüttgütern ganz besonders. Harter ist es bereits 1996 gelungen, Schüttgüter ganz statisch oder mit minimaler Intervallbewegung in Trommeln und Körben vollständig und schonend zu entfeuchten. Die Trocknung von industriellen Schlämmen gehört ebenso zum Portfolio des Allgäuer Unternehmens. In der so wichtigen Luftführung liegen drei Jahrzehnte Erfahrung, die Harter aus Gründen des Know-hows nicht näher erläutern möchte.

Prozesssicherheit und Fördergelder

Die Wärmepumpentechnologie bietet eine breite Palette an Vorteilen für die Betreiber. Die Effizienz dieses Verfahrens steht mit Sicherheit an erster Stelle. Effizienz in puncto Qualität – endlich sind die eigenen Produkte trocken. Der Prozess ist reproduzierbar und bietet somit ein Maximum an Sicherheit. Und Effizienz in puncto Energie – ein essentielles Thema in der heutigen Zeit. Wer in die Harter-Technologie investiert, darf mit staatlicher Unterstützung rechnen. Bereits 2017 wurde diese Art der energie- und CO2-sparenden Trocknung in Deutschland als förderwürdige Zukunftstechnologie eingestuft. Auch Kunden aus der Schweiz und Österreich erhalten Fördergelder bis zu 40 % der Gesamtkosten. Für den Werkstoffhersteller war dieses Pilot­projekt ein großer Erfolg. Da er seine Produktion ausbauen wird, wird er demnächst in weitere Trockner dieser Art investieren.

Text zum Titelbild: Beispiel für zu trocknendes Kunststoffgranulat

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