Der ZF Geschäftsbereich für passive Sicherheitssysteme hat in Zusammenarbeit mit dem Chemie- und Verfahrenslieferanten Dr.-Ing. Max Schlötter den Prozess der galvanischen Beschichtung auf Chrom(III)systeme umgestellt. Damit ist ein weiterer Schritt beim selbst gesteckten Ziel, kritische Stoffe zu ersetzen, vollzogen und zugleich der Produktionsstandort im süddeutschen Alfdorf für die nächsten Jahre gesichert
Die globale Zentrale von ZF Passive Safety Systems in Alfdorf
Die ZF AG zählt zu den weltweit größten Zulieferunternehmen für die Automobilindustrie. Zu den Geschäftsaktivitäten gehören vor allem Technologien im Bereich der Antriebs- und Fahrwerktechnik sowie der aktiven und passiven Sicherheitstechnik. In der globalen Zentrale von ZF Passive Safety Systems in Alfdorf nahe Schwäbisch Gmünd entwickelt und produziert das Unternehmen mit mehr als 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für nahezu alle Automobilhersteller Insassenrückhaltesysteme, besser bekannt unter dem Begriff Sicherheitsgurt, und alles was dazu gehört. Mit jährlich etwa 40 Millionen Teilen auf dem Gebiet der passiven Sicherheitssysteme rangiert ZF unter den weltweit großen Anbietern.
Sparte der ZF für Sicherheitssysteme in Fahrzeugen
In Personenfahrzeugen sind am häufigsten sogenannte Dreipunktgurte verbaut. Ein Dreipunktgurt verankert das Gurtband an drei Punkten an die Fahrzeugkarosserie. Auf den Fahrersitz bezogen befindet sich der erste Punkt meist im unteren Bereich der B-Säule. Der zweite Punkt ist das Gurtschloss oder ein Schlossstraffer, meist am Fahrzeugsitz. Der Dreipunktgurt wird über eine Schlosszunge an das Gurtschloss angebunden. Der dritte Anbindungspunkt ist der obere Teil der B-Säule. Hier befindet sich in heutigen Fahrzeugen ein Gurtaufroller mit integriertem Höhenversteller, wobei sich dieser Teil meist hinter einer Verkleidung im Innenraum des Fahrzeugs befindet [z. B. 1].
Für solche Sicherheitssysteme in Fahrzeugen werden unterschiedliche Metallteile eingesetzt, an die sowohl sehr hohe Anforderungen bezüglich der mechanischen Festigkeit und Dauerstabilität unter unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen als auch dekorative Anforderungen gestellt werden. Um diese zu erfüllen, werden die verwendeten hochfesten Stähle mit Korrosionsschutzschichten versehen. Diese Metallteile erfahren zudem eine erheblich Reibbelastung, weshalb Kombinationsschichten aus Chrom und Nickel an erster Stelle der in Betracht kommenden Schichtsysteme liegen.
Standort mit langer Tradition
Der Standort von ZF Passive Safety Systems in Alfdorf verfügt über mehrere Jahrzehnte an Erfahrung bei der Herstellung der unterschiedlichen Ausführungen an Sicherheitssystemen für Fahrzeuge, unter anderem unter der Firmierung TRW Repa, bevor der ZF-Konzern 2015 den Sicherheitsexperten übernahm. Die Fertigungstiefe umfasst das gesamte Spektrum der Metallbe- und -verarbeitung sowie Technologien der Kunststoffverarbeitung, insbesondere das Umspritzen der Metallteile mit Kunststoff.
