Neue Dünnschicht-Messverfahren für Hochvakuum- und Hochtemperaturprozesse

Oberflächen 07. 08. 2023
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Wie das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP mitteilt, ist es ihm in Zusammenarbeit mit der Suragus GmbH innerhalb des vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) geförderten Projekts HotSense (Förderkennzeichen 100547507/4102) gelungen, kontaktlose In-situ-Messungen unter Hochvakuumbedingungen bei Temperauren von bis zu 220 °C zu realisieren. Somit können Messungen des Schichtwiderstands, der Schichtleitfähigkeit oder der Metallschichtdicke direkt nach heißen Schichtabscheide- oder Schichtmodifizierungsprozessen prozessnah mittels berührungsloser Hochfrequenzwirbelstrommessung durchgeführt werden. Auch wurden die Grundlagen für die Prozesscharakterisierung im Bereich von 450 °C bis 600 °C gelegt.

Dünne, funktionale leitfähige Schichten mit passgenauen Eigenschaften sind nicht immer augenscheinlich, kommen aber in einer großen Breite von Anwendungen vor. Dazu gehören zum Beispiel schaltbare oder energieeffiziente Fenstergläser, diverse Arten von Solarzellen, Batterien, Halbleiter-Chips (ICs) und Touchscreens. Die sehr dünnen Funk­tionsschichten tragen mit ihren speziellen ­Eigenschaften maßgeblich zur Funktionalität, Lebensdauer und Leistung ihrer Endanwendungen bei. Die Beschichtungsprozesse zur Abscheidung solcher Dünnschichten finden meist im Hochvakuum und unter hohen Prozesstemperaturen statt.

Auch Temperprozesse zur gezielten Einstellung von Schicht- und/oder Substrateigenschaften benötigen mehrerer Hundert Grad Celsius. Direkte Messungen unter anderem des Schichtwiderstands dienen dabei der Prozesskontrolle und Stabilisierung. Bisherige Messverfahren für die kontaktlose elek­trische In-situ-Charakterisierung von solchen Vakuumbeschichtungen sind nur bis zu einer Temperatur von 65 °C möglich, was einen effizienten Anlagenbetrieb durch ­prozessnahe Messung und Prozessregelung verhindert. Diese Grenze wurde nun deutlich erweitert, so dass die In-situ-Schichtcharakterisierung nun direkt im Hochtemperaturprozess beziehungsweise prozessnah und berührungslos erfolgen kann.

Das Fraunhofer FEP in Dresden hat langjährige Erfahrung und umfassendes Know-how auf dem Gebiet der Oberflächentechnik für stationäre und Sheet-to-Sheet- sowie Rolle-zu-Rolle-Prozesse. Um eine hohe Qualität und Funktionalität der Beschichtungen zu gewährleisten, ist eine Charakterisierung und Überwachung der Prozessschritte in-situ, das heißt während der ­Beschichtungsprozesse, erforderlich. Insbesondere bei Vakuumprozessen sind kompatible Echtzeit-Messungen, beispielsweise des Schichtwiderstands, eine Herausforderung, aber erforderlich, um kontaminationsfreie und reproduzierbare Beschichtungsergebnisse zu ermöglichen.

Die Suragus GmbH, Dresden ist ein Spezialist für berührungslose Schicht- und Material­charakterisierung mittels Hochfrequenzwir­belstromsensorik. Das Unternehmen beschäftigt circa 50 Mitarbeitende und erweitert kontinuierlich die Einsatzfelder für die angewandte induktive Messtechnik.

Entwicklung neuer In-situ-Mess­verfahren für hohe Prozesstemperaturen

Das vom SMWA geförderte Projekt ­HotSense sollte diese Lücke schließen. Die Projektpartner Suragus und Fraunhofer FEP untersuchten hierfür Messverfahren für die berührungslose In-situ-Charakterisierung des elektrischen Widerstands dünner Schichten unter Hochvakuum- und Hochtemperaturanforderungen. Nach zwei Jahren gemeinsamer Entwicklung ist es den Forschern gelungen, das Messverfahren bei erhöhter Temperatur bis 220 °C zu realisieren, womit eine Schichtcharakterisierung auch bei geheizten Prozessen möglich ist.

