Der Fachgruppe Oberflächen im Kompetenz- und Kooperationsnetzwerk microTEC Südwest bot sich am 22. Oktober bei der inzwischen 33. Fachgruppensitzung ein interessantes und vielfältiges Programm. Auf Einladung der GF Machining Solutions in Schorndorf lernten die Teilnehmenden die mechanische Bearbeitung von Werkstoffen durch Drehen, Fräsen, Erodieren oder mittels Lasertechniken näher kennen. Vorträge informierten die Teilnehmer über Ergebnisse der Hochschule Furtwangen im Bereich Mikromedizin, über den Einsatz von PEEK für MEMS sowie über Entwicklungsarbeiten von elektronischen Komponenten unter Einsatz von Galvanotechnik der Hochschule Kaiserslautern.
Dr. Christine Neuy und Prof. Dr. Volker Bucher (Bild: microTEC)
Die Fachgruppe Oberflächen von microTEC Südwest sieht sich als Expertennetzwerk und damit auch als Innovationstreiber für Oberflächenthemen in der Mikrosystemtechnik. Die Kompetenzen der Mitglieder der Fachgruppe liegen unter anderem in den Bereichen Analytik, Funktionalisierung von Werkstoffen, Beschichtung und Strukturierung von Oberflächen. Die 33. Sitzung der Fachgruppe am 22. Oktober bei der GF Machining Solutions in Schorndorf bot neben Vorträgen zu Aktivitäten der Mitglieder die Möglichkeit, sich von den Leistungen des Unternehmens und dessen Anlagentechnologien ein Bild zu machen. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass die klassische mechanische Formgebung durch Varianten des Fräsens und Erodierens Oberflächenqualitäten erreichen, die keinerlei weitere mechanische Nachbearbeitung durch Schleifen oder Polieren mehr erforderlich machen.
Dr. Christine Neuy, stellvertrende Geschäftsführerin von microTEC Südwest e. V., und der Fachgruppensprecher Prof. Dr. Volker Bucher zeigten sich sehr erfreut über die rege Teilnahme und eröffneten die Sitzung. Auf dem Programm stand zunächst eine Vorstellung des einladenden Unternehmens GF Machining Solutions durch Axel Kaucher.
GF Machining Solutions
Die Georg Fischer AG (GF) wurde bereits 1802 in Schaffhausen, Schweiz, gegründet und ist heute in die vier Sparten GF Piping Systems, GF Building Flow Solutions, GF Casting Solutions und GF Machining Solutions aufgeteilt.
Niederlassung der GF in Schorndorf (Bild: microTEC)
Die GF befasst sich bereits seit 1864 mit Rohrleitungen; weitere Geschäftsfelder sind der Stahlguss für Fahrzeuge und seit 1921 die Herstellung von Maschinen beziehungsweise Anlagen durch die GF Machining Solutions. Der neueste Geschäftsbereich umfasst die Entwicklung von Lösungen für den effizienten Transport von Wasser in Kommunen, Gebäuden und Wohnungen durch die 2023 gegründete GF Building Flow Solutions. Aktuell verfügt der Konzern über 105 Produktionsstandorte weltweit mit einem Umsatz von etwa fünf Milliarden Schweizer Franken.
GF Machining Solutions (GFMS) ist im Konzern der kleinste Bereich und bietet Komplettlösungen für Hersteller von Präzisionsteilen und Werkzeugen sowie den Formenbau. GFMS bedient dabei die gesamte Sparte der Industrie mit Maschinen zur Fertigung von Teilen durch Fräsen, Drehen, Erodieren, Laser-/Mikrobearbeitung oder 3D-Druck. Mittels Laser erfolgen Bearbeitungen in Form von 3D-Strukturierung, 3D-Gravur oder Mikrobearbeitung. Zu den neueren Arbeitsbereichen zählt die additive Fertigung im Bereich Maschinenbau. Der Standort Schorndorf ist ein reiner Vertriebsstandort mit allen dafür notwendigen Bereichen.
Unter dem Stichwort Mikrobearbeitung bietet GFMS beispielsweise Maschinen zur Herstellung von Mikrokavitäten, komplexen Formen oder die Bearbeitung harter Materialien an. Eine Herausforderung ist dabei vor allem der wirtschaftliche Aspekt. Als zukunftsweisend hat sich hierfür die Technologie der 3D-Laserablation zur Texturierung oder Gravierung erwiesen.
Bei dieser Arbeitsweise wird der eingesetzte Laserstrahl für die Bearbeitung durch Spiegel variiert und das Werkstück bleibt bewegungslos. Damit lassen sich Arbeitsfelder von mehr als 15 mm x 15 mm realisieren, wobei die Punktgrößen des Laserstrahls herab bis zu 10 µm reichen. Für diese Bearbeitung werden Nano- und Femtosekundenlaser eingesetzt.
