Das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT hat das SMaC-Verfahren entwickelt, ein Beschichtungsverfahren, das Extremes Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (EHLA) und die mechanische Finish-Bearbeitung in einem Prozess kombiniert. Damit lassen sich hochfeste Beschichtungswerkstoffe schnell und effizient auftragen und simultan spanabhebend endbearbeiten.
Metallische Schichten und die damit verbundenen Beschichtungsverfahren sind sowas wie Hidden Champions. Sie werden kaum wahrgenommen, obwohl sie eine bedeutende Schlüsseltechnologie darstellen. Sie tragen dazu bei, Bauteile vor den unterschiedlichsten Arten von Schäden und Verschleiß zu schützen. Beschichtungen verbessern die physikalischen oder chemischen Eigenschaften von Bauteiloberflächen oder verleihen ihnen bestimmte Funktionen.
Konventionelle Beschichtungslösungen weisen jedoch von Fall zu Fall Defizite in Bezug auf Funktionalität, Ressourceneffizienz oder Umweltverträglichkeit auf. Die Verfahrenstechnik des Hartverchromens erfordert beispielsweise für den Abscheidungsprozess den Einsatz giftiger Chemikalien und die hergestellten Schichten enthalten Mikrorisse, die zu Unterkorrosion führen können. Beim thermischen Spritzen haben die Schichten keine stoffschlüssige Anbindung an das Bauteil; außerdem ist es in Bezug auf Material- und Gasverbrauch sehr ineffizient. Laser Metal Deposition (LMD) ist für die Massenfertigung häufig ungeeignet, unter anderem wegen der langsamen Prozessgeschwindigkeiten im Bereich von wenigen Metern pro Minute. Die Aufmischung zwischen Beschichtungswerkstoff und Substrat sowie die mikrostrukturellen Veränderungen des Bauteils in der Wärmeeinflusszone können zu Festigkeitsverlusten führen [1]. Zudem erfordern die erzeugten Oberflächen aufgrund ihrer hohen Unebenheit eine aufwändige Nachbearbeitung – je dünner die benötigte Beschichtung, desto länger dauert die Nachbearbeitung.
Weil insbesondere im Bereich Korrosions- und Verschleißschutz eine sehr hohe Nachfrage nach effizienten und effektiven Beschichtungslösungen besteht, wurden am Fraunhofer ILT mit der Entwicklung von EHLA als eine Variante des LMD gezielt diese Nachteile in Angriff genommen.
Das Extreme Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen
Die grundlegende Idee von EHLA (Extremes Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen) klingt zunächst simpel: Anstatt die metallischen Pulverpartikel im festen Aggregatzustand in ein Schmelzbad auf der Bauteiloberfläche zu fördern, sollen die Partikel bereits vorher im Laserstrahl aufgeschmolzen werden. Auf diese Weise erhöht sich die Prozessgeschwindigkeit um den Faktor 10 bis 100 und ermöglicht Flächenraten von bis zu 20 m2/h [2].
Schlüssel ist die gezielte Auslegung der Interaktionszone zwischen Laserstrahl und Partikelstrom sowie Grundwerkstoff. Auf diese Weise kann der Zusatzwerkstoff vollständig aufgeschmolzen und gleichzeitig ein hauchdünnes Schmelzbad auf der Oberfläche des Bauteils erzeugt werden, welches eine stoffschlüssige Verbindung zwischen den Materialien gewährleistet. Basierend auf ersten Arbeiten zur neuen Verfahrensvariante in 2010, die zu einer Patentanmeldung und Erteilung führten, begann Dr. Thomas Schopphoven 2012 mit systematischen Forschungsarbeiten zu den Grundlagen des Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißens.
Im Ergebnis zeigte EHLA einige eindeutige Vorteile gegenüber anderen Verfahren: EHLA-Beschichtungen weisen eine für das Laserauftragschweißen charakteristische schmelzmetallurgische Verbindung zum Substrat auf [3]. Zugleich lassen sich für die Verfahrenstechnik des Auftragschweißens relativ geringe Schichtdicken zwischen 25 µm und 400 µm pro Lage realisieren. Wie Schopphoven, Abteilungsleiter Laserauftragschweißen am Fraunhofer ILT, betont, können mit EHLA hochqualitative, rissfreie und dichte Schichten aus einer großen Werkstoffpalette hergestellt werden (Abb. 1).
