Energiespeicher: 100-mal besser Wärme leiten mit Flüssigmetall

Werkstoffe 09. 06. 2024
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Weltweit erster Hochtemperatur-Wärmespeicher mittels Flüssigmetalltechnologie hat Potenzial für Defossilisierung der Industrie

Ob Stahl-, Beton- oder Glasherstellung: Die industrielle Produktion verbraucht mehr als 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Deutschland. Dafür werden bisher noch zu 90 Prozent fossile Quellen genutzt. Mit dem Ziel, in diesen Prozessen erneuerbare Energien besser einzusetzen, arbeiten Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) nach Mitteilung des Instituts an einem weltweit einzigartigen Hochtemperatur-Wärmespeicher mit Flüssigmetalltechnologie. Die extrem leitfähigen Flüssigmetalle könnten mithilfe von grünem Strom auf über 700 °C erhitzt werden und Industriewärme flexibel speichern.

Weltweit werden derzeit Hochtemperatur-Wärmespeicher entwickelt, um Unternehmen, die ressourcenintensiv produzieren, Wärme unabhängig von den Schwankungen bei der Energie aus erneuerbaren Quellen bereitzustellen. Für diese Speicher wird Strom zunächst in Wärme umgewandelt und gespeichert. Genutzt wird die Wärme anschließend nach Bedarf, zum Beispiel, wenn der Strom teurer ist und Herstellungsprozesse weiterlaufen müssen. Für viele Unternehmen gilt dabei das Prinzip: Je höher die gespeicherte Temperatur, desto besser – denn so lässt sich die Menge an zusätzlicher Energie verringern, die benötigt würde, um die gewünschte Produktionstemperatur zu erreichen.

In Pilotanlagen werden beispielsweise Flüssigsalze genutzt, die Temperaturen von rund 550 °C speichern können. Um noch ­höhere Temperaturen zu erreichen, kommen ­bislang Gase zum Einsatz: Mit Strom bis auf rund 700 °C aufgeheizt, transportieren sie ihre Wärme zu einem Speichermaterial wie Stahl, Vulkanstein oder Schlacke. Das heiße Gas gibt die Wärme jedoch nicht besonders effizient an das Speichermaterial ab, sagt Dr. Klarissa Niedermeier vom Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit des KIT.

Mit ihrem Team arbeitet sie an einer neuartigen Lösung für den hohen Temperaturbereich: einem Wärmespeicher, in dem Blei-Bismut eingesetzt wird. Die Wärmeleitfähigkeit dieser Flüssigmetallmischung ist laut Niedermeier bis zu 100-mal höher als die anderer Wärmeträger, die für Speicher eingesetzt werden.

Der Hochtemperatur-Wärmespeicher wird in einem Kreislauf getestet: In einem Stahltank sickert das aufgeheizte Blei-Bismut zwischen etwa zwei Millimeter kleinen Keramik­kügelchen hindurch, an die es die Hitze abgibt. Wird die Wärme wieder benötigt, wird das dann kalte Flüssigmetall erneut durch die Kügelchen geführt und heizt sich an ihnen auf.

In Simulationen am Flüssigmetalllabor KALLA des KIT haben Niedermeier und ihr Team gezeigt: Die Nutzung von Flüssigmetall kann das Laden und Entladen des Speichers effizienter machen, insbesondere, wenn eine sehr kompakte Schüttung verwendet wird.

Effiziente Lösung, um Ökostrom-­Überproduktion zu speichern

Wenn das Flüssigmetall mit Strom aus erneuerbaren Energien erhitzt werde, hätten die Firmen eine effiziente Lösung, um die Fluktuationen des Stromangebots aus erneuerbaren Quellen abzufedern und die saubere Energie einfach, kostengünstig, schnell und zu Temperaturen zu speichern, die so nah wie möglich an denen der Industrieprozesse seien, so die Forscherin. Das Verfahren habe ein riesiges Potenzial für die Defossilisierung der Industrie. Denn derzeit werden in Deutschland 400 Terawattstunden Wärmemenge im Jahr durch Industrieprozesse erzeugt, 90 Prozent davon mit fossilen Energiequellen.

Dass Flüssigmetalle bisher kaum für den Einsatz in Wärmespeichern in Erwägung gezo­gen wurden, hat laut Niedermeier vor ­allem logistische Gründe: Weltweit gebe es nur wenige Kreisläufe, um solche Speichermethoden zu testen. Das KALLA-Labor am KIT verfügt über einen großen Kreislauf mit Blei-
Bismut, der unter anderem für neue Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien genutzt wird.ih

Text zum Titelbild: Hier im Labormaßstab – Wärmespeicherung mit Keramikkügelchen (Bild: KALLA, KIT)

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