In den ersten Fertigungsschritten entstehen die jeweiligen geometrischen Formen der benötigen Metallteile durch Schneiden und Stanzen aus Flachmaterial. Durch maschinelles Entgraten und Verrunden werden die vorhandenen Schneid- und Stanzkanten mittels Gleitschleifen entfernt. Seit kurzem kann durch neuere Anlagentechniken für das Fliehkraftschleifen in Trommeln eine deutliche Verkürzung der Bearbeitungsdauer erzielt werden. Die Gleitschleifanlagen verfügen zudem über Einrichtungen, um von den bearbeiteten Teilen die vorhandenen Öle und Fette aus den vorhergehenden Arbeitsschritten der Umformung gründlich zu entfernen. Die Entfettung der Stahlteile ist erforderlich, um bei der folgenden Austenitisierung – einer Temperaturbehandlung bei Temperaturen bis zu etwa 880 °C – und anschließenden Umwandlung zur Bildung von Bainit keine unerwünschten Deckschichten auf dem Stahl zu erzeugen. Nach dieser Wärmebehandlung verfügen die Stahlteile über die erforderliche Festigkeit und Zähigkeit für ihren späteren Einsatz in der Sicherheitstechnik.
Nach der mechanischen Umformung und thermischen Behandlung werden Beschichtungen zur Erzeugung der funktionellen und dekorativen Oberflächeneigenschaften aufgebracht. Dafür stehen bei ZF in Alfdorf mehrere vollautomatische Galvanikanlagen zur Verfügung. Die Anlagen sind für die Beschichtung mittels Gestelltechnik mit einem Warenfenster von etwa 3 m x 1,5 m ausgelegt; sie verfügen über alle für die galvanische Abscheidung erforderlichen Prozessstufen – von der Entfettung, Aktivierung über die galvanische Metallabscheidung bis zur Trocknung der beschichteten Teile. Für die Bauteile mit der Endschicht Chrom hat sich eine Zweifachvernickelung aus Mattnickel und Glanznickel bewährt. Als Deckschicht dient Glanzchrom.
Weitere Teile für die unterschiedlichen ZF-Sicherheitssysteme werden zum Schutz gegen Korrosion galvanisch verzinkt. Dafür stehen in Alfdorf ebenfalls Anlagen zur galvanischen Metallabscheidung mit Verfahren von Schlötter zur Verfügung.
Neben Nickel-Chrom werden weitere Teile galvanisch mit Zink beschichtet
Optimale Zusammenarbeit zur Erfüllung der Anforderungen aus REACh
Im Zuge der Umsetzung der Anforderungen aus dem europäischen Chemikalienrecht REACh befasst sich die ZF Alfdorf seit einiger Zeit mit der Einführung von galvanischen Systemen zur Abscheidung von Chrom aus Chrom(III)elektrolyten. Hierzu griff das Unternehmen auf die Kompetenz der Dr.-Ing. Max Schlötter GmbH & Co. KG aus Geislingen zurück, die über eine lange und umfangreiche Erfahrung beim Einsatz von Chrom(III)elektrolyten verfügt.
Schlötter entwickelt und vertreibt zahlreiche Verfahren für die galvanische Abscheidung der meisten kommerziell genutzten Metalle. Sowohl die Verfahren als auch die Anlagentechnik von Schlötter sind seit vielen Jahrzehnten bei der ZF in Alfdorf in breitem Umfang im Einsatz.
Da die ersten Verfahren mit Chrom(III)elektrolyten bereits vor mehr als zehn Jahren in die galvanische Praxis Einzug gefunden haben, standen für die ZF Alfdorf bereits ausgereifte Abscheidesysteme zur Verfügung. Trotzdem sahen es die ZF und Schlötter als sinnvoll an, zunächst erste Versuche zur Abscheidung aus dem System mit deutlich anderen Abscheideeigenschaften als die bisher im Einsatz befindliche Technologie auf Basis von Chrom(VI) in der hauseigenen Versuchsgalvanik durchzuführen. Hierbei zeigte es sich, dass auf dem bei der ZF bewährten Schichtsystem aus Matt- und Glanznickel mit dem neuen Chromverfahren alle wichtigen Eigenschaften erreicht werden.
