Qualität braucht Zeit

Oberflächen 07. 03. 2021

Von Christoph Tschaar, Schiltach

Seit über drei Jahren steht die Verwendung von Chromsäure in Europa unter der Auflage einer Autorisierung gemäß den Vorgaben der REACh-Verordnung. Der größte Teil der Sanitärarmaturenindustrie, wie auch das Unternehmen Hansgrohe SE beschichtet weiterhin mit chrom(VI)basierten Verfahren. Die Hintergründe zur Weiterverwendung und die Anstrengungen zur Substitution beruhen auf einem derzeit sich ändernden Farbton der Oberflächen aus Chrom(III)verfahren, der vor allem bei der Kombination von Sanitärteilen zu einem inakzeptablen Erscheinungsbild bei den hochwertigen Armaturen führt.

Die Hansgrohe SE entschied 2015 als soge­nannter Downstream User, sich nicht auf die Konsortiumsanträge zu verlassen und eine Eigenautorisierung für Chromtrioxid bei der EChA zu beantragen. Die Notwendigkeit Chrom(VI) sowohl in der ABS-Beize als auch in der Verchromung einzusetzen hat die EChA und die Europäische Kommission überzeugt, sodass am 14. Februar 2019 einer Weiterverwendung für zwölf Jahre stattgegeben wurde. Die sogenannte Review Periode gibt der Oberflächentechnik Zeit, ­Alternativprozesse zu testen, zu entwickeln und einzuführen, die den Qualitätsstandards der Sanitärarmaturenindustrie genügen. Gleichzeit werden die Maßnahmen zum Schutz der Mitwelt mit höchster Sorgfalt durchgeführt und regelmäßig durch das Regierungspräsidium auditiert.

Die Entwicklungen mit Verfahren auf Basis von Chrom(III) haben dazu geführt, dass aus heutiger Sicht die dekorative Verchromung als erster Kandidat zur Substitution von Chromsäure zu nennen ist. Die Umstellung auf andere Verfahren, beispielsweise auf chrom(VI)freie ABS-Beizen, ist hingegen noch nicht terminierbar.

Die sogenannte Glanzchromschicht ist trotz des Zuwachses an farbigen Beschichtungen, die meistverkaufte Oberfläche bei den Produkten von Hansgrohe. Demzufolge muss bei einer Substitution neben der Qualität auch auf die Verbaubarkeit – eine einheitliche ­Farbe verschiedener verchromter Komponenten – geachtet werden. Hansgrohe bezieht neben der Eigenfertigung weltweit glanzverchromte Bauteile. Die naheliegendste Lösung ist daher, auf Chrom(III)verfahren mit Chrom(VI)-Farbton zu setzen. Das sulfatkatalysierte Chromsäureverfahren mit seinen sehr reinen und mikroskalig glatten Oberflächen bildet hierbei den Standard beziehungsweise den Zielfarbton.

Im ersten Entwicklungsprojekt mit der TU Ilme­nau von 2015 bis 2018 (A. Bund, M. Leimbach, TU Ilmenau) wurde unter anderem herausgefunden, dass die typischerweise etwas dunklere und gelblichere Erscheinung von Chrom(III)verfahren auch auf die Mikrostruktur der Chromoberflächen zurückzuführen ist. Alle Erkenntnisse wurden in einem modifizierten Elektrolytsystem eingebracht. Daraus entstanden über 100 Produkte, die sich im Feld beweisen mussten. Der 15-monatige Feldtest brachte zwei wesentliche Erkenntnisse zutage:

  • Die mechanische und chemische Beständigkeit sind akzeptabel. Obwohl die Hansgrohe-Qualitätsnorm nicht zu 100 % erfüllt ist, gab es nach 15 Monaten keine Ausfälle.
  • Die Farbe war nicht stabil. Die zu Beginn einheitliche Farbe von konventionell und dreiwertig verchromten Oberflächen verfärbte sich im Laufe des Tests unterschiedlich stark.

Als Ergebnis der über vierjährigen Entwicklung muss dem Thema Farbe und Verfärbung bei Chrom(III)verfahren als weiterer Test­größe neben chemischer und mechanischer Beständigkeit mehr Aufmerksamkeit zuteil werden. Für weitere Benchmarks und Entwicklungen wurden Farbgrenzmuster erstellt (Abb. 1).