Ein großer Vorteil der Femtosekundenlaser ist, dass das Substrat weitgehend ohne thermische Belastung bleibt. Zudem ist durch die Bearbeitung mittels Femtosekundenlaser eine im Prinzip gratfreie Bearbeitung möglich. Ist dagegen ein Wärmeeintrag in das zu bearbeitende Substrat gewünscht, wird mit einem Nanolaser gearbeitet. Nanolaser ermöglichen die Bearbeitung von Materialien, die mittels Erodieren (als klassische Alternative) kaum genutzt werden können (wie Wolframcarbid). Als besonderer Vorteil gilt die erzielbare hohe Präzision im Mikrometerbereich bei dreidimensionalen Formen. Die Anwendungen liegen zum Beispiel bei der Produktion von chirurgischen Bauteilen.
Wichtige Faktoren bei der Ausführung von Mikrobearbeitungen sind die thermische Umgebung und die thermische Konstanz der Bearbeitungsmaschine. Hierfür bietet GFMS eine spezielle Maschine für die Laserbearbeitung an. Weitere Anwendungen für derartige Hochleistungsmaschinen liegen bei der Herstellung von Stanzwerkzeugen für elektronische Bauteile.
Herstellung eines aktiven Augenimplantats
Sven Schumayer stellte seine bei Prof. Bucher durchgeführte Entwicklung zur Herstellung einer biomimetischen Sehhilfe für presbyope Menschen vor (Presbyopie – auch Alterssichtigkeit beziehungsweise Altersweitsichtigkeit genannt). Die Sehhilfe hat die Aufgabe, die Linse des Auges zu unterstützen, um damit die Scharfstellung des Auges (in gewissen Grenzen) zu gewährleisten.
Ein wichtiger Schritt ist die Messung der Biopotentiale des Ziliarmuskels des Auges. Diese Potentiale dienen zur Steuerung der Augenmuskulatur für die Scharfstellung. Die vom Gehirn ausgelösten Potentiale sollen für die Sehhilfe genutzt werden, um zukünftige intelligente Linsen optimal einstellen zu können. Um diese Biopotential zu messen, wurde ein Ringelektrode entwickelt, die in das Auge eingesetzt werden kann und die ermittelten Poteniale zur weiteren Verwendung erfasst. Im nächsten Schritt ist es erforderlich, ein passendes Tiermodell für die Entwicklung eines Systems für den Menschen zu suchen. Das einzusetzende Implantat muss darüber hinaus eine entsprechende Flexibilität und Funktionalität aufzuweisen.
Schematische Darstellung für den Einbau der Ringelektrode (unten) sowie für die gesamte Meßvorrichtung zur Erfassung der Biopotentiale im Auge (Bild: S. Schumayer)
Kontaktierte Ringelektrode mit PTFE-beschichtetes Goldkabel (150 μm) (1), abisoliertes Goldkabel (90 μm) (2) und Silberleitkleber (3) (Bild: S. Schumayer)
Auf Basis der Anforderungen wurde ein Ring mit einer Materialdicke von etwa 150 µm hergestellt, der als Ringelektrode in ein Auge eingesetzt werden kann. Die Ringelektrode wurde mittels Laserschneidens hergestellt. Die Kontaktierung wurde über teflonbeschichtete Golddrähte realisiert. Die Dicke der Drähte lag zwischen etwa 90 µm und 150 µm. Die für den Betrieb erforderliche elektrische Energieversorgung wurde mittels einer 30-mAh-Knopfzelle umgesetzt. Als Schutzbeschichtung der Messeinrichtung wirkte eine Parylenbeschichtung.
Aus den ersten Versuchen des Einsetzens in ein Auge ergaben sich konstruktive Änderungen bei der Geometrie der Ringelektrode. Diese verbesserte Version konnte in einem Tierversuch mit einer Einsetzdauer von etwa 100 Tagen mit positivem Resultat genutzt werden.
MEMS auf thermoplastischen Substraten
Die von Stefan Bur von der Ensinger GmbH, Nufringen, vorgestellten MEMS sind Bestandteile einer neuen Toolbox für die Mikrosystemtechnik. Das seit 1966 bestehende Unternehmen ist in der Kunststoffverarbeitung aktiv und kann auf 34 Niederlassungen weltweit zugreifen. Ensinger stellt aus Rohstoffen Granulate her und fertigt daraus Halbfertigteile und hochpräzise Fertigteile. Ein spezielles Produkt ist ein Kunststoffwafer aus PEEK in medizinischer Reinheit. Diese Wafer zeichnen sich durch eine sehr geringe Oberflächenrauheit (Ra 0,04 (bis 20 nm)) und hohe Ebenheit (< 100 µm) aus; an Stelle der runden Form ist auch eine quadratische möglich. Das Substrat ist ein hervorragender thermischer und elektrischer Isolator, der auch als biokompatible Version verfügbar ist. Auf einem solchen Wafer sind die üblichen Prozesse der Mikrosystemtechnik durchführbar, beispielsweise für die Herstellung von unterschiedlichen Sensoren.
