CO2-Fußabdruck und Klimabilanz – eine Herausforderung für die Industrie

Werkstoffe 07. 04. 2024

In einer Veranstaltung im Rahmen des ZVO-onlineDialog, der digitalen Online-Plattform des ZVO, wurde am 4. März der FRED-Datenerhebungsboten Galvanik/Beschichter vorgestellt

Die meteorologische Entwicklung und Klima­beobachtungen verdeutlichen, dass sich das Klima in Europa, aber auch weltweit ändert. Daraus resultieren die nachvollziehbaren Anstrengungen, die durch menschliche Aktivitäten erzeugten Emissionen zu reduzieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass Treibhausgasemissionen ein sehr exakter Indikator für die Klimawirksamkeit verschiedener Aspekte menschlichen Lebens sind. So kann zum Beispiel der Beitrag einzelner Staaten zum Klimawandel klar benannt werden [1]. Als eine der wichtigsten Kenngrößen gilt dem derzeitigen Stand der Wissenschaft zufolge die Erzeugung von Kohlenstoffdioxid (CO2). Die CO2-Bilanz, auch CO2-Fußabdruck (engl. Carbon Footprint) genannt, beschreibt, wie viele Treibhausgase verursacht werden – durch einen Menschen, aber auch durch Produkte und Dienstleistungen (Product Carbon Footprint), Unternehmen (Corporate Carbon Footprint), die Lebewesen einer Gesellschaft oder ganze Länder. Durch ihn wird die Klimawirkung menschlichen Handelns messbar, vergleichbar und kann dadurch auch optimiert werden. Grundsätzlich gilt dabei: je kleiner der CO2-Fußabdruck, desto geringer die Klimaschädlichkeit.

Mit der Kenngröße des Carbon Footprint wird eine Bilanzierung aller Treibhausgasemissionen vorgenommen, die beispielsweise für ein Produkt oder die Aktivitäten eines Unternehmens anfallen – unabhängig davon, wo auf der Welt sie konkret freigesetzt werden. Es werden also nicht nur die direkt in einem Unternehmen entstehenden Emissionen erfasst, sondern auch die der bezogenen ­Produkte, aber auch die von einem Unternehmen durchgeführten Transportvorgänge. Daraus ergibt sich eine sehr weitreichende Betrachtung, die umfassende Abfragen und Erfassungen über die gesamte Prozesskette jedes einzelnen Stoffs und Produktionsvorgangs.

In der jüngsten Vergangenheit haben vor allem die großen Industriekonzerne damit begonnen, bei ihren unterschiedlichen Zulieferern entsprechende Zahlen für den CO2-Fußabdruck abzufragen. Um dem Ziel einer besseren Umweltverträglichkeit näher zu kommen, wird also auch damit zu rechnen sein, dass die abfragenden Unternehmen ihre Zulieferer entsprechend dieser Kennwerte bewerten. Wer dann zu hohe Zahlen angibt, muss damit rechnen, bei der Vergabe von Aufträgen ins Hintertreffen zu geraten.

Zwar wird die Erfassung des CO2-Fußabdrucks und ähnlicher Kenngrößen kurzfristig an der ungünstigen Klimasituation nichts ändern, sondern von vielen als weiteres Element der überbordenden Bürokratie wahrgenommen werden. Gewonnen werden aber Kenntnisse darüber, wie hoch die Energieverbräuche mit welchen Energieformen der einzelnen Prozessschritte ausfallen. Da der Energieverbrauch stets ein Kostenaspekt ist, liegt es im ureigensten Interesse der Unternehmen, diese zu minimieren. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Entscheider in der Politik und der Industrie der Energieerzeuger aus den gewonnenen Daten die richtigen Schlüsse ziehen. Das reine Ablehnen von energieintensiven Produktionsformen dagegen wird nicht die gewünschte Besserung der Klimasitua­tion bringen.

FRED – Unterstützung durch den ZVO

Der FRED-Datenerhebungsboten Galvanik/Beschichter wurde in den vergangenen Monaten nach Besuchen bei Unternehmen der Branche vom Dienstleister Prosimalys erarbeitet. Zur Einführung wies Christoph Matheis, Geschäftsführer des Zentralverbands Oberflächentechnik (ZVO), darauf hin, dass die dort abgegebenen Daten anonymisiert werden und somit die unternehmensspezifischen Angaben gewahrt sind.

Die Vorstellung des FRED-Datenerhebungsbogens Galvanik/Beschichter übernahmen Dr. Hans-Willi Raedt und Ralf Böhl von der Prosimalys GmbH. Sie wiesen darauf hin, dass die bisherigen Arbeiten zur Erfassung von Emissionen an Kohlenstoffdioxid vor allem im Bereich der Massivumformung geleistet wurden. Die Vorlagen sind so aufgebaut, dass jeder Teilnehmer in dem Formular seine betriebsspefizischen Daten eintragen und diese an Prosimalys einsendet. Daraus werden vom Betreiben Benchmark-Werte ermittelt, so dass Angaben für die Branche ausgegeben werden können.

