Oberflächentechnik – von den Grundlagen bis zu innovativen Anwendungen

Oberflächen 08. 10. 2018
Bericht über die ZVO-Oberflächentage in Leipzig

Die jährlich stattfindenden ZVO-Oberflächentage erfreuen sich eines zunehmenden Interesses - auch die Veranstaltung 2018 in Leipzig bestätigte diesen Trend: Der ZVO- Vorsitzende Walter Zeschky konnte bei der feierlichen Eröffnung im Konzerthaus Leip­zig 630 Teilnehmer begrüßen. Gleiches gilt für die Zahl der Aussteller: 77 Teilnehmer präsentierten sich und ihre Produkte im Rahmen der Oberflächentage. Dies belegt nach Aussage von Zeschky auch die hohe Attraktivität des Tagungsorts und verleiht damit Leip­zig eine wohlverdiente Anerkennung als eines der Gründungszentren der deutschen Galvanotechnik.

Der ZVO-Vorsitzende Walter Zeschky eröffnet die Tagung in Leipzig (Bild: ZVO e.V.)

 

Mit sechs parallel veranstalteten Vortrags­reihen und etwa 80 Einzelvorträgen wurde den Teilnehmern eine enorme Fülle an Fachwissen geboten, das von den Grundlagen der Werkstoffe und Chemie über deren Einsatz in den unterschiedlichen Verfahrenstechnologien bis hin zu Anwendungsbeispielen auf unterschiedlichen Produkten und den unerlässlichen gesetzlichen Anforderungen aus REACh reichte. Dr. Roman Szeliga stimmte mit seinem Plädoyer für Humor im Business die Teilnehmer auf unterhaltsame Weise auf die Fachtagung ein. Er zeigte, dass Humor als Motivator bei der täglichen Arbeit unerlässlich ist.

Fachprogramm - ­Informationen für ein breites Publikum

Das breite Programm an Fachvorträgen wurde mit einer Vorstellung der Arbeiten des diesjährigen Jacobi-Preisträgers, Dr.-Ing. Jürgen Schulz-Harder eingeleitet.

Wirkung von Elektrolytzusätzen

Bis etwa 1970 war nach den Worten von Dr.-Ing. Schulze-Hader über die ­Wirkungen von Zusätzen zu galvanischen Elektrolyten, wie beispielsweise Einebner, bekannt, dass sie vor allem von der Diffusion abhängen. Dies lässt sich durch Untersuchungen mittels Scheiben­elektroden leicht erkennen; zudem können aus bestimmten Elektrolyten, leicht zu zeigen im Falle der Kupferabscheidung, hochglänzende Oberflächen hergestellt ­werden. Allerdings lag keine Theorie vor, welche diese Erscheinung eindeutig erklären konnte.

Um die Erkenntnisse über die Wirkung von Zusätzen zu erweitern, ging Dr. Schulz-Harder davon aus, dass in den Tälern die Mikro­struktur erhöht wird, im Vergleich zu den Spitzen. Daraus folgerte er unter anderem, dass die Konzentration der Hilfstoffe (Acceleratoren) in den Vertiefungen steigt und so die beobachtbare Metallverteilung auf Substraten entstehen kann. Die Untersuchungen dazu wurden an Pressmatrizen aus der Schallplattenindustrie durchgeführt, die eine definierte Struktur gewährleisten. Als ­Zusätze wurden Stoffe eingesetzt, welche die Abscheidung inhibieren, und weitere Stoffe, welche die Wirkung aufheben. Die Ergebnisse solcher unterschiedlichen Zugaben (z. B. mit Diethyldithiocarbamat als wirksame Molekülgruppe) zeigen sich an Stromdichte-­Potentialkurven, die entweder steigen oder fallen. Die Wirkung lässt sich aber auch an einem Gedächtniseffekt zeigen, da die wirksamen Stoffe nach Unterbrechnung der Abscheidung auf der Oberfläche verbleiben und bei erneutem Beginn der Abscheidung den selben Effekt zeigen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang natürlich, dass die Konzentration der Zusätze eine sehr wichtige Größe darstellt.

Wirtschaftliche Bedeutung erhielten die Untersuchungen insbesondere im Bereich der Mikroelektronik, bei der die geätzten Strukturen für Chips mit Kupfer gefüllt werden müssen. Bekannt ist dieser Effekt dort beispielsweise unter dem Begriff Superfilling. Zur Anwendung kommt hierfür beispielsweise der Stoff Polyethylenglykol.

