Sauer oder alkalisch Zink-Nickel? – Ein Systemvergleich

Oberflächen 09. 02. 2013
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Von Ralph Krauß, Geislingen

Die galvanische Abscheidung von Zink-Nickel mit den heute üblichen Nickelgehalten zwischen 12 Gew.% und 16 Gew.% kann aus ­einem sauren oder einem alkalischen Elektrolyten erfolgen. Aus dem sauren Elektrolyten kann mit höherer Stromausbeute und damit schneller abgeschieden werden, allerdings ist die Metallverteilung deutlich schlechter als bei alkalischen Elektrolyten. Dies kann sich besonders bei komplexen Teilegeometrien nachteilig auswirken. Schwierigkeiten bei der Bekeimung von kritischem Grundmaterial können beim alkalischen Zink-Nickel-Verfahren bei der Beschichtung von speziellen Trommelmaterialien und Gussteilen zu Problemen führen, weshalb hier der saure Elektrolyttyp zu bevorzugen ist. Klassisches Blech- beziehungsweise Rohrmaterial, welches anschließend eventuell noch verformt wird, sollte beispielsweise aufgrund der besseren Metallverteilung weiterhin bevorzugt mit dem alkalischen Zink-Nickel-Verfahren beschichtet werden.

Acid or Alkaline Zinc-Nickel? Two Systems Compared

Zinc-nickel alloys, typically with 12 to 16 wt% nickel can be electrodeposited from either acid or alkaline electrolytes. Using acid electrolytes, a higher current efficiency and thus a more rapid deposition rate can be achieved. However metal distribution is significantly inferior to that obtained using alkaline systems, which can cause problems especially with components having complex geometries. With alkaline electrolytes, nucleation problems can arise in the case of certain substrates with barrel plating and cast components. In these cases, acid systems are preferable. Long-established processes where sheet metal and also tubing are involved and especially where there is a subsequent metal deformation operation are often better suited to alkaline systems is on account of the superior metal distribution in this case.

Bereits in den 1980-er Jahren wurden aus stark ammoniumhaltigen, schwachsauren Zink-Nickel-Elektrolyten korrosionsschützende Schichten auf Stahl- oder Gussteilen abgeschieden. Der auch unter thermischer Belastung extrem hohe Grundmetallkorrosionsschutz dieser Schichten konnte im Vergleich mit anderen Zinklegierungsschichten innerhalb der Automobilindustrie überzeugen, sodass bis heute galvanisch abgeschiedenes Zink-Nickel als kathodische Korrosionsschutzschicht von Stahl eingesetzt wird.

Lediglich die zur Abscheidung verwendeten Elektrolyte haben sich den im Laufe der Zeit veränderten ökologischen und technischen Anforderungen angepasst. So enthalten heute auf dem Markt befindliche schwachsaure Elektrolyte beispielsweise kein aus abwassertechnischer Sicht bedenkliches Ammonium mehr. Anstelle von Ammonium werden Borsäure oder organische Säuren als Puffersubstanzen eingesetzt. Die komplexierende Wirkung von Ammonium auf ­Nickel wurde durch den Einsatz alternativer Komplexbildner adäquat ersetzt.

1 Vergleichende Eigenschafts­betrachtung

Vor allem bei geometrisch stark profilierten großflächigeren Gestellteilen kommt es bedingt durch die relativ schlechte Metallverteilung des schwachsauren Elektrolyttyps zu einer starken Schichtdickenschwankung auf dem Bauteil (Abb. 1). Diese auch als Hundeknocheneffekt bekannte Eigenschaft ist auch auf großen Trommelteilen vorhanden (Abb. 2).

Abb. 1: Gestellteil mit einer Zink-Nickel-Schicht, abgeschieden aus einem sauren Elektrolyten

Abb. 2: Vergleichende Metallverteilung anhand eines großflächigen Trommelteils

Besonders nachteilig ist eine schlechte Metallverteilung dann, wenn die Teile nachträglich noch verformt werden. An Stellen mit stark erhöhter Schichtdicke kann es dann zum verstärkten Aufreißen der Zink-Nickel-Schicht kommen.