Das Datenblatt ist aufgegliedert in Grunddaten sowie vor allem in Einheiten wie Verbrauchsgüter, Abfälle, Transport, Overhead, Beschichten, Polieren-Schleifen und Tempern. Für bezogene Energie müssen die Daten zu Scope 1 bis Scope 3 vom Energielieferanten erfragt werden. Detailfragen richten sich unter anderem auf die Art des Strommix, externe Wärme oder die Art der Druckluft­erzeugung. Ebenfalls enthalten sind Angaben zu den Systemgrenzen oder für die Angaben getroffene Annahmen, beispielsweise wenn die Stromverteilung im Unternehmen nicht detailliert ermittelt werden kann. Wichtig sind bei den Angaben zu Energie oder Kohlenstoffdioxid die dafür herangezogenen Quellen als Basis der Zahlen. Zur Unterstützung für die Abgabe der Werte sind kurze Erläuterungen zu den Fragen enthalten. Unter dem Punkt Transport sind die Angaben zur Art der im Unternehmen bewegten Bauteile zu verstehen, also insbesondere Angaben zum Einsatz von Staplern einschließlich deren Betriebsart und dem Umfang der bewegten Massen.

Beispiel der verfügbaren Tabellen zur Ermittlung der Emissionen (Bild: Prosimalys)

 

Aufwändiger für die Erfassung sind die Angaben zu den einzelnen Beschichtungen. Hier sind vor allem Angaben zu den Energieverbräuche zum Heizen oder Kühlen sowie der für die Beschichtung notwendige Strom erforderlich. Umfangreiche Daten ergeben sich beispielsweise bei Mehrfachbeschichtungen, die im günstigen Fall für jede einzelnen Teilbeschichtung angegeben werden können, im ungünstigen Fall aber nur in der Summe für alle Teilbeschichtungen. Verbräuche können sich in diesem Fall auf bezogene Masse oder bezogene Fläche richten. Für die Arbeitsschritte Schleifen und Polieren wird seitens Prosimalys die erforderliche Bearbeitungsdauer als Messgröße herangezogen. Auf Basis dieser Zeiten werden die CO2-Werte aus den Stromverbräuchen und Nutzungszeiten errechnet.

Wie Matheis betont, wird von den Kunden aus der Automobilindustrie primär nach dem PCF Product Carbon Footprint gefragt. Dieser Wert hat den Vorteil, dass die Emission auf das Produkt und nicht auf die Ausgestaltung des einzelnen Unternehmens bezogen ist. Damit werden auch die Vorgaben der DIN-Norm erfüllt, indem die Emissionen auf das jeweilige Produkt bezogen werden können, also damit auch Kennwerte pro Anlage oder Prozess ermittelt werden können. Dies setzt voraus, dass Bauteile eine gewisse Untergrenze an Stückzahlen erreichen und diese Werte mit hoher Genauigkeit belegt sind. Im Endeffekt entstehen so zertifizierte Angaben für jedes Unternehmen, das sich den Forderungen zum CO2-Ausweis unterwirft, und die vertretbar, also für einen Auditor, akzeptabel sind. Zu berücksichtigen wird für die weitere Auswertung der Beschichtungsbranche sein, dass die verschiedenen Prozesse der Beschichtung unterschiedlich ausgewiesen und behandelt werden müssen. Ähnliche Unterscheidungen werden sich bei der Dimension oder Ausführung der Bauteile ergeben.

In einem gewissen Erfassungszeitraum werden die gesammelten Daten einen Durchschnittswert für bestimmte Beschichtungsarten ergeben. Diese können sicher als erste Anhaltswerte für Beschichtungsunternehmen im Falle von Kundenanfragen genutzt werden.

Unternehmen können sich aber auch durch Nutzen der Lizenzversion FRED eigene Daten durch Angaben ihrer spezifischen Werte ermitteln lassen. Damit können beispielsweise Angaben für einen bestimmten Beschichtungstyp errechnet werden, der speziell für den Nutzer der FRED-Version bestimmt ist. Für ZVO-Mitglieder fallen durch die Lizenzierung einmalig 1500 Euro sowie 500 Euro pro Jahr an Nutzungsgebühr an. Derzeit nutzen diese Software mehr als 300 Unternehmen aus Bereichen der Schraubenindustrie, Drehteile oder Massivumformen, vorzugsweise aus dem KMU-Bereich. Aufwändiger ist die Ermittlung von Werten gemäß Scope 3, die aber unter Umständen über den ZVO erfragt werden könnten.

Quellen

[1] StatistaStatistik; https://de.statista.com/themen/8410/co2-fussabdruck/#topicOverview


Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top