Im Rahmen der Förderung eines unternehmensinternen Start-ups werden aus den PEEK-Wafern MEMS-Sensoren gefertigt. Dafür werden Prozesse wie Spin Coating, Entwicklung und Auftragung von Strukturen mittels PVD, aber auch verkürzte Verfahren wie Laser-Direkt-Strukturierung (LDS) eingesetzt. Hierbei wird die Tatsache genutzt, dass LDS sehr gut für die Aufbau- und Verbindungstechnik geeignet ist. Anwendung findet die Technologie beispielsweise bei der Herstellung eines Strömungssensors oder eines Sensorarrays.
Aktuelles EMST-Sensor Portfolio (Bild: St. Bur)
Strukturierung für Sensorik und Lifescience
Wie Prof. Dr. Monika Saumer einleitend vermerkte, basieren die Arbeiten der Hochschule Kaiserslautern auf neuen Laboreinrichtungen mit Lithografie und Metallisierung durch galvanische Verfahren. Die daraus hergestellten Sensoren finden Anwendung in der Medizin, der Sensorik oder der Nutzung von magnetischen Eigenschaften. Zu den hergestellten Bauteilen zählen beispielsweise hierarchische Mikrostrukturen, aus denen mittels Bakterien Zellulose erzeugt wird. Ein weiteres Beispiel sind Chips mit Multielektrodenarrays zur Untersuchung von Zellkulturen.
Zur Charakterisierung der Oberflächeneigenschaften werden unterschiedliche elektrochemische Verfahren herangezogen. Eines der Ziele der Arbeiten ist die Verbesserung der Zellhaftung auf den Substraten. Hierbei ist erkennbar, dass die Haftung der Zellen von der Nanostruktur einer Oberfläche abhängt. Eine Erweiterung der Arbeiten geht dahin, dass anstelle von gleichmäßigen Oberflächenstrukturen ungeordnete Strukturen erzeugt werden, wie sie auch in der Natur vorkommen. Solche Strukturen wurden unter Einsatz von Collagen aufgebracht. Die Strukturen resultieren in einer guten Haftung und einem guten Wachstumsverhalten.
Nanostrukturierte Sensoroberflächen, wie sie in der Arbeitsgruppe von Prof. Saumer erzeugt werden (Bild: Prof. Saumer)
Ein weiteres Tätigkeitsgebiet der Vortragenden ist die galvanische Legierungsabscheidung, beispielsweise für die Zahnmedizin oder zur Herstellung von TMR-Sensoren zur Bestimmung von Magnetfeldeigenschaften. Dabei wird die Zusammensetzung der abgeschiedenen Legierungen modifiziert. Eingesetzt werden dazu Goldlegierungen oder Nickel-Eisen. Mit Nickel-Eisen-Stäbchen im Mikrometerbereich lässt sich zeigen, dass das Wachstum von Zellen durch Magnetfelder beeinflusst werden kann.
EDIH Südwest
Zum Abschluss der Sitzung stellte Dr. Dagmar Martin, NMI, das European Digital Innovation Hub Südwest (EDIH Südwest) vor. Das EDIH Südwest ist zentrale Anlaufstelle im Südwesten Baden-Württembergs für die Digitalisierung. Ein Konsortium aus derzeit 13 Partnern bietet das entsprechende Know-how, um den Bedarf der digitalen Transformation zu ermitteln und bei der Umsetzung zu unterstützen. ein Großteil der dafür anfallenden Dienstleistungen sind für kleine und mittlere Unternehmen, Start-ups und die öffentliche Verwaltung kostenfrei. Besondere Expertise liegt in den Bereichen Gesundheitswesen, Automotive und Fertigungen vor.
Das EDIH Südwest bietet Interessenten beispielsweise Unterstützung für den Zugang zu digitaler Infrastruktur oder die Verbesserung der notwendigen Digitaltechnik, etwa durch Experten für Softwarelösungen oder den Einsatz von KI. Beispiele sind die digitale Schmierstoffentwicklung, Digitalisierung von Analytik, Reinigungs- und Prozessüberwachung.
- www.microtec-suedwest.de