Generell lassen sich aus alkalischen Elektrolyten durch die niedrigere Stromausbeute­ bei hohen Stromdichten Schichten mit deutlich verbesserter Metallverteilung abscheiden. Aus diesem Grund heraus wurden­ bereits in den 90-er Jahren verstärkt alkalisch basierende Zink-Nickel-Elektrolyte entwickelt und großtechnisch in Gestell- und Trommelanlagen eingesetzt. Solche, auf Natronlauge basierende, Elektrolyte besitzen eine hervorragende Schicht­dickenverteilung, auch über ein großes Warenfenster hinweg (Abb. 3 und Abb. 4).

Abb. 3: Messpunkte an großflächigem Gestellteil

Abb. 4: Vergleichende Metallverteilung anhand des großflächigen Gestellteils aus Abbildung 3

Diese Elektrolyte tolerieren daher auch ­eine äußerst enge Gestellbehängung mit dem Vorteil eines hohen Warendurchsatzes durch die Beschichtungsanlage (Abb. 5). ­Eine derartig hohe Behängungsdichte bietet unter anderem die Möglichkeit, große Bauteilmengen mit akzeptablem Aufwand zu beschichten, die sich nicht als Massengut in der Trommel verarbeiten lassen. Bedingt durch den geringeren Metallgehalt der alkalischen Elektrolyte gepaart mit ­einer relativ hohen Wasserstoffentwicklung bei der Zink-Nickel-Abscheidung besitzen­ diese Elektrolyttypen eine vergleichsweise­ geringe Stromausbeute (Abb. 6). Im Vergleich zu sauren Elektrolyten resultiert daraus eine deutlich erhöhte Abscheidungungsdauer.

Abb. 5: Dichte Gestellbehängung bei der Abscheidung aus einem alkalischen Elektrolyttyp

Abb. 6: Vergleich der Stromausbeutewerte in Abhängigkeit der Stromdichte

Aus der Gegenüberstellung der Arbeitsparameter beider Elektrolyttypen lässt sich der vergleichsweise hohe Komplexbildneranteil bei den alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten erkennen (Tab. 1). Dies verursacht erhöhte Kosten bei der Entgiftung beziehungsweise­ Entsorgung von Spülwässern und Elektrolyten, wie sie für galvanische Prozesse im nachgeschalteten Arbeitsbereich der Abwasserbehandlung üblich sind.

Demgegenüber steht kostentechnisch der erhöhte Metallaustrag über die Warenausschleppung aufgrund des deutlich höheren Metallgehalts beim sauren Elektrolyttyp. Bei den anwendbaren Stromdichten im Gestell- und Trommelbereich sind keine ­wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Elektrolyttypen vorhanden.

Während bei alkalischen Elektrolyten mit unlöslichen Nickelanoden gearbeitet wird, kommen beim sauren Typ lösliche Zink- und Nickelanoden zum Einsatz, welche mit separaten Gleichrichtern angesteuert werden. Bei alkalischen Elektrolyten erfolgt die Zufuhr von Zink durch die chemische Auflösung von Zinkstücken in einem separaten Zinklöseabteil. Das Nickel wird über komplexbildnerhaltige Nickelsulfatlösungen zudosiert. Diese Maßnahmen gewährleisten in beiden Elektrolyttypen eine ausreichend konstante Nachlieferung der verbrauchten Metallionen.

Beim alkalischen Elektrolyten kommt es durch die Reaktion von Kohlendioxid aus der Umgebungsluft mit Natronlauge zur zwangsläufigen Anreicherung von Natriumcarbonat im Elektrolyten. Auch durch die Oxidation von organischen Additiven an den unlöslichen Anoden kann Karbonat gebildet werden. Dieses sollte dann kontinuierlich mit so genannten Ausfriergeräten beseitigt werden, um ein Absinken der Stromaus­beute während der Lebensdauer des Elektrolyten dauerhaft zu verhindern.

Aufgrund des niedrigen pH-Werts im sauren Zink-Nickel-Elektrolyten kommt es vor allem bei der Beschichtung von hohlen Bauteilen zur Auflösung von freiliegenden Eisenoberflächen. Das im Elektrolyten zunehmend angereicherte Eisen führt dann zu einer unerwünschten Schlammbildung. Es ist daher ratsam, anfallende Niederschlagsbildungen kontinuierlich abzufiltrieren.

