Perowskit-Solarzellen: Vakuumverfahren kann zur Marktreife führen

Werkstoffe 06. 03. 2024
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Weltweit arbeiten Forschung und Industrie an der Kommerzialisierung der Perowskit-Photovoltaik. In den meisten Forschungslaboren stehen lösungsmittelbasierte Herstellungsverfahren im Fokus, da diese vielseitig und einfach anzuwenden sind. Etablierte Photovoltaikfirmen setzen heute jedoch fast ausschließlich auf Vakuumverfahren zur Abscheidung von hochqualitativen Dünnschichten. Ein internationales Konsortium unter der Leitung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des U.S. Department of Energy’s National Renewable Energy Laboratory (NREL, USA) hat diese kritische Diskrepanz zwischen Labor und Industrie analysiert, wie das KIT mitteilt. Sie heben hervor: Industriell erprobte Vakuumverfahren könnten mit gewissen Verbesserungen zur schnellen Kommerzialisierung bei den Perowskit-Solarzellen beitragen. Die Ergebnisse sind in Energy & Environmental Science erschienen.

Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen ­haben in den vergangenen zehn Jahren eine rasan­te Entwicklung durchlaufen: In der ­Forschung konnten Wirkungsgrade von mehr als 33 Prozent erreicht werden. Damit liegen sie bereits heute über den herkömmlichen siliziumbasierten Solarzellen. Die Marktreife steht aller­dings noch aus. Eine der Hürden ist die ungeklärte Frage, mit welchem Verfahren sich Perowskit-Solarzellen als Massenprodukt am besten herstellen lassen. Dabei stehen lösungsmittelbasierte Herstellungsverfahren, die in den Laboren weltweit angewandt werden, Dampfphasenabscheidungsverfahren im Vakuum gegenüber, die auch heute noch Standard in der Herstellung von Dünnschichten in der Photovoltaik oder bei der Produktion von organischen Leuchtdioden (OLEDs) sind.

In einer aktuellen Vergleichsstudie zeigte ein internationales Konsortium aus akademischen und industriellen Partnern unter der Leitung des NREL und des KIT große Unterschiede in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesen Produktionsverfahren auf. Tenure-Track-Professor Ulrich W. Paetzold vom Institut für Mikrostrukturtechnik sowie vom Lichttechnischen Institut des KIT erklärt, dass 98 Prozent aller wissenschaftlichen Studien im Jahr 2022 zu lösungsmittelbasierten Verfahren publiziert wurden. Vakuumbasierte Verfahren, die sich seit Jahrzehnten in der Industrie bewährt haben und eine Kommerzialisierung der Solarzellen entscheidend voranbringen könnten, werden stiefmütterlich behandelt.

Zur Erläuterung: Bei der lösungsmittelbasier­ten Herstellung werden Tinten genutzt, in denen organische und anorganische ­Salze in einem Lösungsmittel gelöst werden. Diese Tinten können dann über ­verschiedene Drucktechniken auf der Oberfläche eines Substrats abgeschieden werden. Dagegen verwendet die vakuumbasierte Herstellung trockene und lösungsmittelfreie Verfahren. Dabei werden die Materialien in einem Vakuum unter Zufuhr von Wärme sublimiert, das heißt vom festen in den gasförmigen Aggre­gatszustand überführt und auf der Substrat­oberfläche kondensiert. Prinzipiell ist es auch möglich, beide Verfahren für die Herstellung von Perowskit-Solarzellen zu kombinieren.

In der Studie analysierten die Autorinnen und Autoren die Vor- und Nachteile beider Methoden. Die bisherige Dominanz der lösungsmittelbasierten Herstellung in der Forschung liegt demnach in der unkomplizierten Handhabung in Laboren, der sehr guten Ergebnisse im Hinblick auf den Wirkungsgrad unter Laborbedingungen und ihren geringen Kosten begründet. Dazu kommt die mögliche skalierbare Rolle-zu-Rolle-Fertigung, also die Endlosabscheidung zwischen zwei Rollen, ähnlich des Zeitungsdrucks.

Das vakuumbasierte Produktionsverfahren verursacht im Vergleich dazu etwas ­höhere Investitionskosten und liegt aktuell – legt man die in der Forschung angewandten Verfahren zugrunde – hinsichtlich der Abscheidungsgeschwindigkeit, das heißt dem Produktionsdurchsatz, noch im Hintertreffen. Die Autorinnen und Autoren zeigen jedoch eine Vielzahl von Lösungsansätzen auf und schätzen ab, dass es unter Berücksichtigung von realen Parametern wie Stromkosten, Produktions­ertrag, Material-, Stilllegungs- oder Recyclingkosten konkurrenzfähig ist. Vor allem die gute Wiederholbarkeit der Abscheidung, die einfache Prozesskontrolle, die Verfügbarkeit von industriellem Prozessequipment und die einfache Skalierung der Abscheidung von den kleinen Solarzellenflächen aus dem Labor hin zu anwendungsrelevanten Produktflächen machen das Verfahren demnach hochinteressant für die Kommerzialisierung.

Die vakuumbasierte Herstellung ­schneidet also besser ab als ihr Ruf, so Tobias ­Abzieher. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass die Autorinnen und Autoren laut KIT in einem erstmals veröffentlichten Überblick über Kommerzialisierungsaktivitäten in der Perowskit-Technologie bereits heute ein reges Interesse an vakuumbasierten Verfahren für die Herstellung von Perowskit-Solarzellen vonseiten der Industrie nachweisen konnten – trotz der Diskrepanz im Hinblick auf die hauptsächlich eingesetzte Methode in der Forschung.

Damit vakuumbasierte Verfahren ihre Skalierungseffekte voll ausspielen können, müsse die Herstellungsmethode dennoch weiter verbessert werden, so die Forschenden. Unter anderem müsse weiter an der Qualität der Abscheidung geforscht werden, um den Wirkungsgrad noch weiter zu steigern. Zudem gelte es, die Geschwindigkeit der Abscheidung deutlich zu erhöhen. Vakuum­basierte Herstellungsverfahren sind laut David More vom NREL nicht nur die erste Wahl der Industrie, wenn es darum geht, die Dünnschichttechnologien zur Marktreife zu bringen. Unsere Analyse zeigt auch, dass die Verfahren wettbewerbsfähig mit lösungsmittelbasierten Ansätzen sind, ergänzt More.mfe

Originalpublikation

T. Abzieher, D. T. Moore et al.: Vapor phase deposition of perovskite photovoltaics: short track to commercialization? Energy & Environmental Science, 2024; DOI: 10.1039/d3ee03273f

Text zum Titelbild: Die Perowskit-Photovoltaik verspricht hohe Wirkungsgrade. Forschende des KIT und Partner haben nun unterschiedliche Produktionsansätze analysiert (Bild: Tobias Abzieher)

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