Eine wichtige Frage für den Anwender, die in weiteren Untersuchungen zu klären ist, richtet sich auf den Verbleib sowie das Verhalten der Zusätze an der Kathode. Dies kann wiederum im Bereich der Mikroelektronik sehr wichtig werden, da ein Einbau von ­Zusätzen selbstverständlich die physikalischen Eigenschaften wie die elektrische Leitfähigkeit stark beeinflussen kann.

Marketingvorträge

Triebkraft von Forschungsvorhaben ist die Stärkung eines Unternehmens. Da hier die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gegenüber Großunternehmen im ­Nachteil sind, ist die Unterstützung durch Forschungsvorhaben in Verbindung mit der DGO sehr wichtig. Dr. Daniel Meyer betonte, dass die DGO den interessierten Unternehmen bei der Auswahl und der Kontaktvermittlung beziehungsweise der Kontaktpflege behilflich ist. Hierfür wird auch der DGO-Fachausschuss Forschung bei der Bewertung aktiv. Derzeit sind vier Themen in Bearbeitung: das Galvanisieren von additiv gefertigten Kunststoffteilen, die Abscheidung von Zinnlegierungen auf Aluminium, das Farbanodisieren von Aluminium-Silizium-Legierungen sowie die cyanidfreie Kupferabscheidung.

Christoph Nowak stellte die Aktivitäten der Deutsche Messe AG bei der Organisation von Auslandsmessen vor. KMUs können für Auslandsmessen Förderungen aus Bundesmitteln erhalten und somit ihre Geschäftsaktivitäten ausdehnen. Unternehmen sollten nach seiner Empfehlung solche Messen nicht nur zur Erhöhung der Auftragslage, sondern auch zur Erkennung von Trends nutzen. Die Deutsche Messe betreut Veranstaltungen weltweit, beispielsweise die Sur/Fin in den USA, in Zusammenarbeit mit dem Zentralverband Oberflächentechnik e. V. (ZVO).

Heiko Schneider, eska GmbH, stellte Paternoster als platzsparende Lösungen für Lagersysteme vor. Damit lassen sich auf sehr kleinen Grundflächen große Stückzahlen mit sehr kurzen Zugriffszeiten verwalten. Das hierfür geeignete System nutzt beispielsweise die Decke eines Gebäudes als Lagerraum. Damit wird Lagerraum gewonnen und zugleich die Fläche unter dem Lager als Produktionsfläche genutzt. Im Falle von Galvanogestellen wurde ein entsprechendes System eingerichtet (WIOTEC), bei dem nur sechs Quadratmeter Grund­fläche erforderlich sind und Zugriffszeiten zwischen etwa zehn und 25 Sekunden realiserbar sind.

Das Unternehmen intelligent Fluids, vorgestellt von Antje Borchert, befasst sich mit physikalischer Reinigung. Bei dem dort entwickelten Verfahren werden Flüssigkeiten mit Mikropartikeln eingesetzt, die im Einsatz ihre Eigenschaften zwischen hydrophil und hydrophob wechseln. Dadurch entstehen Bewegungen, die in der Lage sind, Verschmutzungen von Oberflächen zu entfernen. Eingesetzt wird die Technik unter anderem in der Elektronik, um beispielsweise gelösten Photo­lack von Oberflächen zu entfernen.

Der automobile Leichtbau ist nach den Worten von Jochen Oberholz, Coventya, mit einem stetig steigenden Einsatz von Aluminium verbunden. Starken Auftrieb hat Coventya in diesem Bereich durch die Übernahme des Unternehmens Poltechnik/Türkei erfahren, durch die nach Aussage von Oberholz unter anderem eine deutliche Zunahme der Präsenz im Bereich Leichtmetall in den USA erreicht wurde. Angeboten werden Verfahren zur Anodisierung und Färbung, der galvanischen Beschichtung sowie der Lackierung von Aluminiumwerkstoffen.

