Elektromobilität: zweites Leben für Elektromotoren

Werkstoffe 09. 02. 2024
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Immer mehr Elektroautos werden genutzt und dementsprechend steigt die Anzahl der produzierten Elektromotoren. Diese werden am Ende ihrer Nutzungsdauer geschreddert und anschließend recycelt. Einzelne Komponenten und Baugruppen können nicht mehr wiederverwendet werden. Nachhaltige Werterhaltungsstrategien, um Elektromotoren im Sinne einer modernen Kreislaufwirtschaft aufzuarbeiten und wiederzuverwerten, fehlen bislang. Im Projekt REASSERT verfolgen Forschende am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA gemeinsam mit Industriepartnern verschiedene Ansätze, welche die Reparatur, Aufarbeitung und erneute Verwendung des Elektromotors ebenso umfassen wie neue Designs für die Kreislaufwirtschaft.

Die Elektrifizierung des Antriebsstrangs schreitet kontinuierlich voran. Die verbauten Elektromotoren enthalten wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, aber auch Seltene Erden-Metalle wie Neodym, auf die China ein Quasi-Monopol hat, und die sich mit aktuellen Recyclingmethoden nicht zurückgewinnen lassen. Hinzu kommt, dass im Vergleich zum Verbrennerantrieb die eingesetzten Rohstoffe mit einer schlechten CO2-Bilanz verbunden sind. Umso wichtiger ist die Verlängerung der Nutzungsphase der Motoren. Nach Meinung von Julian Große Erdmann, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, bieten innovative Werterhaltungsstrategien im Sinne der Nachhaltigkeit ein großes Potenzial zur Reduktion von Emissionen.

Im Projekt REASSERT entwickeln die Forschenden gemeinsam mit der Schaeffler AG (Konsortialführer), dem Karlsruher Institut für Technologie KIT, der BRIGHT Testing GmbH, der iFAKT GmbH und der Riebesam GmbH & Co. KG innovative Methoden, um Elektromotoren aufzuarbeiten und in Fahrzeugen wiederverwenden zu können. Dabei setzen sie auf die Werterhaltungsstrategien ­Re-Use, Repair, Remanufacturing und werkstoffliches Recycling. Diese sind Schlüsselelemente für eine Kreislaufwirtschaft, die es ermöglicht, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu reduzieren und die Abfallmenge zu minimieren. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

Reduktion von Umweltauswirkungen

Derzeit stellt das rohstoffliche Recycling die etablierte Werterhaltungsstrategie dar. Durch manuelles oder automatisiertes Recycling werden besonders Kupfer- und Aluminium­anteile zurückgewonnen. Dafür werden die elektrischen Traktionsmotoren ausgebaut, geschreddert, in die einzelnen Materialfraktionen sortiert und eingeschmolzen. Das so recycelte und mit Verschmutzungen behaf­tete Material kann jedoch nicht mehr für den Einsatz in Motoren genutzt werden; zudem werden einzelne Komponenten und Baugruppen zerstört. Daher sollte Rohstoffrecyc­ling nur als letzte Möglichkeit des Recyclings gewählt und durch die hochwertigen Wert­erhaltungsstrategien Re-Use, Repair, Remanufacturing und werkstoffliches Recycling ersetzt werden. Wir wollen ein Closed-Loop-System gestalten, in dem wertvolle Ressourcen wiederverwendet werden, um unabhängiger von Rohstoffimporten zu werden und die Rohstoffgewinnung zu minimieren, erklärt Große Erdmann. Unter Re-Use verstehen die Projektpartner die Wiederverwendung des kompletten Motors in der Zweitnutzung, unter Repair den Austausch von defekten Komponenten und Baugruppen. Beim Remanufacturing werden alle Bauteile ausgebaut, gereinigt, aufgearbeitet und erneut eingesetzt. Mit diesen Strategien werden nach Ansicht der Forschenden weniger Rohstoffe wie Seltene Erden, Kupfer und sonstige benötigt. Allenfalls können diese noch für Ersatzteile herangezogen werden. Mit dem werkstofflichen Recycling planen die Projektpartner das sortenreine Demontieren des Motors vor dem Schreddern. Welche Werterhaltungsstrategien jeweils angewendet werden sollen, analysieren die Projektpartner anhand von Referenzmotoren für den Pkw-Bereich.

Prozesskette von der Eingangs- bis zur End-of-Line-Prüfung

Im Rahmen des Projekts entsteht eine komplette Prozesskette, wobei jede Station einen eigenen Demonstrator beziehungsweise Versuchsstand erhält – von der Eingangsprüfung für die Klassifikation des Motors über die Demontage, Entmagnetisierung, Reinigung, Befundung der Komponenten, Aufarbeitung bis hin zur Remontage und End-of-Line-Prüfung, wo die Funktionsfähigkeit des Motors untersucht wird. Beispielsweise würde während dieses Prozesses ein Motor­gehäuse mit geringfügigen ­Verschleißspuren für den erneuten Gebrauch eingestuft und gegebenenfalls mit zerspanenden Prozessen aufgearbeitet werden, um die Funktions­fähigkeit zu gewährleisten. Abhängig von der gewählten Werterhaltungsstrategie ­fallen unterschiedliche Prozessschritte und Prozessketten an, wodurch der Aufarbeitungsaufwand variieren kann, so der Forscher. Eine Herausforderung ist beispielsweise die Demontage und Wiederverwendung der in den Motoren verbauten Magnetwerkstoffe. Ein Rotor mit Permanentmagneten lässt sich aufgrund der Beschichtung der Magnete als auch deren Verklebung selbst im manuellen Demontageprozess nur schwer mittels mechanischer Verfahren in seine ­Bestandteile zerlegen. Hier gilt es, zerstörungsarme Demontageverfahren zu etablieren.

Bei der Wahl der jeweils besten Werterhaltungsstrategie hilft auch ein im Projekt entwickeltes KI-Entscheidungstool, das Zugriff auf die Produkt- und Prozessdaten eines Elektromotors hat, die in einem digitalen Zwilling gespeichert sind. Das im Projekt gesammelte Wissen soll für das Design neuer elektrischer Motoren genutzt werden. Ziel ist es, den Prototyp eines Motors für die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, der leicht demontiert werden kann und auf den sich die vier genannten Werterhaltungsstrategien problemlos anwenden lassen.

Text zum Titelbild: Das Projekt REASSERT verfolgt das Ziel, den Prototyp eines Elektromotors für die Kreislaufwirtschaft zu entwickeln (Bild: Schaeffler)

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