Abb. 1: Ziel- und Grenzmuster der Farbe Chrom wurden mittels PVD-Technik in unterschiedlichen Strukturen erstellt

 

Durch die hohe Fertigungstiefe bei Hans­grohe ergibt sich die Möglich, nicht nur die Akzeptanzgrenzen der Beschichtungen mittels der PVD-Technologie auf Chrom auszuweiten, sondern auch selbst Farbgrenzmuster zu produzieren. Des Weiteren war es wichtig, unabhängig von den Photospektro­metern zu werden, da diese eine ­geringere Konstanz der Messwerte zeigen und jeder Verfahrenslieferant Zahlen mit geringeren Abweichungen vorweisen kann.

Das Ziel wird von Chrom(VI)verfahren vorgegeben, da diese mittelfristig den weltweiten Standard darstellen. Das sogenannte Delta E 2000 definiert den Farbabstand von Chrom(VI) und Chrom(III), der vom Kunden gerade noch als eine Farbe wahrgenommen wird. Mittels einer ausgeklügelten Rezeptur wurden Grenzmuster im PVD-Verfahren erzeugt, welche in die gleiche Farb­richtung (dunkler, gelblicher) driften, wie die Chrom(III)verfahren (Abb. 2).

Abb. 2: Für den Abgleich einer dreiwertigen Verchromung wird die Chrom(VI)farbe als Ziel (links) mit einer Musterplatte aus dem Chrom(III)verfahren (Mitte) und einem Grenzmuster Chrom (max. zulässige Verfärbung) (rechts) herangezogen

 

In den aktuellen Benchmarks und Entwicklungskooperationen haben sich die Grenzmuster für Chrombeschichtungen als hervorragendes Messmittel zur Bewertung des Qualitätsparameters Farbe herausgestellt. Momentan forciert der Bereich Oberflächentechnik bei Hansgrohe massiv die Einführung von Chrom(III)verfahren. Hierfür müssen neben passender Farbe und Qualität auch die Langzeitstabilität und die Prozessfähigkeit stimmen. Letztere Parameter sind nur im Feld zu testen und benötigen viel Zeit und Engagement der Produktion und des Fach­bereichs.

Das Beispiel der Substitution von Chromsäure in der dekorativen Verchromung von Hansgrohe zeigt deutlich, wie steil die Lernkurve und wie groß der Aufwand sind. Letztlich braucht es Zeit und ein starkes Bewusst­sein für eine Alternativtechnologie, um die Qualität weiterhin auf höchstem Maße zu halten und dem Kunden ein nachhaltiges Produkt zu liefern.

Die neue Galvanikanlage der Hansgrohe Group bietet die Möglichkeit, alle derzeit am Markt verfügbare Verfahren für das galvanisch Verchrom einzusetzen (Bilder: Hansgrohe Group)

 

Über die Hansgrohe Group

Die Hansgrohe Group mit Sitz in Schiltach,Baden-Württemberg, ist mit ihren Marken AXOR und hansgrohe ein in Innovation, Design und Qualität führendes Unternehmen der Bad- und Küchenbranche. Mit ihren Armaturen, Brausen und Duschsystemen gibt die Hansgrohe Group dem Wasser Form und Funktion. Die 120-jährige Unternehmensgeschichte ist geprägt von Erfindungen wie der ersten Handbrause mit unterschiedlichen Strahlarten, der ersten ausziehbaren Küchenarmatur oder gar der ersten Duschstange. Das Unternehmen hält über 15 000 aktive Schutzrechte. Die Hansgrohe Group steht für langlebige Qualitätsprodukte. Mit 33 Gesellschaften, 22 Verkaufsbüros und Vertrieb in über 140 Ländern ist das Unternehmen seinen Kunden weltweit ein verlässlicher Partner. Die Hansgrohe Group, ihre Marken und Produkte wurden mit zahlreichen Auszeichnungen prämiert, darunter über 600 Design­preise seit 1974. Die nachhaltige Herstellung ressourcenschonender Produkte ist international im unternehmerischen Handeln verankert. Die Produkte des Unternehmens sind weltweit präsent, beispielsweise auf dem Luxusliner Queen Mary 2 oder im höchsten Bauwerk der Welt, dem Burj Khalifa. Ihre hohen Qualitätsstandards gewährleistet die Hansgrohe Group durch die Produktion an fünf eigenen Produktionsstandorten, von denen sich zwei in Deutschland sowie je einer in Frankreich, in den USA und in China befinden. 2019 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von 1,088 Milliarden Euro. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 4700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon über 60 % in Deutschland.

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