Thilo von Vopelius, Erster Vorsitzender des Verein Deutsches Museum für Galvanotechnik e. V., ließ kurz die Entstehung des Deutschen Museums für Galvanotechnik in Leip­zig Revue passieren. Entstanden war die Idee zur Einrichtung des Museums, nachdem ein Bereich für Galvanotechnik im Deutschen Museum nach kurzer Zeit wieder eingestellt worden war. Durch das große Engagement von Dr. Ulrich Vieweger und Thilo von Vopelius ist eine entsprechende Einrichtung in Leipzig seit einigen Jahren in Betrieb und am weiteren Ausbau. Eines der wichtigen ­Ziele ist die Begeisterung und Ansprache junger Menschen. Hierbei wird das Museum durch den ZVO unterstützt. Um die Ansprache junger Menschen intensiver betreiben zu können, ist die Einrichtung einer mobilen Station in Arbeit. Bisher haben sich bereits etwa 50 Unternehmen in Deutschland zur Mit­arbeit bereiterklärt.

Den letzten Marketingvortrag bestritt Dr. Elke Spahn von der Gravitech GmbH. Das Unternehmen befasst sich mit der Entwicklung von Verfahren nach Maß; darunter versteht die Vortragende, einfach auszuführende Verfahren in einem passenden Laborumfeld einzurichten. Eine optimale Einrichtung besteht demzufolge sowohl aus der gerätetechnischen Ausstattung des Labors, der Einrichtung eines einfachen und hinreichend genauen Analysensystems sowie einer Schulung der Mitarbeiter.

Kathodischer Korrosionsschutz

Direkte einstufige ­Verzinkung von Gusseisen

Für die Beschichtung von Teilen aus Guss­eisen werden üblicherweise im ersten Schritt saure Elektrolyte zur Metallabscheidung eingesetzt, wie Tobias Urban einleitend erläuterte. Dies ist erforderlich, da die Elektrolyte mit niedrigem pH-Wert zu einer sehr guten Metallbedeckung des Stahls führen. Allerdings ist die Streufähigkeit dieser Elektrolyte ungünstig; um trotzdem auch bei komplexer Teilegeometrie eine gleichmäßige Metallverteilung zu erzielen, wird nach der Abscheidung einer dünnen Metallschicht, zum Beispiel aus Zink oder Zink-Nickel, im zweiten Schritt diese Schicht unter Einsatz eines alkalischen Elektrolyten verstärkt. Ohne diese erste Schicht wird mit alkalischen Elektrolyten in der Regel auf Gusseisen keine geschlossene Schicht erzielt. Dies äußert sich unter anderem auch durch entstehende Korrosionsangriffe aufgrund von verbliebenen Elektrolytresten in Gussporen, die zu lokaler Korrosion (sogenannten Ausblühungen) ­führen.

Zinkbeschichtung auf Gusseisen mit (rechts) und ohne das neue Additivsystem (Bild: T. Urban)

 

Mit einem neuen System an Additiven wird es möglich, auch mit alkalischen Elektro­lytsystemen eine sehr gute Deckung von Gusseisen zu erzielen, ohne den Einsatz einer Vorbeschichtung aus einem sauren Elektrolyten. Besonderer Vorteil ist hierbei, dass die Additive in bestehende alkalische Systeme eingearbeitet werden können. Die Wirkung des Additivsystems wird auf eine Verbesserung der Benetzung des Elektrolyten an dem zu beschichtenden Grundwerkstoff Stahl zurückgeführt. Dadurch wird der Durchtritt von Metallionen durch die Grenzschicht an der Oberfläche verbessert. Zudem können entstehende Blasen aus ­Wasserstoffgas leichter von der Oberfläche abreissen und so Beschichtungsfehler vermieden ­werden. Schließlich zeichnet sich das neue Additivsystem dadurch aus, dass es keine nennenswerte Schaumbildung verursacht und einen guten Glanz bei der Zinkabscheidung aus ­alkalischen Elektrolyten ergibt. Die erforderlichen Mengen der Zusätze entsprechen denen anderer Zusätze, ebenso die Vorgehensweise zur Anpassung der jeweils optimalen Konzentrationen.

