Besser als Diamant| WOTech Technical Media

Besser als Diamant

Physiker der Universität Würzburg haben Siliziumkarbidkristalle so verändert, dass sie neue, überraschende Eigenschaften zeigen. Das macht sie interessant für den Bau leistungsfähiger Computer oder für die Datenübertragung.

 

Eine Kombination aus Licht- und Radiowellen kann benutzt werden, um Information in Siliziumfehlstellen zu speichern und auszulesen / Grafik: Georgy Astakhov

 

Siliziumkarbidkristalle bestehen aus einem regelmäßigen Gitter, aufgebaut aus Silizium- und Kohlenstoffatomen. Die Halbleiter finden heutzutage vielfach in der Mikro- und Optoelektronik Verwendung. Physikern der Universität Würzburg ist es jetzt mit Wissenschaftlern aus St. Petersburg gelungen, Siliziumkarbid so zu manipulieren, dass sich das Material unter anderem für den Einsatz in neuartigen, extrem schnellen Quanten-Computern anbietet.

Nach Dr. Georgy Astakhov, wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Experimentelle Physik VI der Universität Würzburg, haben die Wissenschaftler ein Siliziumatom aus dem Kristallgitter entfernt und somit eine Siliziumfehlstelle erzeugt. Zur Überraschung der Forscher gibt diese Fehlstelle dem Material interessante neue Eigenschaften. Damit der Halbleiter Licht emittiert, müssen seine Elektronen – bildlich gesprochen – auf ein höheres Energieniveau gebracht werden, beispielsweise durch die Zufuhr von sehr energiereichem Licht. Die Siliziumfehlstelle sorgt nun dafür, dass zusätzliche Energieniveaus in der so genannten Bandlücke entstehen.

Vladimir Dyakonov, Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Physik VI, erklärt das Geschehen mit einem einfachen Bild: In einem regulären, fehlerfreien Siliziumkarbidkristall muss das Elektron eine hohe Hürde mit nur einem Schritt überwinden. Es braucht dafür ziemlich viel Energie. Dank der Fehlstelle bekommt es aber eine Leiter zur Verfügung gestellt. Mit ihr kann es die Hürde in zwei Schritten hochklettern, und dafür ist weniger Energie nötig. Diese Art von Siliziumkarbid strahlt nun kein ultraviolettes, sondern infrarotes Licht ab, wenn die Elektronen von dem hohen Energieniveau auf das niedrigere zurückfallen. Licht, das sich nach Astakhovs Worten besser dafür eignet, Informationen in einer Glasfaser zu übertragen. Dort werden Wellenlängen im Infraroten benötigt, so der Physiker.

Einsatz im Quantencomputer

Besonders interessant ist das modifizierte Siliziumkarbid für eine weitere Anwendung – als Halbleiter und Speichermedium in neuartigen Quantencomputern. Transistoren sind seit ihrer Erfindung von mehreren zehn Mikrometern auf ungefähr zehn Nanometer geschrumpft – also auf etwa ein Tausendstel ihrer anfänglichen Größe. Schreitet die Miniaturisierung in diesem Tempo fort, müssten Transistoren in einem Jahrzehnt aus einem einzelnen Atom bestehen. In dieser Größenordnung gelten dann allerdings andere physikalische Gesetze, nämlich die der Quantenmechanik.

Heutige Computer verarbeiten Informationen nach dem binären Prinzip 0 und 1: Strom fließt oder er fließt nicht. Ein Quantencomputer verarbeitet Informationen in Form von so genannten Qubits. Basis dafür kann der Spin der Elektronen sein. Das ist – vereinfacht gesagt – deren Drehimpuls. Er kann in verschiedene Richtungen zeigen und deshalb viel mehr Information als ein klassisches Bit enthalten.

Nach Dr. Georgy Astakhov haben auf diesem Forschungsgebiet zuletzt die Farbzentren in Diamant große Aufmerksamkeit gewonnen, die ähnliche Defekte aufweisen wie das Siliziumkarbid. Ihre Qubits lassen sich gut ansprechen, verändern und auslesen – und das auch noch bei Raumtemperatur. Allerdings ist Diamant ein Material, dessen Herstellungstechnologie längst nicht so gut entwickelt ist wie für Silizium-Halbleiter. Deshalb läuft jetzt weltweit eine Suche nach Quantensystemen, welche die Vorteile von Diamant und Silizium in einem Material vereinigen.

Siliziumkarbid mit einer Fehlstelle bietet sich dafür nach Einschätzung der Würzburger Physiker an. Das fehlende Atom hat ja auch zur Folge, dass in dem Kristallgitter ein Elektron fehlt, und das ist wiederum gleichbedeutend mit dem Spin, der im Quantencomputer Informationsträger sein kann. Außerdem ist die Technologie für Siliziumkarbid sehr gut entwickelt. Leuchtdioden, Transistoren, mikroelektromechanische Bauelemente oder Sensoren aus diesem Material sind bereits auf dem Markt.

Für ihre Experimente haben die Würzburger Physiker mit Forschern aus Sankt Petersburg zusammengearbeitet. Indem sie die Siliziumkristalle gleichzeitig mit Licht und Radiowellen beschossen, konnten sie die Spins gezielt manipulieren und so die Information speichern und bei Bedarf auslesen. Besonders begeistert sind die Physiker von einem Aspekt, dass sich die Siliziumfehlstellen-Qubits in einem dicht gepackten Kristall fast wie Atome mit sehr definierten, äußerst scharfen optischen Resonanzen verhalten. Das ist absolut außergewöhnlich, so Dr. Georgy Astakhov. Ihre Ergebnisse haben die Forscher Ende 2012 in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht (1).

Zukünftige Pläne

Spin-Quanten-Computer müssen Informationen nicht nur verarbeiten, sondern auch über einen möglichst langen Zeitraum hinweg speichern können. Das ist momentan noch ein Problem, da die Streufelder benachbarter Atomkerne die an Fehlstellen gespeicherte Information mit der Zeit löschen. Die Forscher aus Würzburg und Sankt Petersburg planen deshalb, in einem nächsten Schritt Siliziumkarbidkristalle herzustellen, die aus einem Siliziumisotop ohne magnetisches Moment aufgebaut sind. Dr. Georgy Astakhov weist darauf hin, dass von Silizium- und Kohlenstoffatomen auch spin-freie Isotope existieren. Ein Siliziumkarbidkristall, aufgebaut nur aus solchen Isotopen, sollte deshalb in der Lage sein, die Information sehr lange zu behalten.

(1) Resonant addressing and manipulation of silicon vacancy qubits in silicon carbide, D. Riedel, F. Fuchs, H. Kraus, S. Väth, A. Sperlich, V. Dyakonov, A. A. Soltamova, P. G. Baranov, V. A. Ilyin, and G. V. Astakhov, Phys. Rev. Lett., 109, 226402 (2012), doi:10.1103/PhysRevLett.109.226402

Prof. Dr. Vladimir Dyakonov, Dr. Georgy Astakhov, Universität Würzburg

www.physik.uni-wuerzburg.de

 

 

Aktuelle Onlineartikel

Top