Im Vordergrund steht dabei der Erhalt der mechanischen Eigenschaften, insbesondere die sichere Vermeidung einer Wasserstoffversprödung. Produktionsbegleitende tägliche Zugversuche an beschichteten Teilen im Werk in Alfdorf gewährleisten, dass diese Anforderungen erfüllt werden. Das Thema Wasserstoffversprödung ist für die Bauteile der ZF Alfdorf ein entscheidender Punkt, was sich auch daran zeigt, dass der Unternehmensbereich aktiv an der Entwicklung des von Schlötter in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen iChemAnalytics angebotenen, automatisierten Verfahrens zur produktionsbegleitenden Prüfung auf Wasserstoffversprödung beteiligt war [2].
Des Weiteren muss eine Korrosionsbeständigkeit von mindestens 50 Stunden gemäß des Korrosionstests ZF TS 548 (SST) eingehalten werden und die Farbe muss nahe an der von Oberflächen aus Chrom(VI)verfahren liegen. Kriterium sind die Farbwerte gemäß LAB-System: Für Schichten aus dem Chrom(III)elektrolyten werden b-Werte von -0,8 bis -0,2 und L-Werte > 81 erzielt. Damit liegt kein sichtbarer farblicher Unterschied zwischen Chrom(III)- und Chrom(VI)schichten vor. Zu vermerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Fremdstoffanteil der Chromschicht unter zwei Prozent liegt; er beschränkt sich auf enthaltenen Kohlenstoff und Schwefel.
Neben den Schichteigenschaften spielen bei der Einführung eines neuen Abscheidesystems die Anforderungen an die Anlagentechnik sowie die Behandlung der anfallenden Abfälle – in der Regel die Spülwässer – eine wichtige Rolle. Während beim Verfahren SLOTOCHROM BC 4130 die empfohlene Stromdichte mit etwa 5 A/dm2 bis 6 A/dm2, einer Arbeitstemperatur von 53 °C sowie einer Abscheidespannung von etwa 7 V kaum Unterschiede zum bisherigen Elektrolyten (Chrom(VI)) bestehen, sind für den Betrieb auf den Elektrolyten angepasste Anoden erforderlich, sogenannte Metall-Mischoxid(MMO)-Anoden. Aufgrund dieser vorteilhaften Rahmenbedingungen in Bezug auf die prozessbedingten Kennwerte und die guten Schichteigenschaften wurde im Laufe des Jahres 2023 die Umstellung der gesamten Produktion vorgenommen.
Im Gegensatz zu chrom(VI)basierten Elektrolyten besitzen Elektrolyte auf der Basis von Chrom(III)verbindungen einen komplexen Aufbau, wobei vor allem metallische Verunreinigungen, aber insbesondere auch Chrom(VI)ionen einen negativen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit des Systems ausüben. Aus diesem Grund wird bei der Umstellung von Chrom(VI)- auf Chrom(III)systeme ein Austausch der vorhandenen Behälter in einer Anlage sowie eine Prüfung der Qualität der verwendeten Gestelle – vor allem im Hinblick auf die Qualität der Gestellisolierungen – empfohlen. Bei ZF Passive Safety Systems wurden die Wannen der Chromanlage gegen neue Behälter, Heizungen und Umwälzeinrichtungen getauscht sowie die vorhandene Absaugtechnologie im Bereich der Behälter erneuert. Da die Gestelle stets in einem guten Zustand gehalten werden, konnte ein prozessbedingter Ersatz der Gestelle entfallen. Besonderes Augenmerk ist auf die Verunreinigung des Chromelektrolyten durch Fremdmetalle, beispielsweise durch Verschleppung aus vorgelagerten Prozessen, zu richten. Hier kommt der Einsatz von speziellen Ionenaustauscherharzen zum Tragen, mit dem der Chromelektrolyt in einem optimalen Zustand gehalten werden kann.
Zusätzlich zur bisher üblichen Beschichtung aus klassischer Vorbehandlung, Vernickelung und abschließender Verchromung erfordert die Abscheidung aus dem Chrom(III)system von Schlötter eine elektrolytische Nachbehandlung, um die Anforderungen im Hinblick auf das Korrosionsverhalten vollumfänglich zu erfüllen. Durch diese Nachbehandlung wird die notwendige Passivität der Chromschicht erzielt.