Zink-Eisen-Abscheidung

Stahl kann sehr wirkungsvoll durch das Beschichten mit Zink gegen Korrosion geschützt werden. In diesem Fall opfert sich die aufgebrachte Zinkschicht durch ihre Auflösung und verhindert so den Korrosions­angriff auf Stahl. Wie Andreas Blumenberg in seinem Vortrag einleitend betonte, wird die Zinkschicht aufgrund einer hohen Potenzial­differenz zu Stahl allerdings relativ schnell aufgelöst und somit geht der Mechanismus des kathodischen Korrosionsschutzes verloren. Zinklegierungen - insbesondere Zink-Nickel - sind hier merklich beständiger und stellen somit einen besseren Korrosionsschutz als reines Zink dar.

Die derzeit weit verbreitete, galvanisch abgeschiedene Zink-Nickel-Legierung zeichnet sich neben der guten elektrochemischen Beständigkeit durch eine hohe Temperaturbeständigkeit sowie einem guten Verhalten gegen Kontaktkorrosion beim Verbauen mit Aluminiumteilen aus. Nachteilig ist jedoch aufgrund des verwendeten Nickels die bestehende Problematik im Hinblick auf die Toxizität von Nickel. So steht Nickel im Verdacht, Allergien auszulösen und nickelhaltige Stäube gelten als krebserregend.

Als Alternative zu Zink-Nickel ist Zink-Eisen zunehmend interessant. Verfügbare Elektro­lyte erlauben die Herstellung einer ­Legierung mit einem optimalen Eisengehalt von 13 %. Der Elektrolyt wird mit weichen Komplexen betrieben und bietet daher eine wesentlich einfachere Art der Abwasserbehandlung. ­Allerdings sind für den Betrieb - ebenso wie bei den Zink-Nickel-Elektrolyten - ­mehrere Additive erforderlich und damit eine aufwendigere Betreuung. Erste Einsatzfälle mit auf die Beschichtung optimierten Passivierungen bestätigen der Beschichtung eine gute Korrosionsbeständigkeit von mehr als 600 Stunden im NSS-Test. Darüber hinaus eignet sich die Beschichtung auch für die Verwendung mit einer abschließenden kathodischen Tauchlackierung als Endschicht, wobei eine spezielle Vorbehandlung für das Zink-Eisen-System zur Anwendung kommt.

Korrosionsverhalten von ­Legierungsschichten bei ­gleichzeitiger Verschleißbeanspruchung

Korrosionsschutz ist ein zentraler Bereich der Oberflächen- und ­Beschichtungstechnik. ­Einen hohen Schutz gegen Korrosion bei ­Eisenwerkstoffen bieten unter anderem galvanisch abgeschiedene Zink- oder Zinklegierungsschichten, mit denen sich Christian Mock befasst. Neben reinen Zinkschichten werden in den letzten Jahren zunehmend auch Zink-Nickel-Schichten eingesetzt. ­Diese Legierungsschichten mit einem ­Nickelanteil von 12 Gew.% bis 16 Gew.% besitzen gegenüber reinen Zinkschichten eine deutlich ­höhere Korrosionsbeständigkeit, Härte und Verschleißbeständigkeit.

Erhöhte Anforderungen ergeben sich bei gleichzeitiger tribologischer und ­korrosiver Beanspruchung mit einer ­Wechselwirkung zwischen Verschleiß und Korrosion. Die gleichzeitige Belastung durch Tribologie und Korrosion geht meist über die ­Summe der beiden Einzelbeanspruchungen hinaus, wie in Untersuchungen der Tribokorrosion gezeigt werden kann.

Mock zeigte am Beispiel von Zink-Nickel-Schichten aus derartigen Untersuchungen gewonnene Erkenntnisse. Dazu wurden unter Variation der Stromdichte mit einem sauren Elektrolytsystem Schichten mit unterschiedlichen Nickelgehalten hergestellt und charakterisiert.

Galvanische Schichten und ­Topcoats - Neue Verfahrenstechnik

Wie Dr. Peter Hülser einführend betonte, werden galvanische und Zinklamellenprozesse in steigendem Maße je nach Anforderung zur Erzielung eines kathodischen Korrosions­schutzes sowie dekorativer und tribologischer Eigenschaften (Härte, Reibungszahlen, Verschleißbeständigkeit) herangezogen. Der Beschichtungsprozess unterscheidet sich hierbei deutlich. Der galvanische Beschichtungsvorgang mittels Trommeln oder Gestellen beruht auf einer elektrochemischen Reaktion unter Einsatz von wässrigen Elektrolyten und Stromfluss. Die Lamellensysteme werden in Zentrifugen und Spritzanlagen stromlos aufgebracht.