Abb. 1: EHLA erzeugt im Vergleich zu LMD dünnere Schichten und bietet eine vielfach höhere Beschichtungsrate
Der reduzierte Wärmeeintrag vermeidet Verzug, die Mikrostruktur des Basiswerkstoffs bleibt nahezu unverändert und somit auch dessen mechanische Eigenschaften. Die geringe Durchmischung mit dem Grundwerkstoff führt zu einer hohen Reinheit der aufgetragenen Schichten. Dadurch können in vielen Fällen geringere Schichtdicken eingesetzt werden. In Verbindung mit den verbesserten Oberflächengüten mit geringem Nachbearbeitungsbedarf ist das Verfahren besonders ressourcenschonend als auch wirtschaftlich überlegen und eignet sich aufgrund der hohen Automatisierbarkeit hervorragend für den serienmäßigen, industriellen Einsatz.
Bereits 2015, ein halbes Jahr nachdem die Prototypenanlage am Fraunhofer ILT aufgebaut worden war, folgte die erste Umsetzung des Verfahrens bei einem Industriepartner. Die in 2006 verabschiedete REACh-Verordnung befeuerte die Nachfrage zusätzlich. Seit Anfang 2018 ist das Hartverchromen mit Chrom(VI)verbindungen in der Europäischen Union nur noch mit Autorisierung durch die ECHA erlaubt. Chrom(VI) ist hochgiftig, krebserregend und erbgutverändernd, weshalb in naher Zukunft Verbindungen mit Chrom(VI) sowohl in Europa als auch international nur noch sehr beschränkt verwendet werden sollen. EHLA gilt in diesem Kontext für sehr viele Anwendungen als eine besonders wirtschaftliche und ökologische Alternative [4].
Inzwischen findet EHLA breite Anwendung im Produktionsalltag – weltweit befinden sich mehr als 100 Maschinen im Einsatz. Neben dem enormen Anwendungspotenzial des Verfahrens in der Oberflächentechnik können mit der Innovation auch neue, zum Teil sehr große Märkte mit Anwendungen erschlossen werden, bei denen bislang keine technischen Lösungen existieren oder bisherige Prozessketten große wirtschaftliche Verbesserungspotenziale versprechen.
Anwendungsfall Pkw-Bremsscheibe
Ein besonders prominenter Anwendungsfall sind Pkw-Bremsscheiben [5]. Sie bestehen in der Regel aus Grauguss. Der Werkstoff ist vergleichsweise weich und duktil, weist aber eine gute Wärmeleitfähigkeit sowie ein gutes Wärmespeichervermögen auf. Das Material besitzt für die Anwendung als Bremsscheibe vorteilhafte Dämpfungseigenschaften, eine ausgezeichnete Druckfestigkeit, und es ist kostengünstig.
Thomas Schopphoven und sein Team führten bereits 2012 umfangreiche Tests mit EHLA-beschichteten Pkw-Bremsscheiben durch. Die Idee war schon damals, die Emission von Feinstaub zu reduzieren und die Nutzungsdauer zu steigern. Schon länger ist bekannt, dass Reifen- und Bremsabrieb erhebliche Mengen an Feinstaub in die Umwelt abgeben. Medizinische Studien zeigen, dass Bremsstaub gesundheitsschädigend wirkt und das Risiko für Atemwegserkrankungen erheblich erhöht [6].
Andere Beschichtungsverfahren bringen in diesem Kontext erhebliche Probleme mit sich, zum Beispiel das klassische LMD: Neben Formabweichung durch Wärmeausdehnung löst sich aufgrund der geringen Auftragsgeschwindigkeit in der Schmelze zu viel Kohlenstoff aus der Bremsscheibe. Dadurch entstehen spröde Phasen, Poren, Bindefehler und Risse in der Beschichtung beziehungsweise der Anbindungszone. Durch die hohen Geschwindigkeiten und der daraus resultierenden begrenzten thermischen Eindringtiefe wird dies beim EHLA vermieden; der Grauguss wird effektiv mit stoffschlüssig angebundenen Schichten geschützt und der Abrieb reduziert [7].
Jetzt gewinnt das Thema an Aktualität; Grund dafür ist die angekündigte Abgasnorm Euro 7, die erstmals auch die Emissionen von Bremsen und Reifen berücksichtigt. Derzeit ist vorgesehen, dass die Regeln ab Juli 2025 für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gelten, ab Juli 2027 für schwere Nutzfahrzeuge [8]. Egal ob Verbrenner oder Elektroantrieb, bei Pkw soll der neue Richtwert pro Fahrzeug und Kilometer bei weniger als sieben Milligramm für Partikel der Größe PM 10 (bis maximal 10 µm) und kleiner liegen. Die EHLA-Beschichtung gilt nun dank der am Fraunhofer ILT durchgeführten Forschung als die führende Technologie zur Einhaltung der geforderten Grenzwerte.
