Galvanisch und chemisch erzeugte Oberflächen ...

Werkstoffe 07. 05. 2018

... – Doktoranden und ihre Arbeiten

Doktoranden aus dem Fachbereich Galvanotechnik der TU Ilmenau präsentieren am Forschungsinstitut fem in Schwäbisch Gmünd Inhalte ihrer Arbeiten

Vom Korrosionsschutz in der Luft- und Raumfahrttechnik über die Werkzeugherstellung bis hin zur Energiespeicherung in Batterien und Brennstoffzellen: das Spektrum der Anwendungsmöglichkeiten von galvanisch beziehungsweise elektrochemisch erzeugten Oberflächen ist denkbar groß. Entsprechend vielfältig war das Programm des ersten Freitagseminars 2018 am Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie, das von Mirko Ante aus der Abteilung Elektrochemie organisiert und zu einem Doktorandenseminar umgewidmet wurde. Zwölf Doktoranden waren für drei Tage zu Gast in Schwäbisch Gmünd, um das Forschungsinstitut kennenzulernen, ihre Arbeiten zu diskutieren und vor einem sachkundigen Publikum zu präsentieren. Wie Mirko Ante verfassen sie derzeit ihre Dissertationen bei Prof. Dr. Andreas Bund an der TU Ilmenau, mit der das fem seit vielen Jahren kooperiert. Die Themen befassen sich mit der Abscheidung aus ionischen Flüssigkeiten und wässrigen Lösungen, Simulationen zur Abscheidung, Komplexchemie für den Einsatz in der Galvanotechnik, Erhöhung der Prozessfähigkeit in der Galvanotechnik oder der physikalischen Herstellung von Schichten.

Die Doktoranden, ausgebildete Chemiker, Physiker und Techniker, manche noch ganz am Anfang, andere kurz vor dem Abschluss ihrer Doktorarbeit, sind bei kleineren und größeren Unternehmen, an Hochschulen und Instituten angestellt und waren aus dem ganzen Bundesgebiet sowie aus der Schweiz angereist. Wie der Organisator Mirko Ante betont, haben alle eine etwas andere Perspektive, einen etwas anderen Zugang zur Elektrochemie, je nach Ausbildung und Branche, weshalb Treffen wie das in Schwäbisch Gmünd im Forschungsinstitut fem die Diskussionen so spannend und die Treffen der jungen Wissenschaftler aus Ilmenau so gewinnbringend machen. Diese gestalten seit zwei Jahren im Rahmen des Projekts femfutur die Zukunft des Instituts aktiv mit und waren ebenso gespannt auf das Aufeinandertreffen wie die Ilmenauer. Es geht erst einmal ums Kennenlernen, dann um den wissenschaftlichen Austausch, aber auch, ganz konkret, um die Vermittlung von Industriepartnern, die für uns als anwendungsorientiertes Forschungsinstitut von größter Bedeutung sind, erläuterte Ante.

Das Interesse am traditionellen Freitagseminar war riesig, der Platinsaal des fem bis auf den letzten Platz belegt: Zehn Referate in vier Themenblöcken spannten den Bogen von klassischen Themen der Galvanotechnik über Komplexchemie und physikalische Gasphasenabscheidung bis hin zu jüngeren Entwicklungen, wie Simulationstechniken oder Abscheidungen aus ionischen Flüssigkeiten. Die Vorträge wurden sehr rege und ausgiebig diskutiert, anders als geplant, war das Seminar nach drei Stunden längst noch nicht am Ende. Spannende, sehr anspruchsvolle Themen, viele lange Diskussionen mit dem Publikum und den Kollegen; damit war die Veranstaltung nach Ansicht von Mirko Ante ein voller Erfolg.

FEM und BEM

Eröffnet wurde die Reihe der Vorträge von Iris Kovacsovics mit einer Übersicht zu Simulationen im Bereich der Oberflächentechnik. Derartige Simulationen erlauben es, die Kosten für Versuche deutlich zu reduzieren und damit gleichzeitig einen Zeitgewinn zu erreichen. Bei Anwendungen im Bereich der Elektrochemie treten allerdings aufgrund der komplexen mathematischen Beschreibung und der großen Zahl der zu ermittelnden Parameter erhebliche Schwierigkeiten auf. Eine Rolle spielen Differentialgleichungen unter Einsatz beispielsweise der Laplace- und der Navier-Stokes-Gleichungen. Um trotz fehlender exakter Kennwerte zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen, wird auf Näherungslösungen zurückgegriffen. Dafür bieten sich die Finite Elemente Methode (FEM) oder die Randelementemethode (Boundary Element Methode BEM) an. Bei der BEM spielen die Randstrukturen die entscheidende Rolle, wodurch komplexe Systeme deutlich handlicher werden. Die FEM ist eine ableitungsbasierte Methode und die BEM eine integralbasierte. FEM liefert sehr schnell Ergebnisse, während BEM die Vereinfachung von 3D- zu 2D-Problemen brauchbare Lösungen erwarten lässt.

Als Anwendungsbeispiel stellte die Referentin eine Schichtdickenoptimierung für die selektive Beschichtung einer Buchse in einer Bandgalvanikanlage vor. Die Optimierung führt zur Einsparung von Gold, wobei die besondere Herausforderung darin liegt, die Minimierung der Goldabscheidung auf der Außenseite der Hülse zu reduzieren bei Einhaltung der Dicke im Innenbereich der Hülse - also konträr zu den natürlichen Gegebenheiten auf Basis der lokalen Stromdichteverteilung ist. Als erste Maßnahme wurde ein Abblasen des Elektrolyten im Außenbereich überprüft. Als zweite Maßnahme wurde der Einsatz von Blenden betrachtet. Bei einem Blendenabstand von 1,5 mm wurde die höchste Einsparung erzielt, was allerdings nur mit erhöhtem Aufwand realisierbar ist. Den größten positiven Einfluss hat das Abblasen von Elektrolyt.