Galvanisch aufgebrachte Metalle, wie beispielsweise Zink-Nickelschichten, sind deutlich härter und abriebbeständiger als die Zink­lamellenbasecoats. Dabei erhalten die Metallschichten heute in der Regel zusätzlich Topcoats, die in entsprechenden Zentrifugen appliziert werden und zum Teil hohe Schichtdicken (3 µm bis 4 µm) erreichen. Dadurch weisen sie eine hohe Barrierewirkung auf sowie eine gute Chemikalienbeständigkeit, ­gepaart mit tribologischen und dekora­tiven Eigenschaften.

Beschichtungen aus Zink-Nickel+Passivierung+Top Coat (oben) und Zinklamelle+Top Coat (unten) im mikroskopischen Querschliff (Bild: Dr. Hülser)

 

Neuste Anforderungen aus der Automobil­industrie, beispielsweise das Erzielen von 240 Stunden EN ISO 9227 Salzsprühtest ohne Oberflächenveränderung besonders bei schwarzen Bauteilen oder Schraubverbindungen, die auch nach 20-fachem Anzug Reibungszahlen und optische ­Aspekte erfüllen, lassen sich nach Aussage von Dr. ­Hülser mit diesen Kombinationen erreichen. Die Zentrifugentechnologie erlaubt die Herstel-
lung von Deckschichten mit geringer Schichtdickenabweichung und hohem Bedeckungsgrad auch bei komplexen Geometrien. Neue Topcoats lassen sich mit Einrichtungen, die für die Beschichtung mit Zinklamellensystemen konzipiert sind, aufbringen. So wird durch die mögliche Wärmebehandlung bei etwa 200 °C die Korrosionsbeständigkeit der Beschichtungssysteme erkennbar verbessert.

Erste Praxistests bestätigen die in Korro­sionsversuchen gefundenen, guten Korrosionseigenschaften der Schichten. Zudem zeigen diese Nachbehandlungen ein sehr gutes Einschraubverhalten bei der Anwendung auf Radschrauben, das auch nach Mehrfachanzug (20-faches Einschrauben und Lösen) erhalten bleibt. Die Topcoats sind außerdem beständig gegenüber sauren und alkalischen Reinigungsmitteln. Ein entsprechendes Schichtsystem besteht zum Beispiel aus 10 µm Zink-Nickel (12–15 % Ni), Schwarzpassivierung und schwarzem Topcoat. Im Korrosionstest gemäß DIN EN ISO 9227 zeigen die Oberflächen nach 240 Stunden keine Veränderungen. Bei Verwendung von Dickschichtpassivierungen werden nach Aussage des Vortragenden über 1000 Stunden ohne Beeinträchtigungen erreicht.

Effizienter Betrieb von alkalischen Zink-Nickel-Verfahren

Alkalische Zink-Nickel-Verfahren sind weltweit in großen Mengen, vor allem aufgrund der hohen Produktivität und effizienten Ressourcennutzung, im Einsatz. Die Nachteile der Technologie sind nach den Worten von Christian Kaiser die im Verlaufe der Nutzung sinkende Stromausbeute, die aufgrund des steigenden Elektrolytwiderstands auftretende Temperaturerhöhung sowie die stetig steigenden Konzentrationen an den Abbauprodukten Cyanid und Carbonat im Elektrolyten. Letztere führen zu einem relativ hohen Wartungsaufwand und Aufwand für die Abwasserbehandlung.

Aufbau der 3s-Anoden zur Abscheidung von Zink-Nickel (Bild: Ch. Kaiser)

 

Um eine hohe Produktivität zu gewährleisten sind Verfahren üblich, bei denen eine kontinuierliche Ausarbeitung mittels Ionentauscher, eine stetige Entnahme von gebrauchtem Elektrolyt und Ersatz durch neue Elektrolyte (bleed+feed) erfolgt oder Anoden- und Kathodenraum mit Hilfe von Ionenaustauschmembranen getrennt werden.