Beide Elektrolyttypen haben eine annähernd identisch gute Legierungsverteilung über den technisch relevanten Stromdichtebereich (Abb. 7). Grundvoraussetzung für den besten Schutz vor Grundmetallkorrosion ist die Abscheidung einer Zink-Nickel-Schicht mit einem Nickelanteil zwischen 12 Gew.% und 16 Gew.%. Diese Legierungszusammensetzung entspricht der Gammaphase (Zn21Ni5), welche über eine Röntgenstrukturanalyse bei den Schichten aus beiden Elektrolyttypen nachweisbar ist.

Abb. 7: Stromdichteabhängige Legierungsverteilung bei sauren und alkalischen Elektrolyten

Rasterelektronenmikroskopische Aufnah­men zeigen bei beiden Elektrolyttypen eine für Zink-Nickel-Schichten typische vergleichbare blumenkohlartige beziehungsweise knospenartige Topographie, verbunden mit einer feldorientierten Schichtstruktur (Abb. 8 und Abb. 9).

Abb. 8: REM-Aufnahme einer Zink-Nickel-Schicht aus dem sauren Elektrolyten

Abb. 9: REM-Aufnahme einer Zink-Nickel-Schicht aus dem alkalischen Elektrolyten

Im Hinblick auf die Weißrost- und Rotrostbeständigkeit von transparentpassivierten Zink-Nickel-Schichten beim neutralen Salzsprühtest nach DIN EN ISO 9227 weisen beide Elektrolyttypen nahezu identische Beständigkeitswerte auf (Abb. 10), ­sodass die Anforderungen aus DIN 50979 erfüllt werden.

Abb. 10: Transparentpassivierte Zink-Nickel Gestellteile nach 480 h DIN EN ISO 9227 NSS; Zink-Nickel aus einem sauren Elektrolyten (links) und aus einem alkalischen Elektrolyten (rechts); 
WB = Teil mit vorheriger Wärmebehandlung (24 Stunden bei 120 °C)

Die Haftung der Schichten auf dem Grundmaterial ist aus beiden Elektrolyten vergleichbar gut. Der Thermoschocktest nach den Normen VW TL-244 beziehungsweise VDA 237-299 wird von beiden Zink-Nickel-Verfahren ohne Einschränkungen bestanden. Bei diesem Test wird das Werkstück bei 300 °C 30 Minuten erwärmt und anschließend in kaltem Wasser abgeschreckt.

3 Kostenbetrachtung

Der Vergleich anhand diverser, anfallender­ Kosten beider Abscheidungsverfahren führt zum Ergebnis, dass nahezu eine Kostenneutralität besteht (Tab. 2). Die erhöhte Abscheidedauer beim alkalischen Verfahren und der damit verbundene reduzierte Warendurchsatz können durch eine deutlich dichtere Gestellbehängung weitgehend ausgeglichen werden. Während beim alkalischen Verfahren ein erhöhter anlagentechnischer Aufwand und höhere Abwasserbehandlungskosten vorliegen, sind beim sauren Verfahren die erhöhten Metallverluste durch die Elektrolytausschleppung zu erwähnen. Beim sauren Verfahren müssen oftmals ungleichmäßig angegriffene beziehungsweise durchlöcherte Platten- oder Knüppelanoden vorzeitig erneuert werden, da diese den Strom nicht mehr ausreichend leiten und damit die Feldlinienverteilung über das gesamte Gestell verschlechtert wird. Es gibt also keinen Grund, aus kostentechnischer Sicht eines der beiden Verfahren zu bevorzugen. Vielmehr sind die zu beschichtenden Teile ausschlaggebend für den sinnvollen Einsatz des jeweiligen Verfahrens.

4 Bevorzugte Einsatzbereiche

Der alkalische Elektrolyttyp wird bereits seit über zwanzig Jahren mit Erfolg bei der Gestell- und Trommelbeschichtung eingesetzt. Aufgrund der besseren Metallverteilung und der sehr homogenen Optik kommt dieser Elektrolyttyp besonders bevorzugt im Gestell­bereich zum Einsatz.

