Digitalisierung in der Galvanotechnik – Teil 2

Oberflächen 08. 10. 2024

Von Peter Schwanzer und Stefan Kölle, Fraunhofer IPA, Stuttgart

Durch die Digitalisierung werden immer größere Datenmengen erfasst, die verarbeitet und genutzt werden können. Neben klassischen statistischen Auswertungen, die bereits Optimierungspotenziale aufzeigen und Zusammenhänge erkennbar machen können, werden zunehmend auch Maschinelles Lernen und KI als Werkzeuge eingesetzt. Die Anwendung von Maschinellem Lernen wurde und wird am Fraunhofer IPA auch für Fragestellungen aus der Galvanotechnik untersucht. Die entwickelten Modelle zeigen dabei Potenzial für die weitere Nutzung.

In der Produktionstechnik ermöglicht die fortschreitende Entwicklung bei Steuerungs- und Anlagentechnik mit zunehmender Sensorik eine breitere Aufnahme von Zustands­informationen und Prozessparametern. In Kombination mit Produkt-, Analyse- und Qualitätsdaten entstehen immer umfangreichere Datenmengen in ­unterschiedlichsten Formaten zu Produktion, Prozessen, einzelnen Chargen und Artikeln. Die anfallenden Datenmengen sind manuell nur noch schwer zu erfassen, eine Analyse ist nur (teil-)automatisiert sinnvoll; in den Daten können jedoch Wissen und Informationen enthalten sein, die eine Verbesserung von Prozessen, Prozessführung oder Produkten ­ermöglichen. Die Nutzung der anfallenden Daten aus galvanotechnischen Beschichtungen für den Aufbau von Modellen des Maschinellen Lernens (ML) wurde am Fraunhofer IPA in der Lerngalvanik für verschiedene Zielsetzungen untersucht.

Bevor ein ML-Modell aufgebaut werden kann, muss die Datenbasis entsprechend erstellt werden. Im Bereich der Galvanotechnik bedeutet dies, dass Daten mit unterschiedlichen Aufzeichnungsintervallen (wie beispielsweise kontinuierliche Zeitreihendaten aus Sensoren und sporadische Elektrolytanalysen) aus unterschiedlichen Quellen (ERP-, MES-, QS, Labor-Systemen) sinnvoll aufbereitet und zusammengeführt werden. In Entwicklungsarbeiten wurden am IPA mehrere Modelle für die unterschiedlichen Zielsetzungen erstellt. Als Proof-of-Concept wurde mit gezielten Versuchsreihen ein Modell zur Prognose von Schichtdicke und Glanzgrad für verzinkte Bauteile aus einem Sauer-Zink-Prozess aufgebaut, das die Möglichkeit der Verknüpfung von Prozessparametern mit Beschichtungsergebnissen (Schichteigenschaften) demonstriert. Die Schichtdicke war dabei ein Kontrollparameter, da sie durch Stromdichte und Expositionszeit gut vorherzusagen ist – aber auch für den Glanzgrad konnte ein Modell mit guten Ergebnissen generiert werden.

In weiteren Arbeiten wurde eine Elektrolyt­führung mit Unterstützung durch Maschinelles Lernen untersucht und ein Prototyp-Vorhersagemodell zur Elektrolytzusammensetzung entwickelt. Zielsetzung ist dabei die genauere Kenntnis des Elektrolytzustands am Beispiel eines Verfahrens der galvanischen Zink­abscheidung zwischen den chemischen Analysen, was eine effizientere und nachvollziehbarere Prozessführung ermöglicht. Durch Nutzung von Artikel- und Produktionsdaten werden die Konzentrationen der Elektrolytkomponenten zwischen chemischen Messungen generiert. Mit unterschiedlichen Modellansätzen konnten gute bis sehr gute Übereinstimmungen zwischen Vorhersage- und Zielwerten erreicht werden – für anorganische und auch ­organische Elektrolytbestandteile. Dabei ist die Prognosegenauigkeit immer abhängig von der Qualität der Datenbasis; bei schwer bestimmbaren Stoffen mit hoher Analyseungenauigkeit leidet auch die Prognosequalität, umgekehrt können bei guter Basis genaue Vorhersagen getroffen werden.

Die Arbeiten stellen einen Anfang dar und zeigen das Potenzial für den Einsatz von Maschinellem Lernen in der ­Galvanotechnik. Auch mit für ML-Ansätze geringen Datenmengen aus der Versuchsumgebung der Lerngalvanik konnten gute Ergebnisse erzielt werden. Nächste Schritte sind nun die Übertragung des Vorgehens auf der Basis von industriellen Daten. Aktivitäten diesbezüglich laufen.

Am IPA können dabei die Kompetenzen von verschiedenen Forschungsbereichen wie zum Beispiel IT-Systeme, Künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Sehen und natürlich Oberflächenverfahren und -technik kombiniert werden. Damit lassen sich Einsatzmöglichkeiten nicht nur ermitteln, sondern auch umfänglich entwickeln. Bei der Veranstaltung Galvanotechnik meets Digitalisierung am Fraunhofer IPA Ende November wird neben dem Fokus Digitalisierung auch ein Einblick zu KI und Maschinellem Lernen und die damit verbundenen Möglichkeiten gegeben.

 
 

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