Nachhaltigkeit in Produktionsunternehmen – so geht es in der Galvanotechnik

Oberflächen 08. 10. 2024

Betriebe im Bereich der galvanischen Metallabscheidung mit den dazu erforderlichen Technologien weisen in der ­Regel einen hohen Bedarf an Energie in Form von elektrischem Strom und Wärme auf. Um in diesem Fall die Anforderungen für ein nachhaltiges Wirtschaften zu erfüllen, ist eine umfangreiche, langfristige Planung für den Einsatz von umweltfreund­lichen Energiequellen erforderlich. Die Rieger Metallveredlung in Steinheim am Albuch hat als klassischer Lohnbeschichter einen Weg gefunden, um die Herausforderungen hin zu nachhaltiger Arbeitsweise in vorbildlicher Weise zu meistern.

2015 wurde nach weltweiten Diskussionen von den Vereinten Nationen die Agenda 2030 verabschiedet mit ihren globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung. Sie ist ein Fahrplan für die Zukunft, mit dem weltweit ein menschenwürdiges ­Leben ermöglicht und dabei gleichsam die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft bewahrt werden sollen, so die Definition in sehr allgemeiner Formulierung, wie sie in zahlreichen Medien zu finden ist [1].

Im Detail zeigt sich, dass die Vorgehensweise zur Realisierung der Ziele vor allem für Unternehmen in Industrie und Gewerbe deutlich unterschiedlich ausfällt. Unternehmen aus dem Bereich der Oberflächentechnik beziehungsweise der Galvanotechnik mit ihrem hohen Energiebedarf sind in diesem Zusammenhang vor allem gefordert, ihren Energieverbrauch aus nachhaltigen Quellen zu decken. Ressourcen werden in den meisten Bereichen ohnehin schon sehr sparsam verwendet, da nur geringste ­Materialmengen zur Optimierung von ­Bauteileigenschaften benötigt werden. Und der primäre Hilfsstoff Wasser wird seit langem zum großen Teil im Kreislauf gehalten und mit hocheffizienten Verfahren gereinigt.

Die Rieger Metallveredlung aus Steinheim am Albuch ist ein Betrieb aus dem Bereich der galvanischen Oberflächentechnik, der schon seit fast 20 Jahren daran ­arbeitet, seinen Energieverbrauch zu minimieren und nachhaltig zu gestalten. Insbesondere die frühzeitige Ausrichtung auf die erst 2015 formulierten Nachhaltigkeitsziele über einen langen Zeitraum, verschaffen dem Unternehmen eine beispielhafte Kompetenz bezüglich der bestehenden Methoden und deren Effizienz für eine im Sinne der Gesellschaft nachhaltige galvanotechnische Fertigung. Die Nachhaltigkeit der Rieger Metallveredlung wurde inzwischen durch mehrmalige Ausweisung des sogenannten CO2-Fußabdrucks von neutraler Seite bestätigt und erstmals durch einen Nachhaltigkeitsbericht für das Berichtsjahr 2022.

Entwicklung Abgaben und Steuern für den Strombezug (oben) sowie der Stromkosten für die Industrie seit 2014 (Letzte Zahl hinter dem Balken ist die Summe aller Einzelpositionen)(Quelle: VEA, BDEW)

 

Langfristige Ziele setzen

Wie Geschäftsführer Franz Rieger in einem Gespräch mit der WOMag betonte, kann der Weg zu einem bestätigt nachhaltigen Unternehmen lang sein. Es sei auf jeden Fall eine entsprechende gründliche Planung mit einem klaren Ziel erforderlich. Zudem sei es wichtig, dass die Entscheidungsträger im Unternehmen sich zum Ziel der Nachhaltigkeit bekennen, auch mit dem Bewußtsein, dass nicht jede Einzelaktion unbedingt sofort zu ­einem erkennbaren positiven Ergebnis führen muss. Vor allem politisch motivierte Entscheidungen im Hinblick auf die Erreichung des gesetzten Nachhaltigkeitsziels unterliegen je nach Orientierung unterschiedlichen Schwerpunkten. Als Beispiel nennt Franz Rieger die stark variierenden Höhen an Steuern und Abgaben, die durchaus dazu führen können, dass der angestrebte Energiemix in bestimmten Jahren weniger sinnvoll erscheint, als es zu Anfang geplant war.

Trommelanlage für die galvanische Metallabscheidung, die vollständig mit elektrischer Energie betrieben wird

 

Ein möglicher Weg zu Nachhaltigkeit

Die Rieger Metallveredlung hat ihre Arbeiten zur Steigerung der Energieeffizienz und Senkung des Ausstoßes an Kohlenstoffdioxid im Jahr 2007 begonnen. Im Rahmen der Teilnahme an einem Energieeffizienztisch entschloss sich das Unternehmen, die Arbeiten aufzunehmen, und zwar nach dem durch das Land Baden-Württemberg geförderten Modell Hohenlohe. Beim Modell Hohenlohe handelt es sich um ein innovatives Netzwerk für betrieblichen Umweltschutz und Nachhaltigkeit unter Mitwirkung der IHK. Als Ergebnis der Aktivitäten konnte Rieger die Energie­effizienz bis 2011 um sieben Prozent steigern und den Ausstoß an Kohlenstoffdioxid um 17 Prozent senken. Diese positiven Ergebnisse überzeugten den Unternehmer, eine Reihe von effizienzsteigernden Einzelmaßnahmen zu planen und in Angriff zu nehmen:

  • Eigenerzeugung von Strom durch eine Photovoltaikanlage mit zunächst knapp 100 kWp Leistung
  • Grundsätzliches Anstreben der höchsten Energieeffizienzklasse beim Einkauf von elektrischen Komponenten
  • Umstellung von Motoren und Gleichrichtern auf solche mit höchster Energieeffi­zienzklasse
  • Unternehmensfuhrpark sukzessive auf Elektroantrieb umrüsten
  • Umstellung der Heizung der Galvanikanlage von Öl- auf Stromheizung

Realisiert wurde bereits 2011 die Nutzung von Strom aus einer Photovoltaikanlage mit einer Leistung von knapp 100 kWp auf dem Dach des Betriebsgebäudes. 2014 ­erfolgte als weiterer größerer Schritt die ­Umstellung des Strombezugs auf reinen Ökostrom. Ab 2020 wurde Heizöl ausschließlich mit CO2-Ausgleichszertifikaten eingekauft und ein Jahr später wurde einer der vier Vollautomaten auf die ausschließliche Beheizung mit Strom an Stelle von Öl umgestellt. Zwischenzeitlich ist nur noch eine Anlage nicht elektrisch beheizt. Und seit diesem Jahr werden die Sozialräume und die Verwaltung durch ein zweistufiges System von Wärmepumpen beheizt. Dadurch werden so hohe Temperaturen des Heizungswassers erreicht, dass die klassische Einrichtung aus konventionellen Heizkörpern und Speicher­behälter beibehalten und damit erhebliches Investitionskapital eingespart werden konnte.

Die Entwicklung der Preise für Solarmodule lässt erkennen, dass die Investition in diese Art der Stromgewinnung immer interessanter wird

 

Ziele für die Zukunft

Auch wenn Franz Rieger mit seinem Unternehmen bezüglich der Nachhaltigkeit nach eigener Einschätzung zu den Vorreitern in der galvanotechnischen Industrie zählt, werden auch weiterhin Verbesserungen der Effizienz im Fokus seiner Arbeit stehen. Die im letzten Jahrzehnt sinkenden Preise für photovoltaische Module macht es interessant, die Kapazitäten auf dem Betriebsgelände bis auf das Maximum auszubauen. Dadurch lässt sich der Bezug an Fremdstrom weiter reduzieren und damit die Elektrifizierung der Wärmeversorgung sowie der Geräte und des Fuhrparks erweitern.

Solarmodule an der Südseite des Betriebsgebäudes in gekippter Anordnung (oben) sowie senkrecht als aufgesetzte Außenfassade (unten)

 

In diesem Zusammenhang spielt die Einrichtung von Speichern für elektrische Energie eine interessante Rolle, entweder in Form der klassischen Batterietechnologie oder eventuell auch als Redox-Flow-Speicher, für die die gängigen Einrichtungen in der galvanischen Industrie – große Volumina an wässrigen Lösungen - durchaus interessant sind. Fernziel ist die ausschließlich eigene Nutzung des erzeugten elektrischen Stroms, also ohne die bisher noch gebräuchliche Netzeinspeisung.

Auf der To-do-Liste des Unternehmens stehen weitere Aktivitäten zur Verdichtung der Anlagenauslastung sowie ein weiterer Ausbau der Wärmepumpentechnologie. Als wichtiges Fernziel hat sich Franz Rieger für das Jahr 2035 die vollständige Energieautarkie gesetzt – wichtige Schritte hierzu hat er heute schon vollzogen beziehungsweise deren Realisierung angestoßen.

Treibende Kraft

Nach Überzeugung von Franz Rieger beinhaltet der einfach klingende Begriff Nachhaltigkeit Elemente aus altbekannten Bereichen der Unternehmensführung und der gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung: Ökologie, Sozialbewußtsein und Ökonomie. Daraus leiten sich für Unternehmen die Aktivitäten ab, um die langfristige Existenz zu gewährleisten: etwa indem Investitionen im Hinblick auf Energie- und Ressourceneinsparung sowie Umweltschutz ausgerichtet werden. In zunehmendem Maße wirkt sich dieses Verhalten auf die positive Außenwirkung bei Kunden, Mitarbeitern, Kapitalgebern sowie der Gesellschaft in der näheren Umgebung vorteilhaft aus.

Für Franz Rieger ist es ausschlaggebend, dass die Unternehmen selbst die ­Initiative zur Schaffung der Nachhaltigkeit gemäß Sustainable Development Goals (SDGs) ergreifen; streng nach dem Motto: an die eigene Schaffenskraft glauben und handeln! Von den politisch Verantwortlichen sollten notwendige Freiräume für die erforderlichen Änderungen zur Erzielung einer hohen Nachhaltigkeit eingefordert werden. Nur die Ziele sollten vorgegeben werden, ohne den Weg dorthin in zu engen Grenzen vorzuschreiben. Und auch hier gilt nach Überzeugung von Franz Rieger: Bürokratie abbauen ist unumgänglich! Einen Weg zu nachhaltigem Wirtschaften unter Beibehaltung der Zukunftsfähigkeit hat die Rieger Metallveredlung aufgezeigt. Nachahmer sind willkommen.

Literatur

[1] N.N.; Ziele für nachhaltige Entwicklung; https://de.wikipedia.org/wiki/Ziele_für_nachhaltige_Entwicklung

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