Orangenschalen und Kohlendioxid: Grundlage für neue Kunststoffe
Man nehme Orangenschalen, entziehe ihnen den Naturstoff Limonen, oxidiere ihn und verbinde ihn mit Kohlendioxid: Und schon hat man einen biobasierten Kunststoff, aus dem sich ohne hohe Kosten umweltfreundliche Funktionsmaterialien für verschiedenste industrielle Anwendungen herstellen lassen. PLimC ist der Name dieses grünen Alleskönners, der es erstmals ermöglicht, allein auf der Basis nachwachsender Rohstoffe ein breites Spektrum leistungsstarker Kunststoffe herzustellen.
PLimC ist ein Polycarbonat, das aus einer Synthese von Limonenoxid (Betonung: Limonénoxid) mit Kohlendioxid hervorgeht. So ist gewährleistet, dass es im Unterschied zu herkömmlichen Polycarbonaten nicht die gesundheitsschädliche Substanz Bisphenol A enthält. Zudem bringt der neue bio-basierte Kunststoff eine Reihe von Eigenschaften mit, die ihn für industrielle Anwendungen attraktiv machen: PLimC ist hart, äußerst hitzebeständig und durchsichtig und eignet sich deshalb besonders gut als Material für Beschichtungen. Diese Erkenntnisse, die bereits im vorigen Jahr veröffentlicht wurden, konnten nun mit einer neuen Studie entscheidend erweitert werden, so Prof. Dr. Andreas Greiner, der Leiter des Bayreuther Forschungsteams. An einigen konkreten Beispielen wurde gezeigt, dass sich PLimC hervorragend als Grundstoff eignet, aus dem sich vielseitige Kunststoffe mit sehr spezifischen Eigenschaften entwickeln lassen. PLimC besitzt nämlich eine Doppelbindung, die gezielt für weitere Synthesen genutzt werden kann.
Strukturformel des grünen Alleskönners PLimC / Grafik: Oliver Hauenstein
Ein Beispiel für solche neuen PLimC-basierten Kunststoffe sind antimikrobielle Polymere, die beispielsweise imstande sind, eine Anlagerung von E.Coli-Bakterien zu verhindern. Als Materialien für Behälter, die in der medizinischen Versorgung und Pflege zum Einsatz kommen, können sie das Infektionsrisiko nicht zuletzt in Krankenhäusern deutlich senken. Auch für die Herstellung von Kunststoff-Implantaten, von denen möglichst keine Entzündungsrisiken ausgehen sollen, können solche Polymere interessant sein. Ein anderes Beispiel sind meerwasserlösliche Polymere, die sich im salzigen Meerwasser in ökologisch unbedenkliche Bestandteile auflösen und anschließend zersetzen. Solche Kunststoffe könnten, wenn sie künftig für Flaschen, Tüten oder andere Behälter verwendet werden, der dramatisch ansteigenden Verschmutzung der Meere durch nicht-lösliche Plastik-Partikel entgegenwirken. PLimC ist ebenso ein Grundstoff für hydrophile Polymere. Diese wiederum haben den Vorteil, dass sie eine hohe Wechselwirkung mit Wasser aufweisen und dadurch vergleichsweise schnell von Mikroorganismen abgebaut werden können.
Nach Oliver Hauenstein M.Sc., der als Doktorand entscheidende Forschungsarbeiten zur Synthese und Anwendung dieses neuen Kunststoffs geleistet hat, sind der Phantasie fast keine Grenzen gesetzt, wenn gezielt neue Materialien auf der Grundlage von PLimC entwickelt werden sollen. Die Herstellung von PLimC ist einfach zu handhaben und ausgesprochen umweltfreundlich. Die Schalenabfälle von Unternehmen, die Orangensäfte produzieren, können recycelt werden, und ebenso kann das Treibhausgas CO2 verwertet werden, bevor es in die Atmosphäre entweicht. Zudem sind die vielfältigen Kunststoffe, die auf Basis von PLimC ohne großen technischen oder finanziellen Aufwand synthetisiert werden können, ökologisch unbedenklich und recyclebar.
Prof. Greiner fügt hinzu: Die Kunststoff-Industrie steht ja häufig unter dem Verdacht, dass sie ihre technologischen Fortschritte nur mit ökologisch bedenklichen Materialien erzielen kann, was so natürlich nicht richtig ist. Die Forschungsergebnisse zeigen klar: Moderne Kunststoffe können umweltfreundlich sein und zugleich sehr hohen technologischen Anforderungen gerecht werden.
Veröffentlichungen: O. Hauenstein, S. Agarwal and A. Greiner, Bio-based polycarbonate as synthetic toolbox, Nature Communications 2016, DOI: 10.1038/ncomms11862
O. Hauenstein, M. Reiter, S. Agarwal, B. Rieger and A. Greiner, Bio-based polycarbonate from limonene oxide and CO2 with high molecular weight, excellent thermal resistance, hardness and transparency, Green Chem. 2016, 18, 760. DOI: 10.1039/c5gc01694k
Aktuelle Onlineartikel
-
16. 01. 2025 Deutsche Wirtschaft in Stagnation gefangen
-
15. 01. 2025 Graphen für Ionen durchlässig gemacht
-
15. 01. 2025 Wie die Natur Biokatalysatoren vor Sauerstoff abschirmt
-
15. 01. 2025 Neues Forschungsnetzwerk für Bioelektronik in Sachsen
-
14. 01. 2025 Automatisierte Materialentwicklung für Solarzellen
-
13. 01. 2025 Nanodrähte für leistungsfähigere Computer