Eine neue Technologie ist der Einsatz von ummantelten Anoden zur Trennung von Anoden- und Kathodenraum. Hierbei kommt zur Trennung ein spezielles poröses Material zur Anwendung. Die Stromleitung im dadurch entstehenden Anodenraum wird durch eine Natronlaugelösung gewährleistet. Durch diese Technik wird die Stromausbeute erhöht, die Erwärmung des Elektrolyten gebremst, der Carbonatgehalt im Elektrolyten konstantgehalten und dadurch bei hoher Konstanz der Abscheidung die Abscheiderate auf 9 µm/h bis 11 µm/h erhöht. Zudem kann der Abbau von organischen Elektrolytbestandteilen deutlich reduziert werden. Im Gesamt­ergebnis führt dies zu einer deutlichen Kostenreduzierung des Abscheideprozesses; nach Berechnungen des Vortragenden können die Kosten für den Betrieb des Elektrolyten zur Abscheidung von Zink-Nickel um annähernd 70 Prozent gesenkt werden.

Neue Technologie für alkalische Zink-Nickel-Elektrolyte

Ralph Krauß befasst sich ebenfalls mit der Verbesserung der Ausstattung von alkalischen Zink-Nickel-Systemen, bei der insbesondere der schrittweise Abbau der orga­nischen Additive bis zur Entstehung von Cyaniden nachteilig ist. Dies resultiert in einem kostenintensiven gesteigerten Bedarf an organischen Zusätzen. Das entstandene Cyanid bindet das enthaltene Nickel und reduziert die Wirtschaftlichkeit der Abscheidung; gleichzeitig steigen die Kosten für die Abwasserbehandlung.

Abhilfe kann ein neues Verfahren für alkalische Zink-Nickel-Elektrolyte mit speziellen Anoden und optimiertem organischen Zusatzsystem schaffen. Damit können nachweislich der organische Abbau von einzelnen Additiven und die Cyanidbildung deutlich verringert werden. Das neue System zeichnet sich zudem durch eine gleichbleibend hohe Stromausbeute und Prozessstabilität aus.

Kobaltfreies ­Passivieren für Zinkschichten

Aufgrund der drohenden REACh-Registrierung von Kobalt wird seit einiger Zeit an der Entwicklung von kobaltfreien Alternativsystemen gearbeitet. Seit kurzem kommt nun der extrem gestiegene Preis für verarbeitetes Kobalt als weitere Motivation bei der Suche nach Alternativen hinzu, wie Patrick Rio einleitend betonte. Die Überlegungen hierzu basieren auf dem Ansatz, durch den Einbau von neuen Silikatformen und Reduzierung des Wassergehalts der Passivschicht die Beständigkeit der Passivierung zu verbessern. Dabei wird zugleich auf die Verwendung des bisher gebräuchlichen Kobalts verzichtet. Einer der Kernpunkte der neuartigen Passivierung ist die Bildung eines kettenförmigen, kolloidalen ­Siliziumoxids mit einer Länge zwischen 60 nm und 80 nm. Darüber hinaus kann durch die angewandte Trocknungstemperatur von bis zu 200 °C ein geringerer Wasseranteil in der Schicht und eine deutlich riss­ärmere Schicht erzeugt werden. Neben den guten Korrosionseigenschaften zeichnet sich der Deckfilm durch ein edelstahlähnliches Aussehen aus, während die Schicht ohne Silikat eine leichte Gelbfärbung aufweist. Als einen der besonderen Vorteile des neuen Systems bezeichnete Patrick Rio die Verbesserung die Korrosionsbeständigkeit einer reinen Zinkschicht dahingehend, dass sie durchaus konkurrenzfähig zu Zink-Nickel wird. Darüber hinaus liegt die Bildung von sechswertigem Chrom unter korrosiver Belastung deutlich unter der Nachweisgrenze von etwa 0,02 µg/cm2.

Die neue Passivierung zeichnet sich durch einen kompakten Aufbau aus (Bild: Patrick Rio)

 

Stand der Technik bei ­Versiegelungen und Topcoats

Dr. Michael Krumm ging in seinen Ausführungen zunächst auf die Unterschiede zwischen Versiegelung und Topcoat ein, die insbesondere bei Zink- und ­Zinklegierungsschichten als abschließende Schicht zu den guten und vielseitigen Eigenschaften der Oberflächen beitragen. Dabei wies er darauf hin, dass diese letzte Schicht in unmittelbarem Kontakt mit der Umgebung sowohl die mechanischen als auch die chemischen Eigenschaften des gesamten beschichteten Bauteils beeinflusst. Dies tritt ganz besonders bei Schrauben zutage. Auch die in der Regel sprachlich sehr präzise Normung hilft bei den Produkten Versiegelung und Topcoat nicht sicher weiter, wie er an den relevanten Regelungen DIN EN ISO 2081:2018-07, EN ISO 27830:2017, DIN EN ISO 19598:2017-04 und ISO/DIS 4042:2017 deutlich machte.