Nur bei der Beschichtung von Gussteilen kommt es aufgrund der oftmals nach dem Beizen vorliegenden kohlenstoffreichen Gusseisenoberfläche und der im Elektrolyten vorherrschenden geringeren Stromausbeute besonders in Bereichen mit niedriger kathodischer Stromdichte zu einem schlechteren Anspringverhalten (Starten des Beschichtungsvorgangs) beziehungsweise schlechterer Keimbildung. Die Initialschicht bildet sich daher verzögert oder unvollständig aus. Die Folge sind örtlich ungedeckte Bereiche, meist in schlechter gestrahlten Hohlräumen oder Vertiefungen der Bauteile (Abb. 11). Wesentlich besser eignet sich hier der saure Elektrolyttyp (Abb. 12), dessen bevorzugter Einsatz im Gestellbereich bei der Beschichtung von Gussbauteilen liegt. Hier wirken sich die hohe Stromausbeute und der schwach saure pH-Wert positiv auf die Keimbildung aus.

Abb. 11: Gussträger mit ungedeckten Stellen nach der galvanischen Beschichtung im alkalischen Zink-Nickel-Elektrolyten

 

Abb. 12: Gussträger mit vollständiger Abdeckung nach der galvanischen Beschichtung im sauren Zink-Nickel-Elektrolyten

Zur Verbesserung spezieller Eigenschaften werden bei diversen Drehstahlsorten im Verbindungselementebereich (Beschichtung­ in Trommeln) häufig Elemente wie beispielsweise Mangan, Bor, Silizium, Schwefel oder Blei beilegiert. Diese Elemente haben eine Reduktion der Wasserstoffüberspannung zur Folge und führen daher besonders bei der Beschichtung mit alkalischen Elektrolyten zu einer verstärkten Wasserstoffentwicklung, was wiederum eine deutlich erschwerte Keimbildung von Zink-Nickel zur Folge hat.

Eine spezielle Vorbehandlung kann hierbei weiterhelfen, führt jedoch nicht immer zum gewünschten Erfolg. Speziell Trommelware aus derartigen Grundwerkstoffen zeigt bei der Beschichtung mit dem sauren Verfahren weniger Probleme.

Innerhalb eines vergleichenden Praxisversuchs mit einer Schraube (M10, 10.9) wurde unter realen Bedingungen in einer Trommel­anlage die Metallverteilung im Gewindebereich und Torxbereich ermittelt (Abb. 13 und Abb. 14). Die Ergebnisse zeigen, dass bei beiden Elektrolyttypen eine ausreichend gute Metallverteilung vorhanden ist. Probleme im Hinblick auf Gewindegängigkeit oder Innenkraftangriff im Torxbereich aufgrund einer schlechten Metallverteilung sind daher nicht zu erwarten. Die Eignung beider Verfahren zur Beschichtung von Verbindungselementen ist daher gegeben.

 

5 Fazit

Die Gegenüberstellung beider Verfahren zeigt, dass im Hinblick auf die Schichteigen­schaften durchaus vergleichbare Ergebnisse erzielt werden können (Tab. 3). Jedoch lassen sich aus den unterschiedlichen Elektrolyteigenschaften der beiden Verfahren auch deren bevorzugte Einsatzgebiete ableiten.

Schwierigkeiten bei der Bekeimung von kritischem Grundmaterial können beim alkalischen Zink-Nickel-Verfahren bei der Beschichtung von speziellen Trommelmaterialien und Gussteilen zu Problemen führen. Dies führte dazu, dass in den letzten Jahren ein wachsender Marktanteil für das saure Zink-Nickel-Verfahren bei der Trommel- und der Gussbeschichtung erkennbar war.

Klassisches Blech- beziehungsweise Rohrmaterial, das anschließend eventuell noch verformt wird, sollte beispielsweise aufgrund der besseren Metallverteilung weiterhin bevorzugt mit dem alkalischen Zink-Nickel-Verfahren beschichtet werden.

Aufgrund der Kostenneutralität werden ­beide Verfahren auch in Zukunft je nach Anwendungsbereich beziehungsweise Teilespektrum der einzelnen Galvanikbetriebe eingesetzt.

DOI: 10.7395/2013/Krauss1

 

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