SMaC: Kombination zweier Hochleistungsverfahren
Beschichtungen erfordern in den allermeisten Fällen eine zerspanende Nachbearbeitung durch Drehen oder Schleifen. Dies führt gerade bei hochharten Beschichtungen für Anwendungen im Verschleißschutz zu diversen Herausforderungen in Bezug auf Produktivität im Zusammenspiel mit der Maßhaltigkeit.
Um diese Herausforderungen anzugehen, wurde am Fraunhofer ILT ein neuartiges Kombinationsverfahren entwickelt, das EHLA mit dem Drehprozess vereint. Der Clou daran: Die Rotations- und Vorschubgeschwindigkeiten des EHLA-Verfahrens und des Drehens sind über einen großen Parameterbereich kongruent, wodurch beide Prozesse parallel ausgeführt werden können. Die Fraunhofer Forscher Max Gero Zimmermann und Viktor Glushych sowie Matthias Brucki, ehemaliger Gruppenleiter für LMD-Prozessentwicklung am Fraunhofer ILT, haben die Idee der Parallelisierung der beiden Fertigungsprozesse realisiert. Wir lassen den EHLA-Beschichtungsprozess und die Nachbearbeitung simultan ablaufen. Das steigert die Produktivität im Vergleich zur konventionellen Prozesskette erheblich, erläutert Glushych, Leiter der Gruppe Beschichtung LMD und Wärmebehandlung am Fraunhofer ILT. Darüber hinaus nutzen wir die im Beschichtungsvorgang entstehende Prozesswärme, wodurch Vorteile im Hinblick auf die Zerspanbarkeit hochfester Beschichtungswerkstoffe entstehen.
Die Zusammenarbeit mit J.G. Weisser Söhne hat sich als besonders zielführend erwiesen. Gemeinsam mit dem Schwarzwälder Sondermaschinenbauer wurde das Konzept in einer Anlage umgesetzt. Das Ergebnis ist nach den Worten von Max Gero Zimmer eine Art Hybridmaschine, ein Bearbeitungszentrum, das die beiden unterschiedlichen Verfahren kombiniert. Die neue Maschine dreht und fräst einerseits und beschichtet zusätzlich mit dem Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen – alles in einer Aufspannung.
Seit 2021 testet das Team des Fraunhofer ILT die neue Werkzeugmaschine; im Mittelpunkt der Prozess- und Applikationsentwicklung stehen industrierelevante Anwendungen. Die innovative Lösung haben Brucki, Glushych und Zimmermann als das Verfahren zum hauptzeitparallelen Beschichten und Zerspanen zum Patent angemeldet. Die drei Forscher haben der ersten Ausführungsvariante des Kombinationsprozesses den Namen SMaC gegeben für Simultaneous Machining and Coating (Abb. 2).
Abb. 2: Schematische Darstellung von Simultaneous Machining and Coating (SMaC) als Ausführungsvariante des hauptzeitparallelen Beschichtens und Zerspanens. Hochharte Beschichtungswerkstoffe werden unmittelbar nach dem Laserauftragschweißen mechanisch bearbeitet, wodurch das Verfahren schneller und wirtschaftlicher im Vergleich zu konventionellen Prozessketten ist
Symbiose intelligent genutzt
SMaC ist nicht nur schneller, es löst gleichzeitig ein grundlegendes Problem von hochfesten Schutzschichten: Je härter die Beschichtung, desto besser der Verschleißschutz, aber desto aufwändiger ist auch die mechanische Nachbearbeitung, bis hin zur Unwirtschaftlichkeit. Weil die Beschichtung unmittelbar nach dem EHLA-Prozess noch mehrere Hundert Grad heiß ist, besitzt sie jedoch nur einen Bruchteil ihrer Härte und Festigkeit, die nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur gemessen wird. Durch das parallele Beschichten und mechanische Bearbeiten, verschleißt das Werkzeug bei hochfesten Werkstoffen erheblich weniger. Die Technologie eignet sich selbst für Werkstoffe, die aufgrund der hohen Härte konventionell nicht drehend bearbeitet werden können.
Außerdem werden den Ausführungen von Viktor Glushych zufolge thermisch induzierte Zugspannungen gezielt durch werkzeugseitig eingebrachte Druckspannungen ausgeglichen. Damit lässt sich gerade bei hochfesten, spröden Werkstoffen die Bildung von Kaltrissen vermeiden. So ermöglicht das Kombinationsverfahren die wirtschaftliche Herstellung von besonders verschleißbeständigen Schutzschichten, die sonst nur unter enormen Aufwänden defektfrei herstellbar wären, etwa durch Vorwärmen des Bauteils auf mehrere Hundert Grad, kontrollierte Abkühlung und nachgelagertes Zerspanen (Abb. 3).