Nach Ansicht von Dr. Krumm kann sich eine Unterscheidung auf den Schichtaufbau beziehen:

  • Eine Versiegelung (Sealer/Sealant) verschließt die Poren der Oberfläche und bietet einen inerten Schutz
  • Ein Topcoat (Deckschicht) ist ein organischer oder anorganischer, multifunktionaler Beschichtungsstoff, der mehrere Komponenten enthalten kann, um die Eigenschaften einer Beschichtung einzustellen

Eine weitere Unterscheidung kann sich auf die Trocknungsart beziehen, die physikalisch trocknend oder chemisch härtend sein kann. Die Multifunktionalität dieser unterschiedlichen Arten der Deckfilme umfasst eine ganze Reihe von Eigenschaften im Hinblick auf den Korrosionsschutz, den Reibwert oder auch das Einsatzgebiet.

Die Eigenschaften von Versiegelungen und Topcoat hängen stark vom eingesetzten Ausgangsmedium Wasser beziehungsweise ­organischem Lösemittel ab. Diese zeigen je nach Substrat eine unterschiedliche Benetzung und damit Bedeckung, führen aber auch zu verschiedenen Mechanismen der Verfestigung der Inhaltsstoffe und der daraus entstehenden Schicht. Sehr deutlich ist dies beispielsweise an der Kantendeckung oder der Porosität der hergestellten Deckfilme zu erkennen. Schließlich erfordert der Einsatz der beiden Arten an Ausgangsmedien deutlich unterschiedliche Fertigungseinrichtungen und Umweltschutzvorkehrungen. ­Zukünftig werden verstärkt Systeme auf Basis von Wasser zum Einsatz kommen, während organische Lösemittel in der Hintergrund treten.

Anforderungen an Verbindungselemente im Automobilbereich (Bild: Dr. M. Krumm)

 

Im Bereich der Automobilindustrie stehen heute hohe Korrosions- und Temperatur­beständigkeiten der Beschichtungen im Vordergrund. Darüber hinaus sind vor allem schwarze Schichten gefragt, die sich durch eine hohe Farbkonstanz über die Nutzungsdauer auszeichnen sollten. Bei Verbindungs­elementen müssen die Deckschichten die Einstellung eines definierten und eng begrenzten Reibwerts gewährleisten, der über mehrere Anzieh- und Lösevorgänge ohne nennenswerte Eigenschaftsänderungen bestehen bleiben muss. Alle die genannten Eigenschaften sind einem stetigen Wandel der Kundenwünsche unterworfen, wodurch eine intensive Weiterentwicklung unerlässlich ist.

Strippen von ­hartnäckigen Versiegelungen

Versiegelungen/Sealer dienen zur Nachbehandlung chromatierter beziehungsweise passivierter Zink- und Zinklegierungsoberflächen sowie für Zinklammellenbeschichtungen und feuerverzinkten Oberflächen. Die Versiegelungen werden mit verschiedenen Versiegelungsinhaltsstoffen für extreme Funktionsanforderungen betrieben und weisen dadurch bei zahlreichen Beanspruchungen eine sehr hohe Beständigkeit auf.

Allerdings müssen die für die Beschichtung eingesetzten Gestelle und Anlagenteile von diesen Beschichtungen gereinigt werden, um ihre Funktionalität aufrechtzuerhalten. Mit diesem Thema setzt sich Björn Haupt auseinander. Dafür werden in der Regel chemische Stripper eingesetzt. Zum Einsatz kommen unterschiedliche Formulierungen unter anderem auf Basis von Acrylat-, Polymer-, Titan-, Epoxidsystemen, um geringe Einwirkzeiten und rückstandsloses Auflösen zu garantieren. Die chemischen Strippersysteme müssen sich auf die Versiegelungen von verschiedenen Herstellern abstimmen lassen.

wird fortgesetzt

 

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