Flexible Strahlformung-Plattform optimiert LPBF-Prozesse

Werkstoffe 09. 12. 2024
  • Autoren dieses Artikels
  • 219x gelesen

Neuer Ansatz in der Strahlformung macht die additive Fertigung flexibler und effizienter: Das Fraunhofer ILT hat eine neue Plattform entwickelt, mit der Laser Powder Bed Fusion (LPBF) Prozesse individuell optimiert werden. Maßgeschneiderte Strahlprofile verbessern nach Mitteilung des Instituts die Bauteilqualität, reduzieren Materialverluste und ermöglichen bisher nicht mögliche Skalierungen der Aufbaurate des Einzelstrahlprozess.

Einige Studien haben bereits eindrucksvoll belegt, dass die Strahlformung beim Laser Powder Bed Fusion (LPBF) die Effizienz und Produktivität dieses additiven Fertigungsverfahrens verbessern kann. Das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und der ­Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme (TOS) der RWTH Aachen arbeiten gemeinsam an einem hochmodernen Testsystem, das die ­flexible Untersuchung komplexer ­Laserstrahlprofile in Leistungsklassen bis 2 kW ermöglicht; diese Innovation ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen für industrielle Partner. Ziel dieser Plattform ist es, LPBF-Prozesse effizienter und robuster in die industrielle Fertigung zu integrieren, sodass sie den wachsenden Anforderungen der Branche gerecht werden.

Mit der aktuell im Aufbau befindlichen Anlage (oben) lassen sich mithilfe von LCoS-SLMs durch gezielte Krümmung der Phasenfront des Laserstrahls nahezu beliebige Strahlprofile (unten) im LPBF-Prozess erzeugen (© Fraunhofer ILT, Aachen)

 

Nachteile der Gaußverteilung

Derzeit werden in vielen LPBF-Prozessen Laserleistungen von etwa 300 bis 400 Watt eingesetzt. Der standardmäßig verwendete gaußförmige Laserstrahl bringt jedoch wesentliche Nachteile mit sich: Die starke Leistungskonzentration im Strahlzentrum führt zu lokalen Überhitzungen und unerwünschter Materialverdampfung sowie zu Prozess­instabilitäten, welche die Bauteilqualität durch Spritzer und Poren beeinträchtigen können. Dies begrenzt die Skalierbarkeit des Verfahrens erheblich, sodass die in LPBF-Anlagen verfügbare Laserleistung – oft bis zu 1 kW – für die meisten Materialien nicht ausgenutzt werden kann.

Eine Möglichkeit, den Prozess zu beschleunigen, ist nach Aussage von Marvin Kippels, Doktorand der Abteilung Laser Powder Bed Fusion am Fraunhofer ILT, mehrere Laser und Optiksysteme parallel einzusetzen. Die Kosten skalieren aber mindestens proportional zu der Anzahl der verbauten Systeme. Zudem können diese Systeme in realen Anwendungen nicht immer homogen ausgelastet werden, wodurch nur eine ­unterproportionale Steigerung der Produktivität erreicht wird. Ein vielversprechender Ansatz ist daher eine Produktivitätssteigerung des Einzelstrahlprozesses, der auch auf Multistrahlsysteme übertragen werden kann.

Marvin Kippels, Doktorand der Abteilung Laser Powder Bed Fusion am Fraunhofer ILT (© Fraunhofer ILT, Aachen)

 

Neue Möglichkeiten durch Strahlformung

Vorangegangene Untersuchungen haben nach Mitteilung des Fraunhofer ILT gezeigt, dass schon einfache Strahlformungen mit rechteckigen, ringförmigen oder die Kombi­nation zweier gaußförmiger Verteilungen vielversprechende Resultate bei der Bauteilqualität sowie der Prozessgeschwindigkeit erzeugen. Das Potenzial komplexerer Strahlformen ist bislang weitgehend unerforscht, da die dafür notwendige Systemtechnik fehlte. Das ändert sich nun durch die umfassenden Untersuchungen, die Forschende am Fraunhofer ILT begonnen haben.