Insgesamt zeigte die Anwendung der Simulation am vorgestellten Beispiel, dass die Wahl des Verfahrens stark von der jeweiligen Problemstellung abhängt. Eine sorgfältige Vorprüfung der auszuwählenden Kenngrößen ist also entscheidend dafür, zu einem sinnvollen Ergebnis zu gelangen.

Niobabscheidung

Niob wird beispielsweise für medizinische Produkte eingesetzt oder zur Herstellung von Elektrolytkondensatoren. Darüber hinaus zeichnet sich das Metall durch eine sehr hohe thermische, mechanische und Korrosionsbeständigkeit aus, wie Anna Endrikat einleitend betonte. Aufgrund des stark elektronegativen Standardpotentials lässt sich Niob allerdings nicht aus wässrigen Lösungen abscheiden. Ebenfalls nachteilig ist die übliche Nutzung von Salzen mit fünffach geladenen Niobionen, üblicherweise als Chlorid- oder Fluoridsalze, die eine mehrstufige Entladung und damit eine hohe Ladungsmenge erforderlich machen.

Für die elektrochemische Charakterisierung des Abscheidesystems ist es erforderlich, angepasste Elektroden (Gegenelektrode, Referenzelektrode) zu entwickeln. Die Untersuchungen zeigten Unterschiede in Abhängigkeit des Anions, wobei Chlorid bessere Ergebnisse liefert als Fluorid. Vermutlich ist der Effekt auf die Löslichkeit zurückzuführen, da die Fluoridsalze eine geringere Löslichkeit beziehungsweise eine geringere Neigung zur Bildung von Komplexen aufweist; Komplexverbindungen erleichtern wie bei vielen Metallen die elektrochemische Abscheidung. Unter Einsatz der Abscheidung an einer Scheibenelektrode wurden die auftretenden Reaktionsstufen untersucht. Dabei ergibt sich bei Verwendung von Chlorid ein höheres Auftreten von verwendbaren Niobspezies im Vergleich zu den Fluoridsalzen. Mit den ermittelten Elektrolyteinstellungen konnten Niobschichten mit einem hohen Metallanteil (etwa 70 %, Rest sind Metallverbindungen), allerdings mit erheblichen Eigenspannungen - erkennbar an der auftretenden Rissstruktur - abgeschieden werden.

Aluminiumabscheidung

René Böttcher befasst sich ebenfalls mit der Abscheidung aus ionischen Flüssigkeiten. Hintergrund für die durchgeführten Arbeiten zur Abscheidung von Aluminium ist unter anderem REACh, das den Ersatz der galvanischen Abscheidung von Nickel und Kadmium fordert. Hier kommen ionische Flüssigkeiten insbesondere deshalb in Betracht, da deren Gefahrenpotential deutlich geringer ist, als das der bisher verwendeten aprotischen Lösemittel. Einer der großen Vorteile der ionischen Flüssigkeiten ist die extrem hohe Zahl an möglichen Arten des Molekülaufbaus und deren Anpassung an die jeweiligen chemisch-elektrochemischen Eigenschaften. Zudem liegen die Zersetzungspotentiale der ionischen Flüssigkeiten deutlich über der von Wasser, so dass das elektrochemische Fenster für die Reduktion von Metallionen deutlich höher liegt als bei Wasser. Allerdings sind die ionischen Flüssigkeit stark hydroskopisch und hochviskos.

Verwendbar sind ein- und zweiphasige Systeme, wobei die einphasigen Vorteile bei der Verwendung aufweisen. Als Aluminiumsalz wird üblicherweise Aluminiumchlorid eingesetzt. Problematisch ist die Vorbehandlung des Substrats für die Abscheidung aus ionischen Flüssigkeiten. Die Vorbehandlung muss in der Regel in sauren Beizlösungen vorgenommen und dann in die ionische Flüssigkeit überführt werden. Da kein Wasser mit übertragen werden darf, kann das zu beschichtende Grundmetall passivieren, was im Allgemeinen relativ schnell erfolgt und dadurch die Haftung für die folgende Abscheidung unterbindet. Eine Lösung stellt das anodische Ätzen vor der Beschichtung dar, da hierbei ein Ablösen störender Elemente stattfindet und die Metalloberfläche aktiviert wird. Mit der Verfahrenstechnik lassen sich haftfeste Aluminiumschichten ohne störende metallische Verunreinigungen herstellen.

Im Trommelverfahren mit Aluminium beschichtete Schrauben (Quelle: R. Böttcher)

 

Neben den reinen Schichten wurden darüber hinaus Legierungsschichten abgeschieden, wobei bisher binäre Legierungen mit unterschiedlichen Ausgangsalzen untersucht wurden. Derartige Legierungen sind interessant, da diese sehr wahrscheinlich eine geringere Neigung zur Passivierung aufweisen. Mit entsprechenden Elektrolyten konnten im Trommelverfahren Schichten auf Schrauben abgeschieden werden. Kritisch ist derzeit noch die Wahl des Anodenwerkstoffs, da bisher eine zu schnelle Passivierung der Anoden in der ionischen Flüssigkeit störend ist. Mit dem Verfahren wurden Schichten bis zu Dicken von etwa 15 µm hergestellt.

wird fortgesetzt

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