Neue Pilot-Reinigungsanlage für praxisnahe Ausbildung in der industriellen Teilereinigung

Werkstoffe 04. 09. 2024
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Eine neue Mehrkammeranlage zur wässrigen Ultraschallreinigung am Fraunhofer-Institut für Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP bietet künftig flexible Reinigungsmöglichkeiten für die industrielle Bauteilreinigung. Diese Anlage ergänzt das LinTR-Lernlabor, das unter Leitung des Fraunhofer FEP gemeinsam mit den Fraunhofer-Instituten IPA, IWS und IVV Dresden entwickelt wurde. Das Lernlabor bietet nach Mitteilung des Fraunhofer FEP ein umfassendes, modulares Weiterbildungskonzept zur industriellen Teilereinigung für verschiedenste Anforderungen und erstmals die Möglichkeit, komplexe Reinigungsprozesse in einer erweiterten Laborumgebung praktisch zu trainieren.

Der sprichwörtliche Sand im Getriebe kann ganze Anlagen zum Stillstand bringen. Oft reichen bereits kleinste Partikelverunreinigungen oder filmischer Restschmutz in Prozessketten, um Funktionseinschränkungen oder ganze Systemschädigungen auf Baugruppen zu verursachen. Immer mehr Anwender und Prozessentwickler sind sich daher bewusst, dass entlang der gesamten ­Prozesskette Sauberkeitsanforderungen erfüllt werden müs­sen. Die Sauberkeit der Produktionsumgebung und gegebenenfalls notwendige Reini­gungsprozesse sind entscheidend für das Erreichen der Qualitätsanforderungen eines zu produzierenden Bauteils. Reinigungsprozesse sind damit von qualitätsbestimmender Bedeutung. Hinzu kommen hier noch viele Abhängigkeiten zwischen den Prozessschritten, Vor- und Folgeprozesse, die ebenfalls komplexe Einflüsse auf die Sauberkeit der gesamten Prozesskette haben können.

Rund um das Thema Reinigungsprozesse und Qualitätssicherung und dem praktischen Umgang mit Reinigungstechnik sowie Mess- und Prüfgeräten kann aktuell eine Menge theoretisches Wissen erlernt werden. Eine Möglichkeit, das Beherrschen von komplexen Prozessketten in Bezug auf die Teilesauberkeit zu trainieren, gibt es laut Fraunhofer FEP bisher jedoch nicht. Ein neues Lernlabor für die Industrielle Teilereinigung – LinTR – schließt diese Lücke nun.

Gefördert durch die Fraunhofer Academy arbeiten das Fraunhofer IPA, das Fraunhofer IVV Dresden und das Fraunhofer IWS unter Leitung des Fraunhofer FEP an der Konzeption und Umsetzung der erweiterten Trainingsmöglichkeiten. Diese sollen nicht nur die Aufrüstung von technischen Möglichkeiten beinhalten, sondern auch ein modulares, flexibles Konzept und kooperierende Lernorte bieten, berichtet das Fraunhofer FEP.

Modulares Trainingskonzept mit viel Praxis und kooperierenden Lernorten

Die Lerneinheiten des Lernlabors LinTR sollen dabei nicht theoretisch aneinandergereiht, zum Beispiel je nach Referenten, Lern­ort oder Thematik, angeboten werden. Das neue methodisch-didaktische Konzept ordnet alle Lerneinheiten der Prozesskettenbetrachtung unter und bietet dazu die passenden praxisnahen Trainingseinheiten. Technische und logistische Zusammenhänge können den Teilnehmenden so an den Schnittstellen der Prozesskette nahegebracht werden. Zudem wird, so das Fraunhofer FEP, die grundlegende Bedeutung der interdisziplinären Kommunikation für die Sicherstellung der Bauteilsauberkeit an allen Stellen der Prozesskette vermittelt, die in vielen Fällen unerkannte Schwachstellen aufdeckt und zu einfachen Problemlösungen führt.

Reinigungsverfahren in der praktischen Anwendung während der Fortbildung zur industriellen Teilereinigung (© Fraunhofer-Geschäftsbereich Reinigung)

 

Um auf die verschiedenen Anforderungen im Hinblick auf die Zeitbudgets der künftigen Lernenden reagieren zu können, wurde ein modulares Konzept erarbeitet, das flexibel so gestaltet werden kann, dass ein dreitägiges Kompaktseminar ebenso wie eine berufsbegleitende Qualifizierung geboten werden kann.