Die Laserstrahl/Material-Interaktion im Prozess ist durch ihre Dynamik so komplex, dass Simulationen nur Hinweise auf das tatsäch­liche Schmelzbadverhalten geben können, erklärt Kippels, der aktuell eine neuartige Anlage aufbaut, die mithilfe von LCoS-SLMs (Liquid Crystal on Silicon – Spatial Light Modulator), die Untersuchung nahezu beliebiger Strahlprofile im LPBF-Prozess ermöglicht.

Mit einer Laserleistung von bis zu 2 kW bietet das innovative System eine Plattform zur Erprobung neuer Strahlformen bei sehr hohen Leistungen im LPBF-Prozess. Damit lässt sich die geeignete Systemtechnik für eine individuelle LPBF-Aufgabenstellung identifizieren. Wir können den LPBF-Prozess so gezielt optimieren, erklärt Kippels weiter und meint damit konkret: weniger Materialverdampfung, geringere Spritzerbildung, Senkung der Schmelzbaddynamik, Glättung der Schmelzspuroberfläche, Steigerung der Prozesseffizienz durch Anpassung der Schmelzspurgeometrie.

Umverteilung der Laserstrahlintensität während der Propagation nach Reflexion an einer Phasenmaske eines LCoS-SLM; links Initial- und rechts Zielverteilung (© Fraunhofer ILT, Aachen)

 

Flexible Strahlprofile für ­spezifische Anforderungen

Derzeit wird Systemtechnik häufig damit beworben, spezifische Strahlformen wie Ring- oder Top Hat-Profile zu erzeugen. Der Wahl dieser Strahlformen liegt jedoch kein tiefergehendes Verständnis der zugrundeliegenden Prozessmechanismen vor, was sich in der teils widersprüchlichen Literatur dazu widerspiegelt, so das Fraunhofer ILT. Erst das grundlegende Verständnis der Prozesse ermöglicht, gezielt zu definieren, welche Anpassungen ein festgelegtes Ziel erreichen, wie beispielsweise eine bestimmte Schmelzspurgeometrie.

Dies erfordert die Entwicklung einer für die Anwendung optimierten Strahlform, die dann idealerweise ohne den Einsatz von LCoS-SLM-Technologie im Unternehmen umgesetzt werden kann. Industriekunden und Projektpartner des Fraunhofer ILT können mit dieser Forschungsplattform bereits von einer bisher nicht dagewesenen Flexibilität bei der Erforschung des Strahlwerkzeuges profitieren.

Die Forschenden stehen laut Marvin Kippels noch ganz am Anfang, sähen aber schon das enorme Potenzial, das die Strahlformung für den LPBF-Prozess biete. Es gebe eben nicht die eine perfekte Strahlform – jede Anwendung habe ihre eigenen Anforderungen. Durch unsere flexible Strahlformung können wir für jeden Prozess die ideale Verteilung finden, die besten Prozessparameter für die entsprechende Aufgabe, sagt Kippels. Für dieses Ziel unterstützen mehrere Abteilungen des Aachener Instituts die Arbeit von Kippels und seinem Team.

Kontakt

Marvin Kippels M.Sc., Gruppe Process & Systems Engeneering, E-Mail: marvin.kippels@ilt.fraunhofer.de

Niklas Prätzsch M.Sc., Gruppenleiter LPBF-Prozesstechnik, E-Mail: niklas.praetzsch@ilt.fraunhofer.de

Mit der aktuell im Aufbau befindlichen Anlage (l.) lassen sich mithilfe von LCoS-SLMs durch gezielte Krümmung der Phasenfront des Laserstrahls nahezu beliebige Strahlprofile (r.) im LPBF-Prozess erzeugen(© Fraunhofer ILT, Aachen)

Marvin Kippels, Doktorand der Abteilung Laser Powder Bed Fusion am Fraunhofer ILT (© Fraunhofer ILT, Aachen)

Umverteilung der Laserstrahlintensität während der Propagation nach Reflexion an einer Phasenmaske eines LCoS-SLM; links Initial- und rechts Zielverteilung(© Fraunhofer ILT, Aachen)

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top