Abb. 3: Durch die geringere Härte der Beschichtung aufgrund der hohen Temperatur im Herstellungsprozess wird beim parallelen Beschichten und mechanischen Bearbeiten der Werkzeugverschleiß bei hochfesten Werkstoffen erheblich reduziert
Abb. 4: Das Kombinationsverfahren SMaC vereint EHLA mit dem Drehprozess. Die Parallelisierung der beiden Fertigungsprozesse steigert die Produktivität im Vergleich zur konventionellen Prozesskette erheblich
SMaC ist effizient, energie-, zeit- und ressourcenschonend, fasst Matthias Brucki die Vorteile zusammen. Neben den technischen Vorteilen konnten durch die simultane Bearbeitung die Fertigungszeiten der Prozesskette Brucki zufolge auf bis zu 60 Prozent reduziert werden. Erfolgt die Vorbearbeitung des Bauteils ebenfalls simultan, werden die Fertigungszeiten weiter verkürzt und die Investitionskosten durch redundante Maschinen der Vor- und Nachbearbeitung reduziert (Abb. 4).
Das Verfahren eignet sich prinzipiell für alle Anwendungen auch in der Massenfertigung, bei denen bisher Bauteile nacheinander beschichtet und zerspant wurden. Es lässt sich zur Herstellung von Beschichtungen für den Korrosions- und Verschleißschutz, für Beschichtungen mit hart- und weichmagnetischen Eigenschaften oder zur Herstellung hochbelastbarer und langlebiger Gleitlager sowie weiterer funktionaler Oberflächen einsetzen.
Einfache Skalierung und Automatisierung
Einsatzszenarien finden sich in der Energiewirtschaft und der gesamten Mobilitätsbranche, überall, wo hoch belastete, rotationssymmetrische Bauteile zum Einsatz kommen. In der chemischen Industrie etwa müssen Oberflächen aggressiveren Medien standhalten, im Bergbau oder bei Formwerkzeugen schützten hochfeste Beschichtungen effektiv gegen Verschleiß. Das Kombinationsverfahren ist bereit für herausfordernde Anwendungen, wie die Massenfertigung von beschichteten Bremsscheiben, die der Euro Norm 7 entsprechen.
Mit dem neuen Verfahrenskonzept ließen sich zudem eine Reihe neuer Hochleistungsmaterialien oder innovative Werkstoffkombinationen in die Serienproduktion überführen. Derzeit sondiert das Team das Marktpotenzial und sucht Industriepartner für Folgeprojekte. Die Fraunhofer-Forschenden gehen davon aus, dass SMaC sich in zahlreichen Märkten etablieren kann, wo entsprechende Beschichtungen eingesetzt werden. Die Nahrungsmittelindustrie, Kunststoffindustrie, Papierindustrie, die Luft- und Raumfahrt, Metall- oder Anlagenbau sind weitere potenzielle Einsatzgebiete.
- www.ilt.fraunhofer.de
Literatur
[1] T. Schopphoven: Experimentelle und modelltheoretische Untersuchungen zum Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (Doctoral dissertation, Dissertation, RWTH Aachen University, 2019)
[2] C. Zhong, G. Backes, L. M. Johann et al.: Development of a novel green coating process with laser; Sci Rep 12, 6314 (2022); https://doi.org/10.1038/s41598-022-10351-4
[3] https://science-online.org/bremsscheiben-effektiv-schuetzen-durch-neues-fraunhofer-beschichtungsverfahren/ (20.06.2023)
[4] A. Müller, H. Nicolai: Survey on technical and economic feasibility of the available alternatives for chromium trioxide on the market in hard/functional and decorative chrome plating; baua: Report (2020); doi: 10.21934/baua:report20200331
[5] T. Schopphoven et. al. (2019): Laserbeschichtung von Bremsscheiben mit angepasster Fertigbearbeitung; VDI-Z BD, 161 NR. 7/8 (2019); DOI: 10.37544/0042-1766-2019-07-08-48
[6] A. Sutschet, K. Bause, A. Bischofberger et al.: Feinstaubemissionen trockenlaufender Friktionssysteme in Fahrzeugen; Forsch Ingenieurwesen (2023); doi.org/10.1007/s10010-023-00664-9
[7] H. Gurk, M. Brucki, R. Mayer: Frequenz- und Modalanalyse laserbeschichteter Bremsscheiben; in: Mayer, R. (eds): Berichte aus dem Fahrzeugsystemdesign 2021; Wissenschaftliche Reihe Fahrzeugsystemdesign, Springer Vieweg, Wiesbaden; https://doi.org/10.1007/978-3-658-34821-2_3
[8] https://germany.representation.ec.europa.eu/neue-abgasnorm-euro-7-die-fakten_de (19.06.2023)