Für das Training der praktischen Fähigkeiten stehen Labore bei allen vier Projektpartnern zur Verfügung, so unter anderem ein Laserlabor am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden. Spezielle Labore zu den Themen Reinraum und Partikelsauberkeit bietet das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart. Die Simulation und praktische Umsetzung von Spritzreinigungen stehen unter anderem in den Laboren des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV Dresden bereit. Je nach Umfang werden Live-Videoschaltung oder die direkte Nutzung vor Ort angeboten.

Mehrkammer-­Reinigungsanlage für wässrige Ultraschallreinigung

Am Fraunhofer FEP wurde im Rahmen des Projekts LinTR die vorhandene Reinigungstechnik um eine Mehrkammer-Reinigungsanlage zur wässrigen Ultraschallreinigung erweitert. Die Anlage im Pilotmaßstab besitzt pro Becken ein Fassungsvermögen von 100 Litern und verfügt über sehr flexibel ansteuerbare Parametersätze. Wie Projektleiter Daniel Weile erläutert, hat die Anlage keine starren Ultraschallsysteme verbaut, sondern ermöglicht die Ansteuerung einzelner Ultraschallgeneratoren. Dadurch könnten Richtung, Frequenz und Leistung des Ultraschalls und damit auch die Reinigungswirkung in weiten Bereichen variiert werden. Damit könne man die Reinigungsprozesse passgenau auf verschiedenste Verunreinigungen und Bauteile einstellen. Über eine Automatik sei auch die Abfolge der Reinigungsprozesse in den sechs Becken frei einstellbar.

Diese Variationsvielfalt soll künftig im Zuge des Lernlabors LinTR zum Einsatz kommen. Denn um die erlernten theoretischen Inhalte der Fortbildungen didaktisch effektiv zu nutzen, werden verschiedene Reinigungsverfahren und auch Prüfmethoden praktisch angewandt. Dazu wurde ein spezielles zweiteiliges Testbauteil entwickelt, das typische Geometrien und Materialien industrieller Bauteile, wie zum Beispiel verschiedenste Bohrungen, Kanten und Verschraubungen sowie Materialkombinationen aus Metall, Kunststoff und additiv gefertigten Komponenten enthält.

Eine der praktischen Aufgaben innerhalb von LinTR besteht laut Weile für die Teilnehmen­den darin, die Parameter für die Reinigung dieses Normbauteils zu optimieren. Dazu eignet sich unsere Mehrkammeranlage perfekt. Durch die Flexibilität der einzelnen Stellgrößen der Anlage können die Teilnehmenden damit praktisch üben und die Reinigungsprozesse optimieren, bis die Verunreinigungen am Testbauteil mit optimaler Einstellung entfernt sind, so Weile weiter.

Die Reinigungsaufgabe besteht aus einer definierten Modellverunreinigung auf dem Normbauteil. Hierfür werden produktionsrelevante, typische Verunreinigungen (Schmieröl, Kühlschmiermittel und Schleifpasten) auf dem Bauteil standardisiert aufgebracht und anschließend mit verschiedenen Methoden bearbeitet. Die Teilnehmenden haben in der Fortbildung die Chance, durch Variation der Prozessparameter eine zufriedenstellende Lösung der Reinigungsaufgabe zu finden. Die standardisierten Ausgangsbedingen ermöglichen dann eine vergleichende Analyse der verschiedenen Verfahren und zeigen Grenzen und Möglichkeiten der Methoden am praktischen Beispiel. Eine abschließende Analyse der Bauteile ist ebenfalls integraler Bestandteil der praktischen Tätigkeit.

Aktuell wird die Mehrkammer-Reinigungsanlage bis zum Projektabschluss des Lernlabors LinTR im September 2024 in Betrieb genom­men und soll laut Fraunhofer FEP Ende des Jahres für erste praktische Reinigungsprozesse zur Verfügung stehen. Zusätzlich werden die vier Projektpartner des Lernlabors ab Herbst 2024 über einen vollständigen Modulbaukasten für Fortbildungen zur industriellen Bauteilreinigung verfügen, der punktgenau auf die Anforderungen von produzierenden Unternehmen abgestimmt ist und erstmals praktische Trainingseinheiten an vorhandenen Laboren bietet.

Text zum Titelbild: 6-Kammer-Reinigungsanlage für wässrige Ultraschallreinigung am Fraunhofer FEP (© Fraunhofer FEP)

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