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Geordnete Unordnung: Neue Erkenntnisse zur Alterung metallischer Gläser ebnen Weg für Hightech-Anwendungen

Die Computersimulation zeigt Atomcluster eines metallischen Glases im Zeitverlauf, die Dichte und Ordnung nimmt kontinuierlich zu (Bild: BAM)

Ein Forschungsteam der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ist der Frage nachgegangen, weshalb selbst die vielversprechendsten Hochleistungsmaterialien mit der Zeit verspröden, und hat überraschende Antworten gefunden. Ihre Entdeckung ebnet den Weg für vielfältige, neue Anwendungen, unter anderem in der Luftfahrt, Medizintechnik und im 3D-Druck.

Metallische Gläser sind interessant für viele Hightech-Bereiche. Sie kombinieren metallische Eigenschaften wie Leitfähigkeit mit herausragender Festigkeit und Elastizität. Letztere verdankt das Material seiner glasartigen, das heißt amorphen, also auf der Atomebene ungeordneten Struktur. Insgesamt zeigt diese Materialklasse sogar bessere Eigenschaften als Stähle, wie sie heutzutage in der Industrie eingesetzt werden. Allerdings neigen metallische Gläser durch Alterungsprozesse zur Versprödung, was ihre Anwendungsmöglichkeiten seit Jahrzehnten stark limitiert.

In mehreren aktuellen Studien wurde bei der BAM und der ETH Zürich die mikrostrukturellen Prozesse metallischer Gläser während des Alterungsprozesses und unter mechanischer Belastung genauer untersucht. Bereits zuvor hatte die Gruppe um Robert Maaß (BAM) und Peter Derlet (ETH Zürich) anhand von Langzeitsimulationen erkannt, dass die amorphen, also scheinbar auf der Atomebene gänzlich ungeordneten Werkstoffe dennoch eine Art von Ordnungssystem besitzen. Es handelt sich nach Aussage der BAM-Wissenschaftlerin Birte Riechers aus der Abteilung für Werkstofftechnik dabei um ein Netzwerk von Atomen. Genau dieses Netzwerk verleiht dem amorphen Material seine Elastizität, führt aber eben auch zur Versprödung, wenn es sich zu stark ausprägt.

In Versuchen an der Synchrotronquelle Advanced Photon Source des Argonne National Laboratory in Chicago ist es gelungen, diese atomaren Netzwerke nicht nur wie bisher in Simulationen, sondern auch an real existierenden metallischen Gläsern nachzuweisen. Die Erkenntnisse des internationalen Teams sind von großer Bedeutung für die Anwendung von metallischen Gläsern in der Praxis. Sie ermöglichen es, die Alterungsprozesse der Hochleistungsmaterialien besser zu verstehen und damit die Materialien zu optimieren. Die Entdeckung geordneter Unordnung auf der Mikroebene ist für uns der Ansatz, die mechanischen Eigenschaften metallischer Gläser gezielt zu verbessern und sie anwendungsreif für zahlreiche weitere sicherheitskritische Bereiche wie die Robotik, Medizintechnik, Bauindustrie und Luft- und Weltraumfahrt zu machen, so Birte Riechers.

www.bam.de

Weiterführende Veröffentlichungen:

Riechers et al., Intermittent cluster dynamics and temporal fractional diffusion in a bulk metallic glass, Nature Communications (2024); https://www.nature.com/articles/s41467-024-50758-3

Riechers et al., Metallic glasses: Elastically stiff yet flowing at any stress, Materials Today (2024); https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1369702124002736

Wang et al., Atomic cluster dynamics causes intermittent aging of metallic glasses, Acta Materialia (2024)

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