Parallel zur Anlagenumrüstung wurden die erforderlichen Erweiterungen und Umstellungen der betriebsinternen Abwasseranlage vorgenommen. Hier stand die Oxidation der vorhandenen Komplexbildner aus dem Chromelektrolyten im Vordergrund, also eine Neuerung bei ZF im Vergleich zu den bisher eingesetzten Chemikalien der Galvanikanlagen. Gelöst wird die Herausforderung durch Nutzung von Wasserstoffperoxid (H2O2), mit der alle Komplexe aus der galvanischen Verchromung sicher zerstört werden können. Dazu ist es natürlich notwendig, die Abwässer aus dem Prozessschritt der Verchromung separat in der Abwasseranlage zu sammeln und zu behandeln. Inzwischen wurden auch in der Abwasseranlage alle Neuerungen soweit optimiert, dass der reibungslose Ablauf der Abwasserbehandlung gewährleistet ist und damit die Sicherheitsanforderungen in Bezug auf den Arbeits- und Umweltschutz maximal erfüllt werden.
Fliehkraftanlage zur mechanischen Behandlung von Steckzungen für Sicherheitsgurte (oben) vor der galvanischen Beschichtung mit Nickel-Chrom (unten) bei der ZF in Alfdorf
Ein Fazit zur neuen Beschichtungstechnik
Mit dem von der Dr.-Ing. Max Schlötter GmbH & Co. KG angebotenen Elektrolytsystem
SLOTOCHROM BC 4130 werden seit September 2023 bei der ZF Alfdorf regulär alle Metallteile, die für die Schichtkombination Nickel-Chrom bestimmt sind, beschichtet. Mit dem System aus galvanisch Chrom und Nachbehandlung werden überdies alle Anforderungen an Funktion und dekorativem Erscheinungsbild vollumfänglich erreicht. Die bestehende Anlagentechnik des Unternehmens konnte nach geringfügigen Anpassungen und wenigen Neuerungen mit den bestehenden Einstellungen beibehalten werden.
Wie zu erwarten war, steigt der Aufwand für die Kontrolle des Elektrolyten deutlich, was jedoch auf die Natur aller Chrom(III)elektrolyte zurückzuführen ist. Aktuell wird über eine tägliche Hullzellenprüfung der Zustand des Elektrolyten in Bezug auf dessen Zusammensetzung überwacht. Als Vorteil des Systems von Schlötter wird die geringe Anfälligkeit gegen die Bildung von schwerlöslichen Salzen bei Abkühlung des Elektrolyten gesehen, beispielsweise bei längeren Produktionsstillständen. Dies unterstützt die Bemühungen zur Einsparung von Energie für die galvanische Fertigung.
Mit der Umsetzung der Anforderungen aus der REACh-Verordnung durch Ersatz des bisherigen Beschichtungsverfahrens auf Basis von Chrom(VI) erfüllt die ZF Alfdorf die selbstgesteckten Ziele zur Vermeidung von als kritisch eingestuften Stoffen und unterstützt die Bemühungen der Kunden, die Ziele eines hohen Umweltschutzes in der Lieferkette zu erfüllen. Zudem ist damit ein Baustein für eine zukunftsfähige Produktion in Deutschland erfüllt und somit der Weg für die Ausgliederung der Division R im Carve-Out-Prozess um ein weiteres Stück geebnet. Zum Erfolg beigetragen hat die vorbildliche Zusammenarbeit mit dem Chemieanbieter Dr.-Ing. Max Schlötter GmbH & Co. KG, der seine Leistungsfähigkeit und überzeugende Zusammenarbeit mit Kunden erneut unter Beweis gestellt hat.
Literatur
[1] N.N.: Sicherheitsgurt; wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheitsgurt, zuletzt abgerufen: Januar 24
[2] N.N.: Keine Angst vor Wasserstoffversprödung; https://www.wotech-technical-media.de/womag/ausgabe/2023/11/04_schloetter_pruef_11j2023/04_schloetter_pruef_11j2023.php