Gemessen wird der Schichtwiderstand bei Beschichtungsprozessen unter Vakuumbedingungen, um eine Oxidation während des Temperns zu vermeiden. Zusätzlich wurde im Versuchsaufbau der Messkopf deutlich verkleinert, wodurch sich weitere Anwendungsfelder in Applikationen mit begrenztem Bauraum eröffnen.

Mit diesem kontaktlosen Messverfahren zur Überwachung von geheizten Beschichtungs- oder Temperprozessen können Kunden ihre Prozesse, Qualität und die Betriebskosten von Anlagen optimieren. Damit werden Messungen in vielen weiteren Anwendungen und Anlagentypen möglich.

Anwendungsnaher Messaufbau mit verkleinertem Sensorkopf

Projektleiter Thomas Preußner vom Fraunho­fer FEP führt aus: Wir haben gemeinsam einenMessaufbau unter ­anwendungsnahen Bedingungen geschaffen und bei unterschiedlichen Temperaturen untersucht. Das Fraunhofer FEP habe hier auf das umfangreiche Wissen zum Widerstands-Temperaturverhalten dünner Schichten bis 600 °C zurückgreifen können. Mit den Ergebnissen aus dem Zusammenhang zwischen Temperatur und Messsignal habe Suragus einen ­Algorithmus entwickelt. Wir haben den Versuchsaufbau außerdem mit unseren Kenntnissen zum Einfluss von Kristallisation und Phasenänderungen von transparenten leitfähigen Oxiden (TCOs) während des Temperverfahrens unterstützt, so Thomas Preußner.

Die Entwickler bei Suragus brachten umfangreiches Wissen zum Messverhalten des Messaufbaus und des Sensors ein. Im Zuge der Entwicklungen wurde der Sensorkopf für die Charakterisierung neu und mit einer Größe von circa 12 x 40 mm2 wesentlich kleiner gestaltet. Der gesamte Messaufbau wurde an der In-line-Sputteranlage ILA 900 zur Beschichtung von Flachsubstraten, unter Reinraumbedingungen, am Fraunhofer FEP erprobt und entwickelt.

Im Ergebnis konnte der neue Messaufbau im Pilot-Maßstab untersucht und charakterisiert werden. Messtechnische Untersuchungen erfolgten zu Drift, Signalstärke, externen Störquellen und dem Verhalten von Sensor, Probe und Temperatur zueinander. Konkret reicht der Widerstandsmessbereich über drei Dekaden und weist eine Reproduzierbarkeit < 2 % auf. Die hier angestrebte Lösung wird im Ergebnis fünf Messdekaden von 0,001 bis 100 Ohm/sq abdecken, was einen Metall­dickenmessbereich von wenigen Nanometern bis einige Mikrometer einschließt.

Seitens Suragus sollen bis Ende 2023 erste kommerzielle Systeme auf den Markt gebracht werden. Das Fraunhofer FEP strebt gemeinsam mit Suragus die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Technologie an, um die Charakterisierung bei noch höheren Temperaturen zu ermöglichen. Beide Projektpartner sind offen für kundenspezifische Untersuchungen.

Text zum Titelbild: Neu entwickelter Messaufbau mit Sensormesskopf zur In-situ-Charakterisierung von Beschichtungsprozessen bei hohen Prozesstemperaturen (© Fraunhofer FEP)

ILA 900 – Vertikale In-line-Sputteranlage zur Beschichtung von Flachsubstraten, unter Reinraumbedingungen, mit einer Magnetronlänge von 900 mm (© Fraunhofer FEP)

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